Egal wie der Strafrichter urteilt: Der Freitag wird ein Schicksalstag für den früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – und auch für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht es um viel. Sie hat Kurz und seinen früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli angeklagt, weil beide im Ibiza-U-Ausschuss falsch über ihre Rolle rund um Personalentscheidungen bei der Verstaatlichtenholding Öbag ausgesagt haben sollen. Beide bestreiten das, und für beide gilt die Unschuldsvermutung.

Kurz
Sebastian Kurz vor Gericht.
REUTERS/ELISABETH MANDL

Klar ist auch, dass es einen wahren Ansturm von Medienleuten auf den Großen Schwurgerichtsaal des Straflandesgerichts Wien geben wird. Immerhin ist Kurz erst der dritte österreichische Altkanzler, der als Angeklagter vor dem Richter steht. Bruno Kreisky (SPÖ) war wegen übler Nachrede gegenüber Simon Wiesenthal zu einer Geldstrafe verurteilt worden, Fred Sinowatz (SPÖ) wegen falscher Zeugenaussage.

Videoschaltung nach Moskau

Vor dem Schlussakt des Prozesses geht es allerdings noch einmal nach Moskau: Per Videoschaltung aus der österreichischen Botschaft soll der zweite georgisch-russische Geschäftsmann aussagen, den die Verteidigung als Zeugen beantragt hat. Er hatte mit einem Kollegen, der bereits befragt wurde, ein Bewerbungsgespräch mit Thomas Schmid geführt. Laut einer eidesstättigen Erklärung der beiden hat der Ex-Öbag-Chef, der Kronzeuge werden will, da von großem Druck durch die Staatsanwaltschaft gesprochen und angedeutet, vor ihr nicht nur wahrheitsgemäß ausgesagt zu haben.

So konkret hat der erste russische Zeuge das dann vor dem Richter nicht ausgesagt. Dafür berichtete er, dass Kurz' Verteidiger Otto Dietrich ihn bei der Formulierung der Eidesstättigen unterstützt habe. Der zweite Zeuge hätte an diesem Verhandlungstag Ende Jänner auch drankommen sollen, hatte sich aber kurzfristig entschuldigt – er fühlte sich nicht wohl. Ob er am Freitag auftaucht, ist ungewiss. Gewiss ist dagegen, dass Thomas Schmid per Zoom-Schaltung nach Amsterdam, wo er nun lebt, noch einmal zu seiner Wahrnehmung des ominösen Treffens befragt werden wird.

Schlussworte der Angeklagten

Was dann noch auf dem Programm steht: Nach diversen Verlesungen aus dem Akt – alles, was in die Urteilsfindung einfließt, muss in der öffentlichen Verhandlung thematisiert worden sein – halten Staatsanwaltschaft und Verteidiger ihre Plädoyers, und die Angeklagten können Schlussworte sprechen. Dass Kurz, der im Prozess immer wieder Erklärungen abgab, davon Abstand nehmen wird, ist eher nicht zu erwarten.

Sobald die Verhandlung geschlossen ist, wird sich Richter Michael Radasztics zurückziehen und anschließend, wahrscheinlich am späten Nachmittag, das Urteil verkünden und begründen. Für die schriftliche Ausfertigung hat er dann Zeit.

Bis zu einem rechtskräftigen Urteil wird es freilich länger dauern. Es gilt als nahezu ausgeschlossen, dass die Verteidigung von Kurz und Bonelli einen Schuldspruch beziehungsweise die WKStA einen Freispruch akzeptieren würde. Das Verfahren ginge dann an das Oberlandesgericht (OLG) Wien und allenfalls an den Obersten Gerichtshof (OGH).

Juristisch komplex

Juristisch ist die Angelegenheit sehr spannend. Das liegt an Paragraf 290 des Strafgesetzbuchs (StGB): Aussagenotstand. So ist "nicht zu bestrafen", wer falsch aussagt, "um die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung" abzuwenden. Aus diesem Grund wurde etwa Johann Fuchs, Chef der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, vom Vorwurf der Falschaussage im U-Ausschuss freigesprochen.

Kurz und Bonelli hatten während des Prozesses immer wieder betont, sie hätten bei ihren Befragungen im U-Ausschuss Angst vor Anzeigen und Ermittlungen gehabt. Gleichzeitig aber blieben beide dabei, inhaltlich korrekt und wahr ausgesagt zu haben. Die Staatsanwälte sahen darin einen "Argumentationsspagat" der Angeklagten. Sie hätten nicht falsch ausgesagt, weil sie Angst vor Strafverfolgung gehabt hätten, sondern um sich nicht dem Vorwurf des Postenschachers auszusetzen. Zudem wäre es gar nicht strafbar gewesen, hätte sich Kurz in Bestellungen involviert, so die Staatsanwälte. Wann genau der Aussagenotstand anzuwenden ist, wird unter Juristinnen und Juristen heiß debattiert – vor allem angesichts der Causa Kurz.

Die zunächst mitangeklagte Ex-Casinos-Managerin und einstige ÖVP-Vizeparteiobfrau Bettina Glatz-Kremsner räumte hingegen schon am ersten Prozesstag ein, sie habe vor dem U-Ausschuss und Ermittlern Dinge "nicht gesagt, die ich hätte sagen sollen". Richter Radasztics schlug deshalb eine Diversion vor, Glatz-Kremsner bezahlte eine Geldbuße und war damit aus dem Verfahren raus. (Renate Graber, Fabian Schmid, 22.2.2024)