Jan Philipp Gloger volkstheater
Jan Philipp Gloger wird ab 2025/26 künstlerischer Leiter des Wiener Volkstheaters.
Konrad Fersterer

Selten hat hierzulande ein designierter Theaterdirektor seine künftige Ära mit solcher Verve und Unverdrossenheit vorgestellt wie Jan Philipp Gloger am Donnerstag im Volkstheater. Der 1981 in Nordrhein-Westfalen geborene deutsche Theater- und Opernregisseur, derzeit noch Schauspieldirektor in Nürnberg, wird das Haus am Arthur-Schnitzler-Platz in Wien mit der Spielzeit 2025/26 von Kay Voges übernehmen.

Keine abgegriffene Floskel, keine Anbiederung, keine aufgesetzte Maskierung war bei der Präsentationspressekonferenz von ihm zu vernehmen. Vielmehr sah man eine verbindliche Persönlichkeit, die – ohne noch konkrete Pläne nennen zu können – einen festen Plan für die herausfordernde Bühne in der Tasche zu haben scheint. Der 42-Jährige hielt, bevor die frostigen Fragen der Presse anhoben, eine flamboyante Rede für sein künftiges Haus.

47 Bewerbungen

Die mit 830 Plätzen zweitgrößte Bühne der Bundeshauptstadt (und drittgrößte Sprechbühne des gesamten deutschen Sprachraums) hatte es mit ihrer Ausrichtung nicht immer leicht. Dem noch bis Sommer 2025 amtierenden Direktor Kay Voges – er wechselt dann nach Köln – ist aber in schwierigen Jahren nach einer sanierungsbedingten Komplettschließung sowie den direkt darauffolgenden Pandemiejahren eine Neupositionierung geglückt, die auch erstmals internationales Echo erzeugt hat.

Video: Jan Philipp Gloger wird neuer Volkstheaterdirektor.
APA

Diesen eingeschlagenen Weg wird Gloger mit neuen Schwerpunktsetzungen fortführen. Er hatte dafür in den Augen der Findungskommission die besten Voraussetzungen, so Roland Geyer, Vorsitzender der Volkstheater-Privatstiftung, die als Eigentümerin für die Stellenbesetzung verantwortlich zeichnet. Insgesamt hatten sich 47 Personen bzw. Teams für den Posten beworben, der Anteil von Männern und Frauen hielt sich dabei die Waage. Elf Bewerbungen kamen aus Österreich, die übrigen aus dem deutschsprachigen Ausland.

Der fünfköpfigen Findungskommission gehörten die Dramaturgin Rita Thiele, Intendant Andreas Beck (Residenztheater München) sowie Eva Kohout von der Stadt Wien und Theresia Niedermüller und Roland Geyer als Vertreter der Stiftung an. Besonderes Augenmerk im Findungsprozess, im Zuge dessen zuletzt auch die Regisseurinnen Claudia Bauer und Anna Bergmann genannt wurden, lag auf der Breitenwirksamkeit, dem schöneren Wort für Niederschwelligkeit.

Avantgarde und Rumba

In dieser Hinsicht war Gloger mit seinem bemerkenswerten Auslastungserfolg in Nürnberg unschlagbar. Der Theatermacher verfügt über eine unwiderstehliche Mischung aus Kunstverständnis und populärer Gesinnung. Er vereine "Avantgarde bei Heiner Goebbels und Rumba auf der Silberhochzeit", so Gloger selbst, anspielend auf seine Ausbildung am renommierten wie berüchtigten Theaterinstitut in Gießen und seinen Werdegang, im Zuge dessen er viel als Theatermusiker jobbte.

Die erst vor wenigen Wochen ausgesprochene Einladung zum Berliner Theatertreffen hat seinen Erfolg in Nürnberg ein weiteres Mal bestätigt. Die Regisseurin der betreffenden Produktion, Schwabs "Übergewicht, unwichtig: Unform", wird künftig regelmäßig am Volkstheater inszenieren und ist in Wien auch nicht unbekannt: Rieke Süßkow – sie ist Nestroy-Preisträgerin und hat im Vorjahr bereits das Akademietheater mit Handkes Zwiegespräch zum Theatertreffen befördert.

Debüt in Bregenz

Einen zweiten Namen verriet Gloger noch, den Musiker Kostia Rapoport – und machte damit auf einen Musikschwerpunkt aufmerksam, den Kay Voges bereits etabliert hat. Gloger ist seit über zehn Jahren auch als Opernregisseur tätig, auch in Bayreuth. 2022 ließ er zum Antritt Lotte de Beers an der Volksoper Wien die Operette Die Dubarry (mit Harald Schmidt) zünftig abgemischt vom Stapel. Im Sommer (18. 7.) gibt Gloger mit Rossinis Tancredi sein Debüt im Festspielhaus der Bregenzer Festspiele.

Am Burgtheater wiederum hinterließ der Regisseur, dem Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) für seine neue Aufgabe "die richtige Hand" zugestand, mit dem Impfdebattenstück Die Nebenwirkungen ein flottes Dialogtheater. Gloger glaube an die Dialogform auf der Bühne, sagt er, und er interessiere sich für österreichische Dramatik; einige Jelinek-Inszenierungen zeugen davon. In Nürnberg hat Gloger zuletzt mit Cosmea Spelleken, David Bösch, Julia Hölscher oder Martina Gredler zusammengearbeitet.

Nur gute Eigenschaften werden ihm nachgesagt. Er sei in seinen Inszenierungen klug, sehr genau, beherzt, geschickt und ungeheuer präzise in der Sprache. Auf ihn können sowohl die fortschrittlichen Theaterfans setzen wie auch die konservativeren. Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) sprach einen gewichtigen Satz gelassen aus: "Ich traue ihm zu, das Haus bis auf den letzten Platz zu füllen." Wenn das nicht Mut macht! (Margarete Affenzeller, 22.2.2024)