Mann hält Laptop in einem Unternehmen
In den Unternehmen der Telekommunikationsbranche werden Spezialistinnen und Spezialisten für KI und Cloud-Computing immer wichtiger.
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Mobiles Arbeiten, Meetings über Zoom, die Datenübertragung über Cloud oder die zahlreichen Systeme mit künstlicher Intelligenz, die Einzug in die meisten Unternehmen finden: Es gibt viele Gründe, warum der globale Datenverbrauch immer mehr steigt und die Übertragungsinfrastruktur immer weiter ausgebaut werden muss. Freilich braucht es dafür auch immer mehr spezifische Fachkräfte, die diese Entwicklung stemmen.

Genau das könnte in der europäischen Telekommunikationsbranche aber bald zu einem massiven Problem werden. Zu diesem Schluss kam die Strategieberatung Strategy& aus dem Beraterhaus PwC in ihrer aktuellen Studie "Solving the Workfore Paradox". Bis zum Jahr 2030 werden den jeweiligen Unternehmen europaweit demnach rund 360.000 hochqualifizierte Arbeitskräfte fehlen. Grund dafür seien unter anderem der immer höher werdende Datenverbrauch und die gleichzeitig stagnierenden Umsätze in der Branche. Strengere Regulatorik und immer höhere Anforderungen von Kundinnen- und Kundenseite machen außerdem signifikante Investitionen in die Infrastruktur notwendig.

Der Kostendruck machen es laut der Analyse von PwC schwierig, profitabel zu bleiben, was die Unternehmen wiederum zu Kostensenkungsmaßnahmen zwinge. Eine Herausforderung ist zum Beispiel auch der "EU Gigabit Infrastructure Act", der den Ausbau von Gigabit-Netzwerken einschließlich einer umfassenden 5G-Abdeckung in ländlichen Regionen innerhalb der nächsten sechs Jahre vorsieht.

Aber auch die Reduzierung der Belegschaft spielt hierbei eine zentrale Rolle – bis 2030 soll diese branchenweit jährlich um zwei Prozent abgebaut werden, heißt es in dem Bericht. Gleichzeitig aber wollen, oder müssen, sich Europas Telekommunikationskonzerne in Sachen Cloud- und Edge-Computing oder künstlicher Intelligenz immer besser aufstellen, um am Markt und beim gesellschaftlichen Wandel mithalten zu können. Die Strategieberatung schlussfolgert dazu: Ohne wirksame strategische Gegenmaßnahmen bedrohe die Fachkräftelücke nicht nur die Wertschöpfung, sondern auch die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Branche.

Deutliche Lücke

Strategy& berechnete den drohenden Mangel anhand der europaweit vorhandenen Fachkräfte und wie viele davon für die Zukunft gerüstet sind. Rund 840.000 Mitarbeitende zähle die Telko-Branche derzeit in Europa. Bis 2030 würden voraussichtlich rund 420.000 von diesen Fachkräften in den Belegschaften zukunftsfähige Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen, die teilweise bereits heute vorhanden sind oder durch Reskilling-Maßnahmen gewonnen werden. Gleichzeitig würde trotzdem nur eine geringe Anzahl an neuer, für die Zukunft vorbereitete Arbeitende hinzukommen. Mitunter verschulde dies die zunehmende Komplexität und die steigenden Anforderungen an Qualifikationsprofilen, auch wenn es bereits vielfach innovative Rekrutierungsmaßnahmen geben würde. Somit werde die verbleibende Lücke von 360.000 hochqualifizierten Beschäftigten schwer zu schließen sein – die Hälfte der derzeitigen Gesamtbelegschaft.

Auch in Österreich ist der Mangel an Fachkräften deutlich spürbar. Im September letztes Jahr warnte der Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV), Christian Helmenstein, bei einer Pressekonferenz der Wirtschaftskammer (WKÖ), dass bis 2030 58.000 Personen zusätzlich für den Breitbandausbau und den digitalen Fortschritt in der heimischen Telko-Branche benötigt werden würden. Allein beim Tiefbau wären in Österreich die Kapazitäten bereits voll ausgelastet. Außerdem bekrittelte er das billige Preisniveau der Dienstleistungen für Kundinnen und Kunden in Österreich im europäischen Vergleich, was die Investitionen freilich schwerer leistbar machen würden.

Auch hierzulande spürbar

Der Engpass an Personal geht dabei auch an den heimischen Konzernen nicht vorbei, so heißt es etwa auf Anfrage des STANDARD von Fred Mahringer, Personalchef bei A1. Mit gezielten Initiativen und Programme im Unternehmen würden sie dem Defizit aber entgegentreten. Es gebe bereits ein sogenanntes Skill-Development Programm für interne Aus- und Weiterbildungen. Dieses werde gut aufgenommen, bis dato hätten bereits mehr als 100 Mitarbeitende dadurch neue Jobs angetreten. Außerdem gebe es eine Lehre als Nachwuchsangebot und eine Partnerschaft mit der FH Technikum Wien. "Die Studierenden des Bachelor-Lehrgangs Informatik Dual absolvieren im Rahmen ihres Studiums die Praxiseinsätze bei uns. 14 von ihnen sind mittlerweile auch A1-Mitarbeiter:innen geworden."

"Um gute IT-Fachkräfte zu bekommen, bedarf es etwas mehr Einsatz als bei den restlichen Stellen", erklärt Natalie Rau, Personalchefin bei Magenta. Trotzdem sei die Situation bei Magenta derzeit entspannt. Sie würden Aus- und Aufbau von Fähigkeiten intern priorisieren, vor allem Weiterbildungen zum Thema KI seien beliebt. Was man vor allem spüre, sei, wie datenhungrig immer mehr Menschen werden, sagt sie, "dieser Hunger wächst jedes Jahr um 30 bis 40 Prozent". Die Kosten für den Betrieb der Netze würde dementsprechend enorm steigen.

Gewisse Positionen seien schwer oder gar nicht zu besetzen, da es wenige Kandidatinnen und Kandidaten mit erforderlichen Qualifikationen gebe, heißt es auch von Bettina Malatschnig, Personalchefin bei Drei. "Es gilt, hier ständig eine gute Balance zwischen Marktperformance und Kostenstruktur zu halten." Um die Zufriedenheit ihrer Kundschaft weiterhin aufrechtzuerhalten, würden vordergründig Fachkräfte in den Bereichen IT, Netzwerktechnologie und Vertrieb gesucht. Auch Drei würde Lehrlinge selbst ausbilden, Fachkräfte vermehrt im Ausland rekrutieren und auf ein Empfehlungsprogramm durch Mitarbeitende setzen.

Stark nachgefragt

"Für die Geschäftsmodelle der Zukunft, die effektive Nutzung neuer Technologien in der Netzinfrastruktur, künstliche Intelligenz und Cybersecurity braucht es in der Telekommunikationsindustrie zukünftig vielfältige, neue Schlüsselqualifikationen, die am Arbeitsmarkt allerdings kaum verfügbar sind", erklärt Jens Niebuhr, Co-Autor der Studie von PwC und Partner bei Strategy& Deutschland. Der Kampf um relevante Arbeitskräfte für diesen Markt sei auch deshalb schwierig, weil Entwicklerinnen und Entwickler von KI- und Cloudsystemen auch in anderen Branchen besonders gefragt seien.

Aufstrebende Tech-Unternehmen seien ein großer Konkurrent der Telko-Firmen. Die PwC-Analyse resümiert dazu, dass vor allem unkonventionelle Personalsuche helfen kann, die offenen Stellen zu besetzen oder eben den Bedarf zu verringern. Dazu gehört das Rekrutieren im Ausland oder aus anderen Branchen, spezielle Umschulungsprogramme und KI-basierte personalisierte Lernangebote für Mitarbeitende. Möglich wären auch Talent-Ökosysteme, um Fachkräfte so zwischen Unternehmen flexibel einsetzen zu können. (Melanie Raidl, 23.2.2024)