Am Fuße des Speikkogels, auf 1.710 Meter Seehöhe, steht eine echte Rarität: ein Windrad mit einer Nabenhöhe von 65 Metern. Seit 2011 liefert es erneuerbare Energie für Lifte, Beleuchtung und Hütten des steirischen Skigebietes Salzstiegl. Von 2007 bis 2018 stand hier noch ein zweites Windrad, bis es wegen technischer Schwierigkeiten abgebaut werden musste. "Als ich begonnen habe, habe ich mich gefragt: Bin ich deppert oder sind es die anderen Skigebiete?", sagt Friedrich Kaltenegger, der ehemalige Salzstiegl-Betreiber, der die Windräder errichten ließ. Warum steht bis heute nur ein Windrad in Österreichs 437 Skigebieten?

Am Fuße des Speikkogels im Skigebiet Salzstiegl steht Österreichs einziges Windrad in einem Skigebiet.
Leitwind/Klaus Rockenbauer

Fehlender Wille

"Die Installation von Windturbinen in schwierigem Gelände kann anspruchsvoll sein, und es müssen mögliche Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigt werden", schreibt der Fachverband der Seilbahnwirtschaft. Der Wind müsse Mindestgeschwindigkeiten erreichen, zudem müssten zahlreiche Auflagen erfüllt werden. Dazu kommt der Transport. Rotorblätter einer Anlage, die bis zu drei Megawatt liefert, könnten rund 45 Meter lang sein und müssten auf Spezialgerät etwa über Brücken und Engpässe befördert werden.

Martin Jaksch-Fliegenschnee von der IG Windkraft ortet vorrangig fehlenden politischen Willen als Grund für nicht vorhandene Windräder in Skigebieten. "In Westösterreich", sagt er, "wurde der Windenergieausbau lange Zeit politisch verhindert." In den Alpen Niederösterreichs ist keine einzige Zone ausgewiesen. Dort würden Versuche, Windkraft in Skigebieten zu nutzen, von der Landesregierung abgedreht.

Dabei hatten manche in der Branche Interesse. Stefan Mangott war etwa im Jänner 2019 im Schweizer Skigebiet Andermatt-Zedrun – und sah dort drei Windräder stehen. "Damals dachte ich mir: Warum geht das in Tirol nicht? Aber das war für die Landesregierung noch ein No-Go", erzählt der Geschäftsführer der Seilbahn Kompardell GmbH im Tiroler Serfaus.

In den vergangenen Jahren drehte sich der Wind. "Als die Landesregierung gesagt hat, es sei möglich, habe ich bei meinen Kollegen gemerkt, dass sich viele die Möglichkeiten anschauen", sagt Mangott.

Bisher drehen sich Windräder vor allem im Osten Österreichs wie hier am Neusiedler See. Im gebirgigen Westen gibt es keine einzige Anlage.
imago/blickwinkel

Schwierige Anlieferung

Ein Wendepunkt im Westen war der September 2022, als Seilbahnverband-Obmann Franz Hörl verlautbarte, den Bau von drei Anlagen in der Zillertal-Arena im Tiroler Gerlos prüfen zu wollen. Die Ankündigung, so Mangott, hat wohl viele in der Branche dazu gebracht, sich das mit der Windkraft einmal anzusehen – auch wenn das Projekt nicht umgesetzt wurde. Aber warum?

Tunnel, Spitzkehren und kreuzende Stromleitungen hätten es unmöglich gemacht, die Einzelteile der 250-kW-Anlagen anzuliefern. Auch die Windmessungen – im Winter im Durchschnitt 4,35 Meter pro Sekunde – würden keinen wirtschaftlich nachhaltigen Betrieb ermöglichen, schreibt David Kammerlander, Geschäftsführer der Zillertal-Arena, auf Anfrage.

Windkraft für Lifte

In Zell am See hofft Hannes Mayer auf günstigere Messdaten. Die Schmittenhöhebahn speist hauptsächlich im Sommer durch Photovoltaikpaneele gewonnenen Strom ein, erzählt deren technischer Leiter. Die meiste Energie braucht man aber naturgemäß im Winter. "Da laufen die Lifte und Beschneiungsanlagen. Für deren Betrieb muss man sich nach Alternativen umsehen – und eine der besten ist da sicherlich die Windkraft", sagt Mayer.

Darum prüft man, ob sich ein Windrad nordöstlich der Sonnkogelbahn auf rund 1.800 Meter Seehöhe errichten ließe. Das Grundstück gehört der Schmittenhöhebahn AG, ist gut über Forststraßen zu erreichen und liegt ausreichend weit von Pisten entfernt. Seit Herbst 2023 messen Mitarbeitende eines beauftragten Planungsbüros hier die Windstärken.

Mindestens fünf Meter pro Sekunde müssten sie im Jahresdurchschnitt erreichen, damit sich das Windrad rechnet. Höher als 60 Meter soll die Nabe nicht werden, auch wenn Höhe bei Windkraft Wirtschaftlichkeit bedeutet. Denn, so Mayer: "Wir versuchen das Landschaftsbild zu betrachten."

Windmessungen im Skigebiet

Rund 20 Kilometer weiter westlich ist man einen kleinen Schritt weiter. Von 2018 bis 2020 führten die Projektpartner Salzburg AG und Hinterglemmer Bergbahnen Windmessungen nahe der Hochalm durch. Der Standort liegt im Skigebiet und ist Teil des Salzburger Windkraft-Landesentwicklungsprogramms. Ob und welche Anlage entsteht und wer sie betreiben und den Strom nutzen wird, steht noch nicht fest. Man prüfe gerade verschiedene Möglichkeiten und will im Frühjahr 2024 evaluieren, schreiben die Projektpartner.

In Skigebiet Hinterglemm wurden vor einigen Jahren Windmessungen durchgeführt. Ob dort tatsächlich Windräder gebaut werden, steht noch nicht fest.
APA/BARBARA GINDL

Laut Informationen des Seilbahnverbandes sollen auch die Venet-Bergbahnen im Tiroler Zams einen Standort prüfen. Eine Anfrage an das Skigebiet blieb unbeantwortet.

In Tiroler Skigebieten gäbe es noch viel Potenzial: Bis zu 180 Gigawattstunden an technisch-wirtschaftlichem Windenergiepotenzial nennt eine vom Land in Auftrag gegebene Potenzialstudie. Das ergäbe bis zu 23 Anlagen, die bis zu 70 Megawatt Energie liefern könnten. Damit ließen sich Gondeln betreiben, Hütten heizen oder Rodelstrecken beleuchten.

"In den meisten Fällen", schreiben die Autoren, "wird ein Großteil der erzeugten Strommengen direkt von den Seilbahnunternehmen selbst verbraucht." Das stimmt auch für den Salzstiegl. Die Hälfte der 1.500 MWh Energie, die das Gebiet braucht, bezieht es direkt aus der eigenen Windkraft.

Öffentliche Meinung ändert sich

"Früher hieß es: Die Energie ist so günstig. Warum sollte man die Landschaft mit einem Windrad belasten? Heute ist alternative Energieerzeugung in der Seilbahnbranche ein riesiges Thema", erzählt Hannes Mayer von der Schmittenhöhebahn. Die Energiekrise habe viele Betreiber wachgerüttelt. Windkraftanlagen zu errichten sei eine langfristige Strategie, um unabhängiger von den schwankenden Stromkosten zu werden.

Auch die öffentliche Meinung hat sich geändert. Friedrich Kaltenegger weiß aus langjähriger Erfahrung am Salzstiegl: "Solange sich die Windräder drehen, ist das für die Menschen kein Problem." Als das erste Windrad in einem Skigebiet gebaut wurde, befragte man auch in Zell am See Gäste zu ihrer Einstellung. Damals sei das Thema negativ gesehen worden. Heute signalisiere ein Windrad: "Seht, wir erzeugen unsere Energie selbst", erzählt Mayer. "Viele unserer Gäste sind aus Deutschland – vor allem im Norden ist dort ein Windpark nichts Außergewöhnliches."

"Die Gäste verstehen das. Ich glaube aber, dass es in der Bevölkerung schon einen gewissen Aufschrei gegeben hätte", glaubt Seilbahnen-Kompardell-Geschäftsführer Mangott. Er meint ein Projekt, das nicht umgesetzt wurde. Im Winter 2023 hat man zwei Consultingfirmen für nachhaltige Energien mit der Potenzialprüfung in Serfaus beauftragt. Diese identifizierten drei Standorte, die allerdings nahe den Pisten lagen.

Zehn Jahre, um Windrad zu bauen

Das ist ein Problem, könnte doch Wasser auf den Rotorblättern frieren und Eis herunterfallen. Die Consulter schlugen Modelle mit einer Nabenhöhe von 120 Metern vor – da sich nur diese mit einer Rotorblattheizung ausstatten ließen. "Das war der Punkt, an dem wir gesagt haben, das macht keinen Sinn. Denn als Abstand zu Skipisten müsste man die Nabenhöhe plus den halben Rotorblattdurchmesser ansetzen – und da sind wir bei Abständen von 150 Metern", sagt Mangott.

Mayer ist in Zell am See zuversichtlicher. Im Frühsommer 2024 werden die Windmessungen dort abgeschlossen sein. Fallen sie positiv aus, könnte das Genehmigungsverfahren im Spätsommer 2025 starten. 2030 könnten sich die Rotorblätter auf der Schmittenhöhe drehen.

"Wenn sich politisch nichts ändert, kann es mehr als zehn Jahre dauern, ein Windrad zu errichten", sagt hingegen Jaksch-Fliegenschnee von der IG Windraft. Als die Windräder am Salzstiegl entstanden, sei eine UVB-Einreichung 30 Seiten dick gewesen. Mittlerweile hat das Dokument über 300 Seiten und setzt intensive Erhebungen voraus; der Anlagentyp muss bis zur letzten Schraube genau bewilligt werden. "Manchmal beginnt man ein Verfahren, und nach fünf Jahren gibt es den Anlagentyp gar nicht mehr – dann muss man eine Umgenehmigung starten, die wieder Zeit kostet."

Eine einfache Maßnahme, dies zu vereinfachen, wäre, quasi eine Hülle zu genehmigen, "die etwa maximale Schallwerte beinhaltet, die nicht überschritten werden dürfen", sagt Jaksch-Fliegenschnee. Um den Windkraftausbau auch in Skigebieten voranzutreiben, fordert er eine Beschleunigung der Genehmigungen, mehr Personal bei den Genehmigungsbehörden in den Ländern sowie politische Zielsetzungen und Ausbauverpflichtungen.

Der Lift wird zum Kraftwerk

Ibrahim Sagerer-Foric wählt einen anderen Zugang. "Der Clou unserer Kraftwerke ist, dass sie weder der Raum- noch Bauordnung unterliegen, sondern nur dem Seilbahngesetz", sagt der Geschäftsführer des Start-ups Bergwind Energy. Dieses will modulare Kleinwindturbinen von Februar bis November auf die Seile bestehender Liftanlagen montieren.

Ein Element besteht aus Gehänge, Adapter und einer handelsüblichen Windturbine, die je nach Modell zwei oder fünf Kilowatt liefern soll. Bei einer Jahreswindgeschwindigkeit von 6,8 Metern pro Sekunde könne eine Zwei-Kilowatt-Turbine bis zu 4.000 Kilowattstunden jährlich liefern, rechnet Sagerer-Foric vor.

Das Unternehmen Bergwind Energy will im Sommer stillstehende Skilifte nutzen, um mit Rotoren Windenergie zu gewinnen.
Bergwind Energy.

Damit die Genehmigung schnell vorangeht, will er mit der obersten Seilbahnbehörde zusammenarbeiten, mit der man schon gute Gespräche führe. Im Winter müssten die Kleinwindkraftwerke Gondeln und Sesseln weichen – obwohl Skigebiete dann am meisten Energie benötigen. Sagerer-Foric meint, das Interesse aus der Branche sei dennoch groß; viele Gebietsbetreiber wollten lieber bald eine 50-kW-Anlage als eine 500-kW-Anlage erst in 15 Jahren. Außerdem, so der Gründer, dehnen viele Skigebiete die Saison aus – und Kleinwindkraftwerke könnten Strom für E-Bikes oder die Beheizung von Pools liefern. Im März dieses Jahres will man in fünf Gebieten Pilot-Turbinen aufhängen.

Auch das einsame Windrad am Fuße des Speikkogels könnte spätestens kommendes Jahr wieder einen Nachbarn bekommen. Die aktuellen Betreiber wollen ein weiteres Windrad mit 85 Meter Nabenhöhe errichten. Die Genehmigungen sind erteilt. Friedrich Kaltenegger, der den Bau der ersten Windräder in einem österreichischen Skigebiet anstieß, sagt heute, er wisse noch immer nicht, ob er der Depperte war oder die anderen es sind. Bei einem ist er sich aber sicher: Er würde es wieder tun. (Laura Anninger, 3.3.2024)