Der Fliegerabwehrturm Skyranger 30 bestand erst vor wenigen Wochen seinen Härtetest. Österreich kauft als erstes Nutzerland 36 Stück.
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Wie so oft bei der Entwicklung von Verteidigungssystemen stand am Anfang ein Problem: Wie kann man relativ leichte und kompakte gepanzerte Truppentransporter mit einem effektiven Schutz vor Drohnen ausstatten? Der Pandur EVO 6×6 des Heeres gilt zwar als ein hervorragendes Fahrzeug seiner Klasse, aber er ist nur bedingt dafür geeignet, schwere Türme mit Waffensystemen aufzunehmen.

Also musste der Skyranger 35 abspecken: Es wurde Panzerung eingespart sowie die 35-Millimeter-Kanone durch eine Variante im Kaliber 30 Millimeter ersetzt. Das Gewicht konnte so auf etwa 2,5 Tonnen reduziert werden. Plötzlich stand man bei Rheinmetall vor einem neuerlichen Problem, diesmal aber in der Luxusvariante: Der leichtere Turm bot noch Platz für ein weiteres Waffensystem, also packte man kurzerhand zwei Flugabwehrraketen vom Typ Mistral mit dazu, fertig ist der Fliegerabwehrturm für den Pandur. Doch der Skyranger kann noch deutlich mehr.

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Eine Wiedergeburt

Aber der Reihe nach: Der Skyranger 30 wurde nicht exklusiv für Österreich entwickelt, eigentlich war es Ungarn, das Interesse bekundete. Die ungarischen Streitkräfte wollten ihren KF41 Lynx mit einem Waffensystem zur Fliegerabwehr ausstatten. Auch Deutschland meldete bald Bedarf an einem solchen System für seine Boxer-Radpanzer. Österreich ist jedoch das erste Land, das einen Serienauftrag erteilt hat. Erst vor gut einem Monat hat das System Erprobungs- und Feuertests bestanden. Das plötzliche eilige Interesse an einer effektiven Flugabwehr im Nahbereich kommt nicht überraschend: Im Ukrainekrieg haben sich Drohnen als enorme Gefahr für Fahrzeuge und Soldaten herausgestellt. Bislang getroffene Schutzmaßnahmen wie Käfige und Anti-Drohnen-Netze erwiesen sich nur als bedingt effektiv – wenn überhaupt.

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Also musste ein Waffensystem her, das mit der Bedrohung zurechtkommt. Ironischerweise gab es das schon, doch viele Armeen haben ihre Flugabwehr mit Rohrwaffen eingespart. Bestes Beispiel: Der Gepard der deutschen Bundeswehr galt als veraltet und längst überholt, in der Ukraine werden die Fahrzeuge jedoch höchst effektiv gegen Drohnen und sogar Marschflugkörper eingesetzt. Aus dieser Erfahrung heraus, wird wieder aus Rohren auf kleine Ziele geschossen und ein längst obsolet geglaubtes Waffensystem feiert seine Wiedergeburt.

Kanonen, Raketen und ein Maschinengewehr

Die eingesparte Panzerung am Skyranger 30 sollte für die Besatzung kein Problem darstellen, denn der Waffenturm wird vom Inneren des Pandur aus ferngesteuert. Der Richtschütze kontrolliert die Hauptbewaffnung, bestehend aus einer 30-mm-173-KCE-Revolverkanone. Diese kann rund 1.200 Schuss pro Minute abfeuern. Jedes der 30-mm-Geschosse wird beim Verlassen des Rohres durch Induktion programmiert. Ein Computer misst die Mündungsgeschwindigkeit und berechnet die Entfernung zum Ziel. Daraufhin wird der Zünder der Munition so eingestellt, dass kurz vor dem Ziel 160 kleine zylinderförmige Wolframgeschosse ausgestoßen werden, daher auch der Name Ahead-Munition. Diese Subprojektile bilden eine Art Wolke und sollen das Ziel an möglichst vielen Punkten durchschlagen.

Gut zu sehen: die Wolfram-Zylinder der Ahead-Munition.
Conrad Seidl

Die Kanone selbst ist nicht ganz neu, kommt sie doch bereits im schwedischen Kampfjet Saab JA 37 Viggen zum Einsatz. Die Geschosse haben eine Reichweite von bis zu 3.000 Meter. Die Waffe kann in einem Maximalwinkel von 85-Grad nach oben feuern. Damit sollen etwa Drohnen im Sturzflug effektiv bekämpft werden können.

Die beiden Flugabwehrraketen (oder im Bundesheer-Jargon: Fliegerabwehr-Lenkwaffe) vom Typ Mistral 3 sind bei den österreichischen Streitkräften keine Neulinge, kommen sie doch bereits in den tragbaren Systemen, so genannten Manpads, zum Einsatz. Bei dieser Rakete handelt es sich um eine Fire-and-Forget-Waffe, was in etwa so viel bedeutet, dass die Lenkwaffe nach dem Abfeuern selbstständig in ihr Ziel findet. Sie verfügt über einen Infrarot-Bildsuchkopf, der selbst Ziele mit einer geringen thermischen Signatur, wie etwa Drohnen, erfassen kann. Die Rakete selbst erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von Mach 2,7 und kann Ziele in einer Entfernung von bis zu sieben Kilometern bekämpfen. Der Skyranger 30 ist mit zwei dieser Raketen aus französischer Herstellung ausgestattet.

Darüber hinaus verfügt der Skyranger 30 noch über ein koaxiales Maschinengewehr auf der linken Turmseite für die Nahbereichsverteidigung.

Echtzeit-Bilderkennung

Die schwerste Bewaffnung nützt aber nichts, wenn die Ziele nicht erkannt werden. Aus diesem Grund ist der Skyranger 30 mit fünf flachen Radarantennen ausgestattet. Diese können fliegende Ziele mit einem Radarquerschnitt von einem Quadratmeter auf 20 Kilometer erkennen. Schwebende Helikopter können auf 15 Kilometer Distanz erfasst werden, kleine Drohnen werden ab fünf Kilometern sichtbar.

Außerdem ist im Skyranger das von Rheinmetall "First" getaufte System im Einsatz. Dabei handelt es sich um ein System aus mehreren Kameras sowie Laserentfernungsmessern in einem Sensorkopf. Dieses nimmt Bilddaten von der Umgebung auf und verarbeitet diese in Echtzeit. Mögliche Zielobjekte, wie ein plötzlich hinter einem Waldstück auftauchender Helikopter, werden vom System anhand charakteristischer Merkmale erkannt und auf dem Display des Operators mit eigenen Symbolen markiert.

Damit der Fliegerabwehr-Pandur selbst schwerer von feindlichen Sensoren erfasst werden kann, ist der Skyranger 30 mit Nebelwerfern ausgestattet. Diese sollen auch die Infrarotsignatur des Fahrzeuges verbergen können.

Die 30-Millimeter-Revolverkanone, das First-Sensorpaket sowie die Startvorrichtung für Mistral-Raketen sind hier gut zu erkennen. Die flachen Platten sind Radarantennen, bei den orangefarbenen Zylindern handelt es sich nicht um Kaffeekapseln, sondern um das Nebelwerfersystem namens Rosy. Das Maschinengewehr fehlt auf diesem Foto.
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Signalstörer und Laserwaffe

Auch wenn der Skyranger 30 erst vor einigen Wochen die nötigen Tests absolviert hat, gibt es bereits Pläne für weitere Features. So soll es eine Variante für elektronische Kriegsführung geben. So sollen Sensoren die Steuersignale von Drohnen abfangen können. Das würde nicht nur die Drohnen sichtbar machen, sondern auch die Position der Bedienmannschaften verraten. Gleichzeitig sollen künftige Skyranger-Türme mit Funkstörgeräten ausgestattet werden. Das Ziel: Drohnen ohne Beschuss vom Himmel holen.

Die Pläne gehen aber sogar noch weiter: Laut einer Mitteilung von Rheinmetall kann der Turm auch mit einer Laserwaffe ausgestattet werden. Der High Energy Laser (HEL) soll kleine Ziele zu einem Bruchteil der Kosten neutralisieren. Nach Angaben von Rheinmetall haben die derzeitigen Lasersysteme eine Leistung von 20 kW, wobei in der ersten Realisierungsphase bis zu 50 kW geplant sind und die Technologie bis zu 100 kW erreichen kann. (Peter Zellinger, 26.2.2024)