Ngozi Okonjo-Iweala, Direktorin der Welthandelsorganisation, steht bei einer Rede hinter einem Pult.
Ngozi Okonjo-Iweala, Chefin der WTO, macht Mut für die anstehenden Sitzungen.Denn die Verhandlungen über zentrale Themen stecken fest – vom Disput über das Handelsgericht bis zum Zank über Zölle.
AFP/GIUSEPPE CACACE

Die Chefin der Welthandelsorganisation (WTO) präsentiert sich gerne als Macherin: "Wir werden es schaffen", lautet die Parole der Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala vor dem Gipfel der WTO in Abu Dhabi. Okonjo-Iweala will die 164 zerstrittenen Mitglieder der fast 30-jährigen Institution in die Pflicht nehmen. Ein erfolgreiches Ministertreffen vom 26. Bis 29. Februar soll der kriselnden WTO neuen Schub geben. Noch ist die WTO mit Sitz in Genf das Regulierungsforum für den internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen, mehr als 75 Prozent des gesamten Welthandels finden im Rahmen ihrer Vorgaben statt. Immerhin kann der Handelsklub in Abu Dhabi ein bisschen feiern: Osttimor und die Komoren werden als neue Mitglieder aufgenommen.

Doch zentrale Verhandlungen stecken fest – vom Disput über das Handelsgericht bis zum Zank über eine Verlängerung des Moratoriums für Zölle auf elektronische Übertragungen. Idealerweise hätten die Streitpunkte vor Beginn der Ministerkonferenz ausgeräumt sein sollen.

Geopolitische Spannungen

Zudem überschatten die geopolitischen Spannungen zwischen den USA, China und Russland, Kriege wie in der Ukraine, das Schwächeln großer Handelsnationen wie Deutschland und wachsender Protektionismus das 13. WTO-Ministertreffen. Sollten die Delegationen Abu Dhabi mit leeren Händen verlassen, würde die WTO weiteren Schaden nehmen. "Unser Ziel muss eine Stabilisierung des globalen Handelssystems mit der WTO als Kernelement sein", betont ein westlicher Diplomat.

Zur Festigung des Systems würde vor allem die Ausweitung des E-Commerce-Moratoriums beitragen, das seit 1998 besteht. Industrieblöcke wie die EU und die USA setzen sich dafür ein. Die Verlängerung sollte "sicherlich ein wichtiges erreichbares Ziel der Ministerkonferenz sein", betont der EU-Botschafter bei der WTO, João Aguiar Machado. Doch die großen Entwicklungsländer Indien und Südafrika sperren sich. In der WTO müssen alle großen Fragen im Konsens entschieden werden. Einigen sich die WTO-Mitglieder nicht auf eine Neuauflage, läuft das Moratorium im März aus. "Regierungen könnten dann damit beginnen, einseitig Zölle auf elektronische Übertragungen wie Software, digitale Zahlungen oder Streamingdienste zu erheben – und damit die Zukunft der digitalen Wirtschaft gefährden", warnt die Internationale Handelskammer (ICC). Neben den Teuerungen und bürokratischen Schikanen droht dann auch eine Vertiefung des Grabens zwischen reichen und ärmeren WTO-Mitgliedern.

Einbettung in das Regelwerk

Indien und Südafrika mauern auch beim Thema Investitionen. Im vorigen Jahr hatten sich mehr als 100 WTO-Mitglieder auf ein Abkommen zur Erleichterung von Auslandsinvestitionen geeinigt. Nun wollen die Befürworter eine Einbettung des Abkommens in das WTO-Regelwerk festschreiben – dann könnten alle 164 Mitglieder profitieren.

Zudem werden die Delegierten über eine Erweiterung des bereits beschlossenen Abkommens über Fischerei, Agrarfragen und WTO-Reformen streiten. Die Mitglieder werden jedoch die Berufungsinstanz der WTO-Streitschlichtung nicht wieder flottmachen.

Alternatives Prozedere

Die Instanz musste 2019 ihre Arbeit einstellen. Der Grund: Die USA blockierten systematisch die Ernennung neuer Richter und die Vertragsverlängerung für Amtsinhaber, weil das Gremium nicht nach amerikanischen Vorstellungen arbeitete. Zwar schuf eine Gruppe von WTO-Mitgliedern unter Führung der EU ein alteratives Prozedere, dieses kann aber die originale Instanz nur bedingt ersetzen.

Die Streitschlichtung galt als das "Herzstück" der WTO und ist mit mehr als 620 Fällen das betriebsamste System der zwischenstaatlichen Streitbeilegung. Diplomaten hoffen, dass die Wiederbelebung bis Ende 2024 gelingen wird. Sollte die US-Regierung unter Präsident Joe Biden tatsächlich bis Dezember einem Neunanfang zustimmen, könnte der Erfolg von kurzer Dauer sein. Denn nach einem möglichen Wiedereinzug des erklärten WTO-Feindes Donald Trump ins Weiße Haus im Jänner 2025 dürften die USA die Gangart noch einmal verschärfen. WTO-Chefin Okonjo-Iweala betont trotzig: Die WTO bleibe relevant, "egal wer an die Macht kommt". (Jan Dirk Herbermann aus Genf, 26.2.2024)