Blumen vor der russischen Botschaft in Berlin.
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Moskau – Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny hätte im Rahmen eines Gefangenenaustauschs westlicher Staaten mit Russland freikommen sollen. Kreml-Chef Wladimir Putin sei ein entsprechendes Angebot gemacht worden, sagte die Nawalny-Unterstützerin Maria Pewtschich am Montag in Moskau. Im Gegenzug hätte der in Deutschland inhaftierte "Tiergarten-Mörder" Wadim Krasikow nach Russland zurückkehren sollen. Putin hatte jüngst Tauschbereitschaft für Krasikow angedeutet.

Neben Nawalny hätten auch zwei US-Bürger freikommen sollen, sagte die Unterstützerin des am 16. Februar in einem russischen Straflager verstorbenen Politikers weiter. "Nawalny wurde getötet, weil er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs befreit werden sollte", so Pewtschich.

Video: Nawalny sollte angeblich gegen "Tiergartenmörder" ausgetauscht werden.
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Putin hatte Spekulationen über einen Austausch Anfang Februar durch Aussagen in einem Interview mit dem US-Moderator Tucker Carlson angeheizt. Ohne ihn namentlich zu nennen, deutete Putin an, dass er sich die Freilassung von Krasikow wünscht. Zugleich zeigte er sich offen für die Freilassung des im Vorjahr in Russland inhaftierten US-Journalisten Evan Gershkovich vom "Wall Street Journal". Der deutsche Kanzler Olaf Scholz gab sich in einer ersten Reaktion zurückhaltend. "Ich glaube, dass solche delikaten Fragen sehr vertraulich an vielen Stellen erörtert werden müssen", sagte er am Rande eines Treffens mit US-Präsident Joe Biden am 9. Februar in Washington.

Mord in Berliner Tiergarten

Krasikow war im Dezember 2021 zu lebenslanger Haft für den Mord im Berliner Tiergarten an einem Georgier verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die russische Regierung hinter der Tat steckt. US-Angaben zufolge wollte das Putin-Regime den Mörder bereits im Zusammenhang mit der wegen Drogenvorwürfen festgenommenen amerikanischen Basketballerin Brittney Griner freipressen. Das kam aber für Washington nicht infrage, weil es sich bei Krasikow um einen Kapitalverbrecher handelt. Griner wurde schließlich im Dezember 2022 gegen den berüchtigten Waffenhändler Viktor Bout getauscht.

Laut der US-Zeitung "Politico" sagte Pewtschich, dass der Plan nach monatelanger Lobbyarbeit für einen Gefangenenaustausch, an dem Nawalny beteiligt war, im Frühjahr 2023 genehmigt wurde. "Nawalny sollte in wenigen Tagen frei sein, weil wir eine Entscheidung über seinen Austausch erreicht hatten", wird sie zitiert. Zudem habe laut der Unterstützerin Nawalnys der russische Milliardär und Oligarch Roman Abramowitsch bei der Vermittlung des Deals geholfen. Er sei ein "persönliches Bindeglied zwischen westlichen Beamten und Putin" gewesen, heißt es in dem Bericht. Pewtschichs Behauptungen konnten laut "Politico" nicht unabhängig überprüft werden.

Scholz: Nawalnys Tod ist "Konsequenz einer Diktatur"

Nawalny hatte einen engen Bezug zu Deutschland. Er war nach dem Giftanschlag russischer Geheimdienste auf ihn im August 2020 in die Berliner Charité gebracht und behandelt worden. Im Jänner 2021 entschloss er sich zur Rückkehr nach Russland, wo er umgehend inhaftiert und in mehreren politisch gesteuerten Verfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurde.

Eine Sprecherin der deutschen Bundesregierung lehnte eine Stellungnahme zu den Angaben von Pewtschich ab. Scholz machte am Montag Kreml-Chef Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich. "Auch ich gehe wie alle anderen davon aus, dass es das Regime war, das ihn getötet hat", sagte der sozialdemokratische Politiker bei der dpa-Chefredaktionskonferenz in Berlin. Russland sei eine Diktatur. "Sein Tod ist jetzt die Konsequenz einer Diktatur."

Beisetzung bis Freitag

Indes kündigte eine Unterstützerin Nawalnys an, dass der Kreml-Kritiker noch diese Woche beigesetzt werden soll. Man sei derzeit auf der Such nach einem Ort für ein öffentliches Begräbnis. Die Beisetzung solle bis zum Ende der Arbeitswoche stattfinden. Der Kreml bestritt indes, dass die Behörden die Angehörigen zu einem heimlichen Begräbnis hätten zwingen wollen.

"Natürlich kann der Kreml keinen Druck ausüben. Das sind weitere absurde Äußerungen der Anhänger (Nawalnys)", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Nawalnys Mutter hat am Wochenende den Leichnam ihres Sohnes erhalten, nachdem sie zuvor Kreml-Chef Wladimir Putin zu dessen Herausgabe aufgefordert und öffentlich Druck vonseiten der Ermittler beklagt hatte. Diese hätten sie dazu drängen wollen, ihren Sohn heimlich zu beerdigen, sagte sie.

Mehr als eine Woche lang hielten die Behörden die Leiche unter Verschluss. Immer noch ist unklar, wo und wie die Bestattung stattfinden soll. Mutter Ljudmila Nawalnaja forderte eine öffentliche Beerdigung, damit sich nicht nur Familienangehörige, sondern auch Anhänger vom russischen Oppositionsführer verabschieden können. Eine Aufforderung der Ermittler, einer heimlichen Beerdigung zuzustimmen, hatte Nawalnaja abgelehnt und den Behörden öffentlich Erpressung vorgeworfen. (APA, red, 26.2.2024)