Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz war am Montag Gast in der
Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz war am Montag Gast in der "ZiB 2" bei Armin Wolf.
Screenshot ORF

In drei Tagen wurden fünf Frauen und ein Mädchen ermordet. Die Regierungspartei hält den Gewaltschutz für ausreichend. In politischen Diskussionssendungen gäbe es dazu Redebedarf ohne Ende. Aber ja, Sebastian Kurz wurde verurteilt und stand für Interviews bereit, also musste es sein.

Das Urteil empfindet er als "unfair", der Prozess gegen ihn habe eine "politische Komponente", so lautet die Message von Kurz nach dem vorläufigen Schuldspruch. Den Opfermythos dreht der Ex-Kanzler in Interviews weiter.

"Nachher ist man immer gescheiter im Leben", sagte Kurz im Interview in der Sendung "Heiß umfehdet" auf Puls 24 und Joyn. Falls er noch einmal in einen Untersuchungsausschuss geladen werde, werde er sich "besser vorbereiten". In welche Richtung die bessere Vorbereitung gehen würde, sagt Kurz im Gespräch mit Corinna Milborn klar: "Was glauben Sie denn, wie sich Auskunftspersonen in Zukunft verhalten werden? Er habe nicht den Eindruck, dass sie bei den Untersuchungsausschüssen "in Zukunft in Scharen hinströmen. Viele werden Ausreden finden und nicht hingehen. Ganz viele werden sich entschlagen. Ob das im Sinne des Erfinders ist, wage ich zu bezweifeln." Zumindest für sich hofft Kurz, dass sich das Urteil in zweiter Instanz änderte. Es gebe das Bemühen, so sagt Kurz einmal mehr, "etwas gegen mich zu finden".

"Nachher ist man immer gescheiter"

"Nachher ist man immer gescheiter" mag sich auch Armin Wolf gesagt haben, als er kurze Zeit später Kurz als Gast begrüßte. Die Stehsätze wollte der Anchor so nicht mehr gelten lassen (danke dafür), was zu einem skurrilen Schlagabtausch über das U-Ausschuss-Protokoll führte.

Das Narrativ, er habe zu wenig detailliert über seine Einbindung bei der Besetzung der Öbag-Aufsichtsräte Auskunft gegeben, widerlegte Wolf mit Zitaten aus dem U-Ausschuss-Protokoll. Der anschließende Wortwechsel wird vielleicht in die "ZiB 2"-Geschichte eingehen:

Kurz: "Das ist völlig falsch, das ist völlig falsch. Entschuldigung."

Wolf: "Das lese ich Ihnen vom Protokoll vor."

Kurz: "Nein, das ist falsch zusammenkopiert."

Wolf: "Jetzt, Entschuldigung, das ist das Protokoll von der Parlamentshomepage, das habe ich vor zwei Stunden heruntergeladen."

Kurz: "Ich kann es Ihnen vorlesen, das ist eine andere Frage gewesen, es ist eine, ich lese es Ihnen vor, tausendprozentig, Herr Wolf, wetten wir, wetten wir, dass es falsch ist."

Wolf: "Ich weiß nicht, was Sie jetzt vorlesen. Das ist Ihre Aussage im U-Ausschuss."

Kurz: "Na wetten wir, dass es falsch ist."

Wolf: "Da können Sie gerne mit mir wetten, das ist auf der Parlamentshomepage."

Kurz: "Ich kann es Ihnen vorlesen. Die Abgeordnete Krisper hat mich gefragt, und Sie haben es völlig richtig vorgelesen, den Beginn: 'Haben Sie allgemeine Wahrnehmungen zur Frage, wie der Aufsichtsrat besetzt wurde? Waren Sie selbst eingebunden?' Diese Frage beantwortete ich mit 'Ja'. Der Richter hat anerkannt ...

Wolf: "Und wie geht es weiter?"

Kurz: "Dann geht es weiter, dass ich eine allgemeine Antwort gebe, nämlich ..."

Wolf: "Das habe ich doch gerade vorgelesen, genau das habe ich vorgelesen."

Kurz: "Nein, Sie haben was anderes vorgelesen."

Wolf: "Nein, habe ich nicht."

Und so weiter.

Weitere Wahrnehmungsunterschiede ergaben sich in dem Gespräch in Bezug auf den Zeugen Thomas Schmid. Kurz lässt an seinem ehemaligen Kumpel mittlerweile ja kein gutes Haar mehr, so auch in der "ZiB 2": "Also wenn man dem Thomas Schmid alles glaubt, was er von sich gibt, dann halte ich das persönlich für sehr problematisch." Kurz spielte auf eine Passage in einem von Schmid verfassten Lebenslauf an, wo dieser angegeben hatte, er habe 2017 Geiseln im Jemen befreit. Das habe er ja nicht im Prozess gesagt, räumt Wolf ein. Und zum Thema Glaubwürdigkeit: Schließlich habe auch er, Kurz, einmal bei einem Interview von sich behauptet, er habe Unis "im Ausland absolviert".

Kurz: "Besucht, okay."

Wolf: "Sie haben absolviert gesagt."

Kurz: "Dann tut es mir leid, gratuliere Ihnen zur Recherche."

Eine Rückkehr in die Politik schließt Kurz zum Schluss ein weiteres Mal aus. Er habe auch nicht vor, bei späteren Wahlen anzutreten. "Aber", und da ging es schon darum, wer das letzte Wort hat: "Herr Wolf, ich werde mich verteidigen, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas nicht ganz gerecht ist, und ich gestehe Ihnen Ihre Meinung zu. Ich kann Ihnen nur sagen, ich habe kein Verfahren bisher in Österreich erlebt, wo mit derartigem Aufwand versucht wird, wegen semantischer Fragen und der Frage von der richtigen Wortwahl jemandem eine achtmonatige Freiheitsstrafe angedeihen zu lassen."

Dass es bei einem Verfahren um falsche Zeugenaussagen um semantische Fragen gehe, sei relativ logisch, wandte Wolf ein. Kurz: Es gehe um die Wortwahl, er glaube, es gehe "oft nicht um Schattierungen und Zwischentöne". Auch darüber kann man anderer Meinung sein. Im Beitrag danach ging es um Femizide. Und jetzt bitte die Expertinnen in die "ZiB2" zum Interview. (Doris Priesching, 27.2.2024)

ZIB 2: Ex-Kanzler Kurz nach Urteil in der ZIB 2
Die Verurteilung (nicht rechtskräftig) empfinde er als ?sehr ungerecht?, sagte Kurz nach dem Urteil am Freitag. Der ehemalige Kanzler, Ex-ÖVP-Chef und jetzige Unternehmer Sebastian Kurz ist zu Gast im Studio der ZIB2.
ORF