Emmanuel Macron gab am Montag eine Pressekonferenz.
Emmanuel Macron gab am Montag eine Pressekonferenz.
IMAGO/Lemouton Stephane/Pool/ABA

Seit dem Angriff der russischen Truppen auf die Ukraine vor zwei Jahren gab es aufseiten der westlichen Alliierten – in der EU wie auch in der Nato – zwei entscheidende Formeln, wie sie sich verhalten wollten und sollten. Die eine lautete: Wir sind nicht Kriegspartei. Der Aggressor, der alle völkerrechtlichen Regeln bricht, heißt Wladimir Putin. Der Herr im Kreml ist der Kriegstreiber, die Ukraine Opfer eines völkerrechtswidrigen Angriffs, wie die UN-Generalversammlung festhielt.

Die andere Formel bezog sich darauf, was "der Westen" für die Ukraine tun könne, durch die UN-Charta gedeckt. Sie lautete: Es gibt umfangreiche Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Nato-Staaten wie die EU und ihre Mitglieder liefern der Regierung in Kiew neben großzügiger Finanzhilfe Waffen und Munition – auch Panzer und Kampfjets. "Alles, was nötig ist, so lange wie notwendig" sollte getan werden, damit sich das Land gegen die Angriffe selbst verteidigen kann.

Aber: keine Bodentruppen! Von Präsidenten wie Joe Biden und Emmanuel Macron über Premierminister und Minister abwärts wurden diese Prinzipien stets betont. Die Wörter Kriegspartei und "boots on the ground" – eigene Soldaten auf ukrainischem Gebiet – waren tabu.

Russische Niederlage "unerlässlich"

Bis Montagabend. Da brach Frankreichs Oberbefehlshaber Macron dieses Tabu. Im Anschluss an das Treffen von zwei Dutzend Staatsvertretern in Paris erklärte er als Gastgeber, dass der Einsatz von Bodentruppen "nicht ausgeschlossen" sei. Er wolle das nicht. Aber in einem Krieg sei nichts auszuschließen. Die Bemerkung kam fast nebenbei. Macron hatte eigentlich darüber informiert, dass er und seine Gäste sich darin einig waren, die Militärhilfen rasch und beträchtlich zu erhöhen. Von Drittstaaten sollen hunderttausende Artilleriegranaten angekauft werden. Einzelne Staaten wollten weitreichende Abwehrraketen liefern. Und so fort.

Begründung: Eine Niederlage Putins sei "unerlässlich". Ob es je zu dieser Niederlage kommt, obwohl die Europäer stets zu wenig und zu spät lieferten, sei dahingestellt. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz erklärte im Widerspruch zu Macron, sein Land werde Marschflugkörper Taurus eben nicht liefern. Überhaupt war es seltsam, dass Macron an der EU vorbei ein solches Sondertreffen organisierte. Er will Führung zeigen. Die USA schickten nur einen Vertreter von Außenminister Antony Blinken. Das alles zeigt, dass die Einigkeit alles andere als überzeugend ist. Ein Kriegseintritt von EU und Nato in der Ukraine? Unwahrscheinlich.

Dennoch ist Macrons Sager nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Geschickt war das nicht. Die USA denken im Wahljahr nicht daran, für die Ukraine in den Krieg zu ziehen. Biden hat schon Probleme, das jüngste Hilfspaket durch den Kongress zu bringen. In Europa gibt es Kritik von engen Partnerstaaten, voran aus Deutschland, wo sofort eine Angstdebatte über einen drohenden "dritten Weltkrieg" losging.

Was wollte Macron erreichen? Er will in Europa neben der Militärmacht Großbritannien Stärke zeigen. Und seine Aussagen zu Bodentruppen waren weniger an die Partner als an Putin direkt gerichtet, eine Doppelbotschaft der ultimativen Gegendrohung in der Art: "Du kannst und wirst diesen Krieg nicht gewinnen. Wir sollten vielleicht über Kriegsabbruch und Frieden reden." (Thomas Mayer, 27.2.2024)