Wald im Taunus, Fichten stehen im Wald am Großen Feldberg im Taunus, Luftaufnahme mit einer Drohne, Schmitten Hessen Deutschland
Das EU-Renaturierungsgesetz gilt als wichtiger Pfeiler des Green Deal. Durch rechtsverbindliche Ziele sollen die EU-Staaten natürliche Landschaften wiederherstellen und diese so wieder funktionsfähiger und resilienter machen.
IMAGO/Jan Eifert

Agrarflächen, die ob ihrer Monokultur die Artenvielfalt bedrohen, ausgetrocknete Moore, die dysfunktional werden und CO2 freisetzen, statt es zu binden: Nur zwei Beispiele für die insgesamt rund 80 Prozent der natürlichen Lebensräume in Europa, die sich in schlechtem Zustand befinden oder gar als zerstört gelten. Abhilfe schaffen soll eines der umstrittensten EU-Gesetze der jüngeren Vergangenheit: die EU-Renaturierungsverordnung. 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete sollen bis 2030 wiederhergestellt werden, bis 2050 liegt der Zielwert bei 90 Prozent der betroffenen Flächen.

Lange wurde darüber verhandelt, zahlreiche Bauernproteste und Gegenkampagnen der Europäischen Volkspartei (EVP) später hat das Naturschutzgesetz nun ausreichend Zustimmung erlangt. In der Abstimmung im Europaparlament am Dienstag stimmte die nötige Mehrheit der Abgeordneten der Verordnung zu. Nun muss der wichtige Pfeiler des Green Deal nur noch eine letzte Hürde nehmen – die Abstimmung im EU-Ministerrat gilt aber als Formsache. Dabei war das Naturschutzvorhaben im Sommer vergangenen Jahres kurz vor dem Kollaps gewesen.

Mehrfach am Rande des Kollapses

Denn der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur waren zähe Verhandlungen und kampagnengesteuerte Debatten durch die Europäische Volkspartei (EVP) vorausgegangen. Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag vom Juni 2022 musste mehrfach überarbeitet werden – und scheiterte fast am vehementen Widerstand der Konservativen um EVP-Vorsitzenden Manfred Weber. Im Sommer vergangenen Jahres wurde das endgültige Einstampfen des Vorhabens mit 336 gegen 300 Stimmen denkbar knapp verhindert.

Im anschließenden Trilog zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission konnten die Differenzen weitestgehend ausgeräumt werden, eine Einigung im Parlament war aber dennoch nicht sicher. Erst Ende Jänner etwa stellte Alexander Bernhuber, ÖVP-Abgeordneter im Europaparlament, klar: "Ein Ja wird es bei diesem Gesetzesvorschlag nicht mehr geben." Und auch die Bauernproteste in Deutschland, Frankreich und Brüssel ließen im Vorfeld nichts Gutes ahnen.

Entwurf in Teilen verwässert

Übriggeblieben vom ursprünglich strengen Kommissionsvorschlag sind die meisten der zentralen Punkte, wenn auch in deutlich abgeschwächter Form. "In Summe ist es aber ein guter Kompromiss", resümiert Josef Settele, Ökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Für etwas Bauchweh sorgt aber Artikel 9 der Verordnung, in dem es um die Agrarökosysteme geht. Dort bewirkten Kritiker des Naturschutzgesetzes die Möglichkeit einer einjährigen Aufschiebung, sollten Ertragsverluste eintreten. Generell konnten sie einige Ausnahmen von den Vorschriften sichern, etwa auch bei Projekten zu Energie aus Erneuerbaren oder aus Gründen der nationalen Verteidigung.

Ähnlich wie Settele argumentiert auch Greenpeace in einer ersten Stellungnahme. Das Renaturierungsgesetz sei "ein dringend benötigtes Erste-Hilfe-Paket" für die Natur, ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung", auch wenn es stark verwässert worden sei. Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace Österreich, mahnt daher: "Um das Artensterben tatsächlich aufzuhalten, braucht es noch stärkere Ambitionen."

Erfreut zeigt sich auch Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei. „Die Abstimmung ist ein Erfolg für den Erhalt der Biodiversität und für den Klimaschutz in der EU, für die Landwirtinnen und Landwirte und für unsere Lebensmittelsicherheit."

FPÖ fürchtet um Landwirtschaft

Vor allem letzterer Aspekt des Vorhabens war zuvor auf erheblichen Widerstand aus der Landwirtschaft gestoßen. Ein Horn, in das auch die FPÖ einmal mehr bläst: "Hinter diesem netten Titel verbirgt sich ein schwerer Anschlag auf unsere Landwirte. Mit ihrem Green Deal, dessen Teil das Renaturierungsgesetz ist, wird die EU immer mehr zu einer ernsten Bedrohung für die europäische Agrarproduktion", ließ der freiheitliche EU-Abgeordnete Roman Haider per Aussendung seinem Unmut freien Lauf.

Anders sieht das Helmholtz-Ökologe Settele. Irgendwann wäre man ohnehin gezwungen gewesen, die Wiederherstellung der Natur anzugehen. "Je länger ich das hinauszögere, umso stärker werden die Eingriffe sein müssen", sagte er im Vorfeld der Abstimmung.

Nach dem Parlamentsplenum muss das Naturschutzvorhaben nun noch den Rat der EU-Minister passieren. Das gilt üblicherweise aber nur noch als formeller Akt. (Nicolas Dworak, 27.2.2024)