Apple Car
2021 tauchten erste Konzeptzeichnungen auf, die von diversen Enthusiasten oder der Leasingfirma Vanarama aufgrund von neuen Apple-Patenten angefertigt wurden.
Vanarama

"The Next Big Thing" hätte es werden sollen. Eine große Revolution wie damals das iPhone. Die Neuerfindung des Autos: das Apple Car. Dabei ging es in den rund zehn Jahren der Gerüchte und Diskussionen selten um den möglichen Antrieb, wobei ein Elektromotor praktisch alternativlos war, sondern viel mehr um die Einbindung von künstlicher Intelligenz und das Ziel des autonomen Fahrens – sogar um "völlige Autonomie", wie zahlreiche Insider wissen wollten.

Nach diesen Jahren der Gerüchte, dem Abwerben von Managern großer Autokonzerne und ersten Preisdiskussionen wurde am Dienstag via Bloomberg bekannt, dass es kein Apple Car geben wird. 2.000 Mitarbeiter werden intern umgeschlichtet, die meisten werden in die Abteilung von KI-Chef John Giannandrea wandern und dort an generativer KI arbeiten. Statt dem Menschen das Fahren abzunehmen, sollen sie künftig also dafür sorgen, dass Apple bei traditionellen Produkten wie dem iPhone nicht den Anschluss an Konkurrenten wie Google oder Samsung verliert, die derzeit immer mehr neue KI-Funktionen in ihre Smartphones integrieren.

Bleibt nun die Frage offen, woran das Apple Car letztlich gescheitert ist und wie der Konzern aus Cupertino das gewonnene Wissen doch noch gewinnbringend einsetzen kann.

Völlige Autonomie

Seit 2010 soll man bei Apple die Idee eines eigenen Autos verfolgt haben. Mit dem Arbeitstitel "Project Titan" arbeitete man offiziell allerdings immer nur an Software für autonomes Fahren, und auch das wurde nur deshalb bekannt, weil man für entsprechende Testfahrten bei den US-Behörden ansuchen muss. Zusätzlich fanden Journalisten im Juni 2023 eine geheime Teststrecke in der Wüste von Arizona, wo Autos anderer Hersteller mit der unbekannten Apple-Software ihre Runden drehten.

Aufgrund fehlender Statements oder Keynotes zum Thema Apple Car brodelte über Jahre die Gerüchteküche immer wieder hoch. Vor allem das Anwerben von Fachkräften aus dem Autoumfeld wurde immer heiß diskutiert, beispielsweise wenn Ingenieure von Tesla und Porsche bei Apple anheuerten. Einer der größten Rückschläge in dieser Zeit war der Abgang der Designer-Legende Jony Ive, der ebenfalls am Apple Car mitgearbeitet haben soll. Dafür rekrutierte man etwa den Österreicher Julian Hönig, der davor bei Audi als Designer arbeitete. Ins Leere liefen offenbar auch Gespräche mit etablierten Autoherstellern, etwa mit der Hyundai-Tochter Kia, mit Nissan oder Mercedes. Fatal, wie sich später herausstellen sollte.

"Hi, Siri!"

Obwohl Tim Cook 2014 laut Insidern dem Projekt erstmals grünes Licht gab, konnte der CEO nie vor die Presse oder die Investoren treten, um einen erfolgreichen Meilenstein zu präsentieren. So wurden in einem Bloomberg-Report 2021 eben von Apple angemeldete Patente analysiert. Diese zeigten beispielsweise das Fehlen eines Lenkrads, drehbare Stühle und ein enormes Display. Natürlich war auch die Implementierung eines Sprachassistenten geplant, hieß es damals.

Die Fantasie der treuen Apple-Community war ohnehin angefacht, und so fanden sich immer wieder ambitionierte Designer, die beispielsweise auch eine mögliche Benutzeroberfläche eines möglichen Apple Cars veröffentlichten.

Apple Car
Kein Lenkrad und drehbare Stühle. Rund zehn Jahre mussten sich Interessierte das potenzielle Auto von Apple selbst vorstellen.
Vanarama
Apple Autos UI Concept
2021 entschied sich der Designer John Calkins ein mögliches Apple Car Cockpit inklusive Benutzeroberfläche zu entwerfen.
John Calkins

Level 3

Rund 2.000 Leute sollen zuletzt am Project Titan gearbeitet haben. Allein 200 Testfahrer sollen dafür aktiv gewesen sein, berichtete etwa "macReports" im Vorjahr. Aber das Ziel, das erste selbstfahrende Auto zu schaffen, schien nie in greifbare Nähe gerückt zu sein. Dazu kamen Schlagzeilen des Mitbewerbs und dessen Probleme mit "Full Self Driving"-Systemen. Solche Schlagzeilen wollte Apple offenbar nicht produzieren, und so präsentierte man lieber gar nichts.

So vergingen die Jahre, und die Gesichter der Verantwortlichen wurden öfter ausgetauscht als in jedem anderen Bereich des Konzerns. Der große Sprung nach vorn schien nicht zu gelingen, und so dachte man über Alternativen nach. Aus den großen Ambitionen wurden kleinere Brötchen, und plötzlich stand im Raum, einfach eine eher konventionelle Software mit einem starken Infotainment bereitzustellen. Zumindest teilautonomes Fahren auf Level 3 stand noch auf der To-do-Liste, so Insider. Dieses wird aktuell etwa bei der Mercedes S-Klasse schon eingesetzt und erlaubt laut Autoclub, dass sich der "Fahrer vorübergehend von Fahraufgabe und Verkehr abwendet".

Apple Carplay
Mit dem nächsten Update soll Carplay unter anderem mehrere Displays unterstützen.
Apple

Ende mit Schrecken

"Die Entwicklung des Apple Car scheint im Moment völlig aus dem Blickfeld geraten zu sein", postete der verlässliche Apple-Insider Ming-Chi Kuo im September 2023. "Wenn Apple keine Akquisitionsstrategie verfolgt, um in den Automobilmarkt einzusteigen, bezweifle ich, dass das Apple Car in den nächsten Jahren in die Massenproduktion gehen kann."

Er sollte recht behalten. Am Ende waren es mehrere Faktoren, die Apple dazu gebracht haben, die Arbeiten einzustellen. Eine nennt der Branchen-Forscher Venkaresh Prasad gegenüber "Wired". Jede Ambition in diesem Gebiet sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt, wenn man versuche, allein das Feld erobern zu wollen. Man brauche "Kooperationen", denn ein Auto zu designen und zu bauen, sei sehr komplex. Es habe Gründe, warum sich Autobauer tausende Beziehungen zu den unterschiedlichsten Zulieferern aufbauen würden.

In Kombination mit dem enormen personellen Verschleiß und den wenigen Ergebnissen war wohl auch die Konzernspitze nach über zehn Jahren dem Thema gegenüber ausgebrannt. Somit blieben nach dieser langen Zeit der Qual eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder man entscheidet sich dafür, weiter viel Geld und Zeit zu investieren, um das Produkt doch noch auf den Markt zu werfen, wenn auch mit weniger eindrucksvollen Features, oder man lässt es ganz. Offenbar waren interne Diskussionen und der zusätzliche Druck von Investorenseite am Ende zu stark, vor allem auf Konzernchef Tim Cook, um möglicherweise noch viele weitere Jahre in ein Produkt zu stecken, dessen Erfolg nicht prognostizierbar war.

Schwierig, wenn man bei einem Auto nicht von einer Rendite von 30 Prozent kalkulieren kann, wie das bei iPhones der Fall ist. Finanziell könnte Apple das Risiko vielleicht sogar eingehen, nicht gleich vom Start weg erfolgreich zu sein, aber das Erfolgsimage mit einer möglichen und sehr teuren Bauchlandung aufzugeben? Das schien im Konzern offenbar zu vielen Menschen Sorgenfalten auf die Stirn gezeichnet zu haben.

Die E-Auto-Branche tangiert diese Absage von Apple wohl kaum. "Manche Autohersteller könnten sogar erleichtert sein", sagte Analyst Mike Ramsey Bloomberg in einer ersten Reaktion. Ein Mitbewerber in dieser unsicheren Branche, der noch dazu 61 Milliarden Dollar an Geldreserven zur Verfügung habe, hätte wohl für viel Unruhe sorgen können.

Carplay Apple
Carplay erfüllt jetzt schon viele Aufgaben einer intelligenten Autosoftware und soll in diesem Jahr ein großes Update erhalten.
Apple

Aus Fehlern lernen

Viel spannender nach dieser Absage von Apple an ihr eigenes Auto ist die Frage, ob sich der US-Konzern mit seinem gesammelten Wissen als Softwarelieferant verstärkt an Autohersteller wenden will, etwa in Form einer verbesserten Implementierung von Carplay bei ausgewählten Partnern. In diesem Jahr soll das Software-Update nämlich eine Vielzahl an neuen Features bieten, etwa Kameraintegration, die Unterstützung mehrerer Bildschirme und das Erfassen von relevanten Fahrdaten. Firmen wie BMW, Audi, Ford oder Honda haben bereits unterschrieben, diese verbesserte Implementierung ernst nehmen zu wollen, einzig beim Einsammeln der Fahrdaten ist man zum Teil noch uneins.

Alternativ dazu oder aber viel eher ergänzend steckt man die eigenen KI-Ambitionen in bekannte Hardware wie das iPhone oder die neue Mixed-Reality-Brille Vision Pro. Letztere war mit ihrem für Apple-Verhältnisse verhaltenen Erfolg zuletzt vielleicht auch ein Warnschuss an den iPhone-Konzern, dass Fehltritte teuer sein können und auch der teuerste Konzern der Welt keinesfalls gegen solche Fehltritten immun ist.

Dem Aktienkurs von Apple hat die Absage übrigens nicht geschadet. Analysten gehen sogar davon aus, dass die Investoren ganz glücklich darüber sind, dass sich der Konzern jetzt wieder auf seine Kernbereiche fokussieren kann. Erfolgreiche Autosoftware herzustellen beispielsweise. (Alexander Amon, 29.2.2024)