Ein Bild eines Mondkraters. Mit Linien ist eingezeichnet, wie ein Netz eingezogen werden könnte, um daraus einen Parabolspiegel für ein Radioteleskop zu machen
So stellt sich die Nasa das Lunar Crater Radio Telescope vor.
Saptarshi Bandyopadhyay

Die Geschichte der Astronomie lässt sich als Erzählung eines Exodus lesen. Professionelle Sternbeobachtung wurde meist von Gelehrten in den Städten durchgeführt, in denen sie lebten. Im 17. Jahrhundert baute man zu diesem Zweck in Kopenhagen noch einen riesigen Turm, im 18. Jahrhundert besaß auch die Alte Universität in Wien eine Sternwarte.

Seither wanderte man mit Bauplätzen für Teleskope auf der Suche nach möglichst guten Sichtbedingungen immer weiter in abgelegene Gegenden. Heute sind es die Gipfel entlegener Berge wie des Cerro Armazones in der chilenischen Atacama-Wüste oder des erloschenen hawaiianischen Vulkans Mauna Kea, die gerade noch gut genug für zeitgemäße Astronomie sind.

Völlig ungetrübt ist der Blick zu den Sternen nur im Weltraum. Das Hubble-Weltraumteleskop sorgte, nach Korrektur seiner Fehlsichtigkeit, für eine Revolution in der Astronomie. Ähnliches leistet gerade das James-Webb-Weltraumteleskop, das nur das wichtigste und bekannteste von zahlreichen Weltraumteleskopen ist. Die Größe von Teleskopen, die als Satelliten konzipiert sind, ist allerdings limitiert, und hier kommt der Mond ins Spiel.

Krater auf der abgewandten Seite

Teleskope auf dem Mond sind keine neue Idee. Die Konzepte reichen von Infrarotteleskopen an den Polen bis hin zu Radioteleskopen auf der Rückseite des Monds. Die Leistung solcher Teleskope könnte auch jene des James-Webb-Weltraumteleskops in den Schatten stellen. Doch ausgerechnet die zahlreichen geplanten Forschungsmissionen auf dem Mond könnten zum Problem werden.

Das vielleicht spektakulärste Konzept will einen Krater auf der von der Erde abgewandten Seite des Monds zu einem riesigen Radioteleskop machen. Der Vorschlag sieht vor, ein Drahtgeflecht mit einem Durchmesser von einem Kilometer mit Robotern in einem Mondkrater mit einem Durchmesser von drei bis fünf Kilometern zu installieren, um einen halbkugelförmigen Reflektor zu bilden. Es wäre damit das größte Teleskop des Sonnensystems, das nicht aus verteilten Einzeldetektoren besteht. Neuere Konzepte sprechen von einem Reflektor von 350 Meter statt einem Kilometer Durchmesser.

Auch Infrarotteleskope sollen die besonderen Bedingungen auf der Rückseite des Monds für sich nutzen. Die Entwürfe sehen einen Spiegeldurchmesser von 13 Metern vor. Das wirkt im Vergleich zu den Plänen für Radioteleskope klein, ist aber vom Durchmesser her etwa doppelt so groß wie das James-Webb-Weltraumteleskop. Infrarotteleskope sind auf kalte Bedingungen angewiesen. Webb hat dafür mehrere Sonnensegel. Ein Mondteleskop hätte in der halbmonatigen Mondnacht deutlich bessere Bedingungen.

Lärm auf dem Mond

Doch die Vorzüge des Monds, die ihn zu einem aussichtsreichen Standort für astronomische Beobachtungen machen, sind gefährdet. Die Flut an Mondlandungen in den vergangenen Monaten ist nur der Beginn, viele weitere Missionen sind geplant. Das ist eine konkrete Gefahr für ein Experiment, das 2026 den Mond erreichen soll. Das Lunar Surface Electromagnetic Experiment, kurz LuSee, soll Radiowellen aus der Frühzeit des Universums registrieren. Auf der Erde sind diese Radiowellen nicht messbar.

Doch auch auf dem Mond könnte die Mission auf Probleme stoßen. Nicht nur die geplanten Mondmissionen, auch ein geplantes Satellitennavigationssystem für den Mond, vergleichbar mit dem irdischen GPS, könnte für genügend Störgeräusche sorgen, um die Mission zu verhindern. Das Team von LuSee wirbt für einfache Mindeststandards für andere Mondmissionen, was das Aussenden von Radiowellen angeht.

Der Mond, wie er abends über Bali aufgeht. Er könnte in Zukunft verschiedene Teleskope beherbergen.
AFP/DAVID GANNON

Vor- und Nachteile

Nun spielt eine neue Studie, die zur Publikation im Fachjournal "Philosophical Transactions of the Royal Society A" akzeptiert wurde, verschiedenste Möglichkeiten für Mondteleskope durch. Die Forschenden Jean Schneider, Pierre Kervella und Antoine Labeyrie finden Vorteile für Mondteleskope an der erdabgewandten, aber auch an der erdzugewandten Seite des Monds. Auch die Pole hätten gewisse Vorzüge. Die Frage des richtigen Standorts hänge von der jeweiligen wissenschaftlichen Aufgabe ab.

Auch einige Nachteile identifizieren die Forscher. Trotz der fehlenden Winde kann es zu Problemen durch Staub kommen. Aufgrund der fehlenden Atmosphäre seien Meteoriten gefährlicher als auf der Erde, und auch die Gefahr durch Mondbeben sei nicht zu unterschätzen.

Sie plädieren für einen kleinen Prototyp mit einem Spiegeldurchmesser zwischen 30 Zentimetern und einem Meter. Ein solches Gerät könnte nicht nur die Machbarkeit demonstrieren, sondern auch bereits wertvolle wissenschaftliche Arbeit leisten.

Radioantenne auf dem Mond

Tatsächlich erreichten erst kürzlich zwei astronomische Instrumente die Mondoberfläche. Die private Mondlandefähre Odysseus hatte einerseits ein Kleinteleskop namens Ilo-X mit an Bord. Es handelte sich um einen Vorläufer eines größeren Projekts namens International Lunar Observatory, kurz Ilo. Es enthält zwei kleine Bilddetektoren mit etwas mehr als einem halben Kilogramm Gewicht. Das Umkippen von Odysseus verhinderte aber einen erfolgreichen Abschluss der Mission.

Die Zukunft von Ilo steht also in den Sternen. Ein Großteleskop wird Ilo nicht, der Spiegel soll gerade einmal sieben Zentimeter Durchmesser haben. (Reinhard Kleindl, 17.3.2024)