Blick auf eine Verdichterstation für Erdgas
Neue und bessere Verdichterstationen sind notwendig, wenn Gas aus nichtrussischen Quellen über alternative Routen nach Österreich gebracht werden soll.
IMAGO/Rupert Oberhäuser

Europa wird sich darauf einstellen müssen, noch längere Zeit mit höheren Energiepreisen zu leben als in der Vergangenheit gewohnt. Das ist dem Umstand geschuldet, dass der Umbau des Systems von fossil auf erneuerbar teuer ist und das als Brückentechnologie deklarierte Erdgas für Unsicherheit sorgt, seitdem Russland den Energieträger als Waffe einsetzt. Die gute Nachricht: Die Abkehr von russischem Gas, wie sie die Europäische Union bis Ende 2027 anstrebt, ist laut Simulationen der Regulierungsbehörde E-Control auch in Österreich möglich, wiewohl sich das auch in den Preisen auswirken dürfte.

Preissprünge, wie man sie nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine vor zwei Jahren gesehen hat, seien jedoch nicht mehr zu befürchten; das Preisniveau könnte allenfalls moderat steigen, zumal in der Zwischenzeit viele Vorkehrungen getroffen worden seien, Schocks durch einen plötzlichen Ausfall von russischen Gasmengen zu kompensieren. Die Speicher sind europaweit trotz fortgeschrittener Heizsaison überdurchschnittlich gefüllt – jene in Österreich beispielsweise noch zu mehr als 78 Prozent. Allerdings ist Österreich auch jenes Land in der EU, das gemeinsam mit der Slowakei und Ungarn noch am intensivsten am russischen Gastropf hängt und im Dezember mit 98 Prozent anteilsmäßig so viel Pipelinegas aus Russland bezogen hat wie in keinem Monat zuvor.

Diversifizierungsverpflichtung

Das soll sich bekanntlich ändern, Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) will mit einer Gasdiversifizierungsverpflichtung die einschlägigen Unternehmen zwingen, Gas Schritt für Schritt aus Regionen außerhalb Russlands zu beziehen. Gleichzeitig soll geprüft werden, ob und wie die OMV als Hauptimporteur von russischem Gas, ausgestattet mit noch bis 2040 laufenden Verträgen, aus ebendiesen aussteigen kann. Betroffen sind nach Auskunft der E-Control etwa 60 Händler, die Gas nach Österreich bringen und verkaufen.

Gas jedenfalls sei in Europa mittlerweile genügend vorhanden, nicht zuletzt dank stark zugenommener Lieferungen von verflüssigtem Erdgas (LNG) aus den USA. Die in Österreich tätigen Gashandelsunternehmen könnten freie Kapazitäten in diversen Regasifizierungsanlagen an den Küsten der Nord- und Ostsee beziehungsweise in Italien nutzen und durch Pipelines nach Österreich lotsen. Die Auslastung der LNG-Terminals in Belgien lag nach Angaben von E-Control-Vorstand Alfons Haber zuletzt bei 60 bis 70 Prozent, jene in Deutschland bei weniger als 50 Prozent und in Italien bei rund 65 Prozent.

Drei Alternativrouten

Die beste, weil günstigste Route sei jene über Deutschland mit dem Übergabepunkt in Oberkappl in Oberösterreich. Nachteil: Die Kapazität der Leitung ist vergleichsweise klein, weshalb auch ein Ausbau der West-Austria-Gaspipeline – Stichwort WAG-Loop – dringend geboten sei, wie auch eine Ertüchtigung der Gasleitungen samt Verdichterstationen auf deutschem Boden. Eine zweite Route, um LNG nach der Regasifizierung nach Österreich zubringen, führe übe Deutschland, Tschechien und die Slowakei nach Baumgarten in Niederösterreich, wo auch die Transgas-Pipeline, die immer noch russisches Gas durch die Ukraine nach Österreich bringt, endet. Wegen der vielen Grenzübergabepunkte ist dieser Weg teurer. Eine dritte Route führt aus Italien nach Österreich. Die Trans-Austria-Gasleitung (TAG) ist wie die West-Austria-Gasleitung mittlerweile in beiden Richtungen mit Gas befüllbar. Wie in Deutschland müssten aber auch im vorgelagerten Netz in Italien noch Investitionen getätigt werden, um substanzielle Mengen durchleiten zu können.

Ärgernis Speicherumlage

Ein großes Hindernis und Ärgernis stellt nach Ansicht der E-Control die Speicherumlage dar, die in Deutschland eingehoben wird und von Italien ab April nachgemacht werden soll. Das verteuert Gas, das durch beide Länder nach Österreich geleitet werden soll, beträchtlich. E-Control-Vorstand Haber hofft, dass sich die EU-Kommission dieses Themas annimmt und bald eine Entscheidung trifft. Für Haber ist die Abgabe nicht rechtmäßig.

Deutlich entspannter ist die Lage gemäß jüngster Simulation der Regulierungsbehörde am Strommarkt. Angebot und Nachfrage stünden in einem guten Verhältnis, auch mit Blick auf das Jahr 2030, wenn laut Regierungsziel 100 Prozent des im Inland verbrauchten Stroms bilanziell aus erneuerbaren Energien stammen sollen. Bei Photovoltaik sei der Ausbau zuletzt so stark gewesen, dass man über den Zielvorgaben liege; bei Windkraft hinke man etwas hinterher, wobei der Rückstand ohne größere Probleme in den Jahren bis 2030 aufgeholt werden könne, sagte Haber.

Stromverbrauch

Wesentlicher Unsicherheitsfaktor sei die Entwicklung des Stromverbrauchs. Eine etwas schnellere Umstellung von fossiler auf elektrische Energie könnte den Verbrauch noch etwas höher ausfallen lassen, was zu einem verstärkten kalorischen Kraftwerkseinsatz oder Importbedarf führen könnte. Eine stündliche Simulation der Aufbringung, unterlegt mit Wetterdaten aus der Vergangenheit, zeige jedenfalls, dass im Jahr 2030 statistisch nur eine Unterdeckung – also eine technische Importnotwendigkeit – von wenigen Minuten zu erwarten ist. (Günther Strobl, 29.2.2024)