Justizministerin Alma Zadić (Grüne) ist mit einer parlamentarischen Anfrage der ÖVP konfrontiert.
APA/HELMUT FOHRINGER

Die ÖVP hat am Sonntag eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Alma Zadić (Grüne) im Zusammenhang mit dem nicht rechtskräftigen Schuldspruch gegen Ex-Parteichef Sebastian Kurz angekündigt. Es geht, wie schon in den vergangenen Tagen mehrfach von der Volkspartei kritisiert, darum, dass nur wenige Tage nach dem Urteil bekannt wurde, dass Richter Michael Radasztics bereits im Mai 2023 zu einer Disziplinarstrafe aus seiner Zeit als Staatsanwalt verurteilt wurde.

Der wenige Monate zuvor als Richter zum Straflandesgericht Wien gewechselte Radasztics hatte einst als Staatsanwalt die umstrittenen Ermittlungen in der Causa Eurofighter geführt. Am Montag vor einer Woche – und damit drei Tage nach dem Schuldspruch – wurde bekannt, dass Radasztics rund um die Causa in zwei Punkten disziplinarrechtlich verurteilt wurde. Erstens hat er den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser nicht über ein abgebrochenes Ermittlungsverfahren gegen ihn informiert. Zweitens teilte Radasztics dem damaligen Nationalratsabgeordneten Peter Pilz die Existenz einer Weisung im Eurofighter-Akt mit.

Damals, 2018, lief gerade der dritte Eurofighter-U-Ausschuss, in dem Pilz tätig war. Der Politiker war zudem als Zeuge im Eurofighter-Verfahren einvernommen worden. Bei diesem Termin hatte ihn Radasztics über eine Weisung zur Rückstellung von Akteninhalten an das Verteidigungsministerium informiert, Pilz stellte wenig später eine parlamentarische Anfrage dazu. Der Verrat von Akteninhalten wurde Radasztics nie vorgeworfen. Die Information über die Weisung hätte Pilz über Aktenlieferungen an den U-Ausschuss ohnehin erhalten, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt. Das ändere aber nichts an Radasztics' Sorgfaltsverletzung, heißt es in der Disziplinarentscheidung.

Radasztics wurde schließlich im Mai 2023 vom zuständigen Oberlandesgericht (OLG) Graz disziplinarrechtlich verurteilt, dagegen hatten aber sowohl er als auch die Oberstaatsanwaltschaft Graz Rechtsmittel angemeldet. Die Sache wäre zum Obersten Gerichtshof (OGH) gegangen, doch im Dezember 2023 zogen beide Seiten ihre Rechtsmittel zurück, Radasztics bezahlte die Strafe in Höhe eines halben Monatsbezugs. Die entsprechende Entscheidung war vergangenen Montag im Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes veröffentlicht worden – zwar namentlich anonymisiert, aber klar zuordenbar.

Warum die Sache erst jetzt publik wurde? Rechtlich vorgesehen ist, dass rechtskräftige Disziplinarentscheidungen "unverzüglich" in anonymisierter Form ins RIS gestellt werden müssen. Eine Anonymisierung kann mehrere Wochen in Anspruch nehmen, würde die Zeitspanne von Dezember bis Februar also erklären. Das Oberlandesgericht (OLG) Graz erklärte, der Veröffentlichungszeitpunkt stehe in keinem Zusammenhang mit dem Kurz-Urteil, die Anonymisierung und Vorbereitung habe so lang gedauert.

"Anschein der Befangenheit"

Unterstützer von Kurz nahmen das jedenfalls prompt zum Anlass, um Radasztics erneut Befangenheit und politische Motive für den nicht rechtskräftigen Schuldspruch in der Causa Falschaussage gegen den Ex-Kanzler vorzuwerfen. Schon nachdem Radasztics per Zufallsprinzip die Causa Kurz zugeteilt bekommen hatte, beantragte die Verteidigung von Kurz und dessen mitangeklagtem Kabinettschef Bernhard Bonelli am ersten Verhandlungstag wegen Radasztics angeblicher Nähe zu Pilz einen Richterwechsel. Der Richter wies den Befangenheitsantrag ab, er habe mit Pilz nur beruflich zu tun gehabt. Dass damals noch ein Disziplinarverfahren in der Sache lief, sagte der Richter nicht dazu.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) erläuterte diesbezüglich am Sonntag in der ORF-"Pressestunde", es gehe um den "Anschein einer Befangenheit". Diese Frage sei wichtig für das Ansehen der Justiz und des Rechtsstaates. Immerhin sei die ganze Sache "vom Anschein befremdlich". Hier sei die Justizministerin gefordert.

Die Grünen forderten den Koalitionspartner daraufhin auf, Angriffe auf die unabhängige Justiz zu beenden, auch wenn die Verurteilung des ehemaligen Parteichefs Kurz in einem Wahljahr unangenehm sei. Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer verweist darüber hinaus auf die Aussagen von Friedrich Forsthuber, Vorsitzender der Fachgruppe "Strafrecht" der Richtervereinigung, der die Vorgänge "völlig zurecht" als "Ligitation PR" bezeichnet hatte, die einzig und allein den Zweck verfolgen würde, "die Person des Richters anzugreifen".

Das Justizministerium bezieht sich in einer Stellungnahme ebenfalls auf die Richtervereinigung. Diese habe bereits umfassend erläutert, dass die Klärung der Frage einer möglichen Befangenheit des Richters den Gerichten im Wege des Instanzenzugs obliegen würde. In Österreich dürfe "im Sinne der verfassungsrechtlich verankerten Gewaltenteilung glücklicherweise weder das Ministerium noch die Ministerin auf Gerichtsverfahren Einfluss nehmen. Das ist auch gut so und zeichnet einen Rechtsstaat aus“.

Verjährung nach fünf Jahren

Ebenfalls am Sonntag gab die ÖVP bekannt, dass nun zu klären sein wird, wie es zu diesem zeitlichen Zusammenfall zwischen Schuldspruch und Veröffentlichungszeitpunkt der Entscheidung in der Disziplinarsache, "bei dem ein Zufall wohl beinahe auszuschließen ist", gekommen sei.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist auch aus einem weiteren Grund interessant, geht aus einem Bericht des Kurier hervor. Diesem zufolge soll just an jenem Tag, an dem die Entscheidung veröffentlicht wurde, eine mögliche Straftat verjährt sein, auf die es im Urteilstext Hinweise gibt.

Gegen Radasztics war in der Sache nämlich auch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, die zuständige Staatsanwaltschaft Eisenstadt reichte sogar Anklage ein. Die ließ das Oberlandesgericht (OLG) Wien allerdings nach eingehender Prüfung nicht zu. Es wurde weiter ermittelt, das Verfahren schließlich eingestellt.

Pilz sagte im Rahmen dieser strafrechtlichen Ermittlungen gegen Radasztics als Zeuge aus, dass dieser ihm nur bestätigt habe, dass es eine Weisung gibt. Eine frühere Staatsanwältin allerdings erklärte, Radasztics habe die Weisung erwähnt und Pilz habe darauf mit einem überraschten "Oh, das interessiert mich jetzt aber", reagiert. Als Pilz damit konfrontiert wurde, soll er gesagt haben: "Das kann mit Sicherheit nicht so gewesen sein, weil während des gesamten Vieraugengesprächs zu 100 Prozent niemand im Raum war."

Laut Kurier soll auch das Disziplinargericht auf den Strafakt Bezug genommen und geurteilt haben, dass Pilz’ Aussage "unglaubwürdig" sei. "Zu glauben" sei den "gegenteiligen Angaben" der Staatsanwältin. Diese würden mit der Aussage von Radasztics übereinstimmen.

Das heißt: Pilz könnte damals, am 26. Februar 2019, falsch ausgesagt haben. Das Disziplinarurteil wurde schließlich am 26. Februar 2024 veröffentlicht. An jenem Tag, an dem das Delikt der falschen Beweisaussage verjährt ist.

Es müsse nun jedenfalls der politische Einfluss von Pilz aufgeklärt werden, heißt es am Sonntag in einer Aussendung der ÖVP. Daher fordert die Volkspartei Zadić auch auf, offenzulegen, wie viele Mitarbeiter im Kabinett der Justizministerin früher als Mitarbeiter der "Liste Pilz/Jetzt" beziehungsweise für den ehemaligen Nationalratsabgeordneten selbst tätig gewesen seien. Im Übrigen war auch Zadić selbst einst Teil der "Liste Pilz/Jetzt", sie saß für die Fraktion als Abgeordnete im Nationalrat. (schi, 3.3.2024)