Eine Frau schaut aus dem Fenster im Zug. Sie fährt vorbei an einer idyllischen Landschaft.
Nachhaltigkeit ist ein großes Wort. In der touristischen Praxis spießt es sich oft schon an der Anreise.
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Auf und davon. Das scheint der Leitspruch zu sein, dem heuer besonders viele Menschen folgen wollen. Das Geschäft mit dem Urlaub boomt. Zugleich nimmt der Widerstand gegen all das zu, was auch mit Tourismus in Verbindung steht: verstopfte Plätze, hohe Preise, zum Teil auch Verkitschung durch zu viel Souvenirläden.

"Höchste Zeit zum Umdenken", meint der aus Innsbruck stammende Zukunftsforscher Andreas Reiter. Die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit im Tourismus sei keine Spinnerei einer kleinen Gruppe; Nachhaltigkeit sei längst vom Rand in die Mitte der Gesellschaft gerückt, sagt Reiter, der das ZTB Zukunftsbüro in Wien leitet und sich stark mit touristischen Themen befasst, im Gespräch mit dem STANDARD.

Nachhaltigkeit wichtig bei Wahl des Arbeitsplatzes

Nicht nur Gäste verlangten mehr denn je nachhaltige touristische Angebote. Auch für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sei die Art und Weise, wie ein touristischer Betrieb mit Ressourcen und den eigenen Bediensteten umgehe, zunehmend ein Kriterium bei der Auswahl des Arbeitsplatzes.

Umso bedauerlicher sei es, dass Österreich die Chance ungenutzt habe verstreichen lassen, Vorreiter bei Nachhaltigkeitsthemen zu werden. Dabei sei in dem 2019 präsentierten "Plan T", dem Masterplan für Tourismus, die Dringlichkeit einer nachhaltigen Weiterentwicklung der für Österreich so wichtigen Branche festgestellt worden.

"Österreich sichert sich damit ein Alleinstellungsmerkmal als nachhaltige Destination, war damals zu hören", sagt Reiter. "Der Plan T ist dann lange auf Eis gelegen. Das mit dem Alleinstellungsmerkmal ist vorbei, Nachhaltigkeit ist inzwischen ein Wettbewerbsfaktor bei allen Destinationen."

Amsterdam macht es vor

Amsterdam sei ein Beispiel, in welche Richtung Nachhaltigkeit gedacht werden könne. Die größte Stadt der Niederlande hat während der Pandemie eine Touristenquote beschlossen. Die Zahl der Übernachtungen soll 20 Millionen nicht überschreiten. Besorgte Bürger hatten zuvor ein deutlich niedrigeres Limit für die 900.0000 Einwohner zählende Stadt gefordert. 2019, kurz vor der Pandemie, wurden in Amsterdam fast 22 Millionen touristische Übernachtungen gezählt.

Zukunftsforscher Andreas Reiter steht vor einem Bücherregal.
Zukunftsforscher Andreas Reiter spricht von vertaner Chance.
Sandra Tauscher

Wie wird das überprüft? Einmal im Jahr muss die Stadt die Zahl der Übernachtungen vorlegen. Sobald die Zahl den Maximalwert überschreitet, sind die Behörden laut Reiter zum Eingreifen verpflichtet.

Mögliche Maßnahmen sind laut Reiter etwa die Erhöhung der Touristensteuer oder Einschränkungen bei privaten Zimmervermietungen, beispielsweise über Airbnb. Die Regeln für Plattformen à la Airbnb sind bereits im Vorfeld drastisch verschärft worden. Bis 2030 will Amsterdam zudem den Rohstoffverbrauch um die Hälfte senken und bis 2050 die Ökonomie komplett auf Kreislaufwirtschaft umstellen.

Schweiz stürmt voran

Auch der Schweiz Tourismus profiliert sich. 2021 wurde "Swisstainable" eingeführt. Ziel: Die Destination Schweiz als Ganzes soll stärker auf Umweltbelange ausgerichtet werden. Level eins richtet sich dabei an Betriebe ohne Zertifizierung oder Nachhaltigkeitsnachweis, die sich aber zu einer nachhaltigen Unternehmensführung bekennen und ihren Betrieb in Richtung Nachhaltigkeit weiterentwickeln möchten. Für Level zwei muss eine Zertifizierung oder ein anderer Nachweis in mindestens einem Nachhaltigkeitsbereich vorliegen.

Level drei schließlich ist für Betriebe konzipiert, die eine umfassende Nachhaltigkeitszertifizierung vorweisen und auch regelmäßig extern überprüft werden.

In Österreich sieht Reiter die Bremser hauptsächlich in den Tourismushochburgen Tirols, wobei sich die Region Wilder Kaiser (Bezirk Kufstein) wohltuend abhebe. Der dortige Tourismusverband hat 2019 zusammen mit anderen Unternehmen und Institutionen als Erster eine Gemeinwohlbilanz erstellt. Diese umfasst soziale, ökologische und ökonomische Aspekte und bietet Betrieben Entscheidungshilfe, wie sie nachhaltiger werden könne.

Druck von allen Seiten

"Der Druck kommt von allen Seiten", sagt Reiter. Finanzierungen gebe es teils nur noch, wenn Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden. Die Banken ihrerseits seien auch an Auflagen gebunden.

Den ganz starken Treiber ortet Zukunftsforscher Reiter aber im Convention-Bereich. Kongressveranstalter und Ausrichter von Meetings lebten von großen Unternehmen, die bei ihnen buchen. Viele hätten mittlerweile konzernintern die Auflage, nur noch in grün zertifizierten Locations Firmentagungen oder Seminare auszurichten bzw. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nur noch in grün zertifizierten Hotels absteigen zu lassen.

Wird das auch im Ferientourismus so stark kommen? Reiter: "Das ist nur eine Frage der Zeit." (Günther Strobl, 3.3.2024)