Moderatorin Claudia Reiterer in der Mitte mit ihren Gästen
"Im Zentrum": Claudia Reiterer mit (von links) Alexander Filipović (Medienethiker Uni Wien), Florian Bösenkopf (Mitgründer und Chef der Influencer-Agentur Influence Vision), Martin Andree (Medienwissenschafter Uni Köln) und Gabriele Fischer (Leiterin Suchttherapie Med-Uni Wien).
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Je nach Anliegen, je nach Absicht und Geschäftsinteresse kann die Weltsicht ganz schön unterschiedlich sein. Die Sonntagsrunde zu "Im Zentrum" bei Claudia Reiterer lieferte dafür die allerbesten Belege. Es ging um Segnungen versus Zerstörungskraft der Big-Tech-Plattformen.

Während der Kölner Medienwissenschafter Martin Andree 2029 den Kipppunkt für die Demokratien ausmacht, weil dann die "alten Medien" so verschwindend klein geworden sein werden, dass Inhalte lediglich von den großen Plattformen gesteuert würden, und mittlerweile ja eine sichtliche Allianz zwischen Big Tech und den Rechten erwachsen sei, sieht Florian Bösenkopf, der eine Agentur für Influencer betreibt (Influence Vision), eine große Vielfalt in den Social Media und auch "stark recherchierte Geschichten" von Influencern. Bösenkopf sieht viele Chancen, jeder könne seine Meinung äußern. Sogar eine große Werbevielfalt macht Bösenkopf aus. Und ja, natürlich sei es üblich, dass sich auch die Politik der Influencer bediene. Zunehmend auch in Österreich.

Die Verantwortung

Medienethiker Alexander Filipović (Uni Wien) tendiert zur apokalyptischen Seite. Sein stärkstes Argument: "Alte Medien" übernehmen Verantwortung für die Inhalte, Qualitätsjournalismus treffe bewusste Entscheidungen. Das Motiv sei hier nicht zuallererst, sich die Taschen zu füllen, sondern es gehe ihnen um gesellschaftlichen Mehrwert.

Was ist zu tun? Er hält die Politik für zuerst verantwortlich und stimmt Andree zu, dass es einfach an den geeigneten Regulierungsinstrumenten fehle.

Es mäandert dann dahin zu diesem enorm relevanten Thema: ein wenig Eigenverantwortung im Konsum, Gesundheitsaspekte, Mahnungen an die Bildungspolitik zu mehr Augenmerk auf Medienkompetenz von der Suchtexpertin Gabriele Fischer (Uni Wien) und ein bisschen Kapitalismuskritik.

Gefangen in der Bubble

Wirklich dramatisch wird es nicht in dieser Runde, weder zu den Folgen der gigantischen Werbegeldströme zu den Big-Tech-Größen noch zu den restlichen Folgen von deren Monopol. Auch nicht zu etwaigen sozialen Folgen. Zu Hass im Netz. Wo genau das mächtige Zerstörungspotenzial liegen könnte oder schon längst deutlich sichtbar ist, bleibt in vielen Aspekten unausgesprochen. Und es werde spannend, ob und wann der Digital Services Act der EU in seiner Umsetzung Wirkung zeigen kann.

Was werden wir tun mit diesem wunderbaren Geschenk des Internets, fragt Filipović. Wir wissen es offenbar noch nicht. (Karin Bauer, 4.3.2024)