Ein Mitarbeiter eines Bio-Ladens bereitet einen Kaffee zu, der in einen Mehrwegbecher fließt.
Verkäufer von Getränken "to-Go" müssen künftig neben Einweg- auch Mehrwegbehältnisse anbieten. Spätestens 2030 soll der Anteil der mehrfach verwendbaren Verpackungen bei zehn Prozent liegen.
APA/dpa/Felix Kästle

Auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, scheint kurz vor der EU-Wahl auf europäischer Ebene schwieriger zu sein denn je – und doch ist jetzt etwas gelungen. Zuvor war das Lieferkettengesetz erneut gescheitert, bei dem eine Einigung nach wie vor als unwahrscheinlich gilt. Dann stand die EU-Verpackungsverordnung auf der Kippe. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass innerhalb der Union mehr recycelt wird und Pfandsysteme dazu beitragen, dass die Müllberge schrumpfen. Das Projekt drohte am Widerstand Deutschlands und Italiens zu scheitern.

Doch dann wurde Montagabend überraschend die Einigung verkündet. Davor war in Brüssel noch einmal im Trilog darüber verhandelt worden, wie eine gemeinsame Lösung aussehen könnte – und sie wurde gefunden. Die finale Abstimmung über die Verordnung folgt im April, hat üblicherweise aber nur noch formellen Charakter.

In der EU müssen künftig also deutlich mehr Verpackungen recycelbar sein. Bestimmte Einwegverpackungen wie etwa für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse oder Einzelverpackungen – beispielsweise für Zucker – sollen ab 2030 verboten sein, teilte das Parlament mit. Ziel ist es, den Verpackungsmüll bis 2040 schrittweise um mindestens 15 Prozent im Vergleich zu 2018 zu reduzieren.

Verwässerter Kompromiss?

Dennoch dürfte die informelle Einigung zwischen EU-Staaten und Parlament auch auf Kritik stoßen. Bereits im Vorfeld monierten Umweltschutzorganisationen, es käme – wenn überhaupt – nur zu einem verwässerten Kompromiss. "Der Lobbyismus hat gewirkt", sagte Lisa Panhuber von Greenpeace noch vor der Übereinkunft am Montagabend. Für Kritik sorgten vor allem angedachte Mehrwegquoten für verschiedene Verpackungskategorien.

Auch in Österreich sprachen sich Industrie- und Handelsvertreter für eine differenzierte Sichtweise aus. So auch Martin Widermann, Geschäftsführer von Propak, dem Fachverband der Papier und Karton verarbeitenden Industrie. Ob Ein- oder Mehrweg sinnvoller sei, hänge vom jeweiligen Produkt ab. "Vor dem Hintergrund einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft ist es nicht unbedingt zielführend, unter allen Umständen auf Mehrwegquoten zu setzen."

Die Kritik wurde vom Parlament aufgegriffen: Mehrwegquoten gelten der informellen Übereinkunft nach nur für beschränkte Anwendungsfälle. So soll der Anteil der mehrfach verwendbaren Verpackungen bei alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken bis 2030 auf zehn Prozent ansteigen. Unter gewissen Voraussetzungen gelten aber mehrjährige Ausnahmen. Zudem sollen Verkäufer von "Take-away"-Getränken ihren Kunden verpflichtend Mehrweg-Alternativen anbieten müssen.

Harte Verhandlungen

Es soll sich um harte Verhandlungen in Brüssel gehandelt haben. Doch zumindest bei den Reduktionszielen schienen sich die Verhandelnden einig gewesen zu sein. Die Vorgaben für Plastikverpackungsabfälle fallen noch einmal strenger aus als für allgemeinen Müll. Im Klimaschutzministerium, das für die Materie zuständig ist, befürchtete man im Vorfeld, dass das Gesamtziel der Verordnung durch weitere Ausnahmen und "Flexibilisierungsmaßnahmen" nicht mehr erreichbar sein könnte – zu diesem Zeitpunkt wusste man jedoch noch nichts von der späteren Einigung.

Kritik brachten bereits im Vorfeld Verbote für bestimmte Einwegverpackungen mit sich. Diese seien vor allem für Obst und Gemüse wichtig, um die Ware vor Beschädigung zu bewahren, hieß es etwa vom Handelsverband. Auf die andere Seite der Medaille verwies Greenpeace: Für die Umwelt sei der hohe Verbrauch von Einwegverpackungen schlecht, sagt Panhuber.

"Studien zeigen klar, dass die Ökobilanz von Mehrweg viel besser ist." Eine Einwegflasche werde zwar oftmals recycelt, aber nicht als Flasche, sondern als Kleidung. Diese werde dann kaum mehr recycelt. Eine Mehrwegflasche könne hingegen bis zu 20-mal wiederverwendet werden. Zumal würden die Müllberge wachsen: Laut Eurostat-Zahlen von 2021 fallen in der EU rund 188 Kilogramm Verpackungsabfälle pro Einwohner an – elf Kilo mehr als noch ein Jahr zuvor.

Mutmaßlicher Deal sorgte für Verunsicherung

Den Handlungsbedarf aus Umweltsicht dürften auch die EU-Verhandler erkannt haben. Sie einigten sich darauf – wohl zum Ärgernis des Handels –, gewisse Einwegverpackungen ab 2030 zu verbieten. Dies betrifft etwa unverarbeitetes Obst und Gemüse sowie Individualportion wie kleine Soßenverpackungen in Restaurants oder Zuckerpäckchen im Kaffeehaus.

Kritik an der Verordnung kam neben Handels- und Industrievertretern sowie der FDP bis zuletzt vor allem aus Italien. Die Verpackungsindustrie ist in dem südlichen EU-Staat groß, vor allem in den Bereich biologisch abbaubarer Kunststoffe wurde viel investiert. Diese sind zwar ökologischer, wenn sie in der Natur landen, weil sie verrotten können. Dafür können sie nicht recycelt werden und landen daher hauptsächlich in der Verbrennung. Ein weiterer Kritikpunkt von Umweltschützern: Für die Produktion viel wird Fläche verbraucht, um Zuckerrohr oder Mais anzubauen.

Sogar ein Deal zwischen Italien und Deutschland war Medienberichten nach zuvor vermutet worden: Italien soll Deutschland bei der Blockade des Lieferkettengesetzes unterstützen, im Gegenzug soll sich Deutschland bei der Verpackungsrichtlinie enthalten. Die deutsche FDP dementierte einen solchen Pakt zuletzt. Eingetreten ist eine Blockade jedenfalls nicht – zur großen Überraschung vieler. (Nicolas Dworak, Nora Laufer, 4.3.2024)