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Wie geht es der europäischen Autoindustrie und ihren Zulieferern? Sind die Klagen wirklich berechtigt?
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Die aktuelle Berichterstattung über die Lage der österreichischen Zulieferindustrie lässt vermuten, das Ende sei nahe: das Ende für die Betriebe, für die Beschäftigung und damit für einen wichtigen Teil der österreichischen Wirtschaft. Als leidenschaftlicher Motorenbauer kann ich nur sagen: Unsere Branche hat Zukunft! Die Automobilindustrie befindet sich im Wandel.

Es ist Zeit, mit drei Mythen aufzuräumen, die immer wieder genannt werden:

Mythos 1 Eingeschränkte "Technologieoffenheit"

Dieser Begriff ist nicht nur in Österreichs Politik gebräuchlich, sondern auch strategischer Kern des Unternehmens, für das ich arbeite. Wichtig ist zu verstehen: Technologieoffenheit meint nicht das Verharren in der Vergangenheit und an Verbrennungsmotoren. Ein starres Hoffen auf den Durchbruch von E-Fuels mit "Technologieoffenheit" zu begründenhalte ich für ein fatales Missverständnis.

Es geht vielmehr darum, in alternative Antriebe zu investieren und unterschiedliche Technologien auf dem Weltmarkt in den Wettbewerb zu stellen. Auch wenn sich die Logik der EU-Regulatorik nicht immer gleich erschließt: Im breiten Aufjaulen über das beschlossene EU-Verbrenner-Aus wird übersehen, dass die europäische Automobilindustrie für den Weltmarkt produziert. Das soll auch in Zukunft, und zwar über das Jahr 2035 hinaus, der Fall sein. Das bedeutet, dass wir in der europäischen Automobilproduktion noch lange ein Nebeneinander vieler unterschiedlicher Technologien erleben werden. Das bedeutet aber nicht, dass alternative Antriebsformen und ihre Bedeutung für einen geringeren CO2-Ausstoß ignoriert werden können.

Mythos 2 Zukunftstechnologien als Selbstläufer in der EU

Die Diversifizierung von Technologien und die dafür notwendige Transformation sind überall auf der Welt kostenintensiv. Viele Länder außerhalb der EU (USA, China, Großbritannien) sehen, dass die produzierende Industrie – als wichtiger Pfeiler der Volkswirtschaft – im kostenintensiven Aufbau von Zukunftstechnologien unterstützt werden muss. Auch haben diese Länder erkannt, dass sich diese Investitionen auszahlen – dass Jobs, Steuereinnahmen und regionales Wachstum bleiben, wenn die Zukunftstechnologie einmal da ist. Vergleichbare Investitionsförderungen sind für EU-Länder nur im Ausnahmefall zulässig. Im Wettbewerb um die Ansiedlung von Zukunftstechnologie ist das ein immenser Nachteil. In diesem Punkt stimmt die Kritik, die in den letzten Tagen laut wurde. Hier gilt es dringend nachzubessern.

Mythos 3 Jobs fallen weg

Die Automobilindustrie in Österreich, wie auch in der gesamten EU, ist nach wie vor stark. Vor allem in Zeiten von Zerwürfnissen in den Lieferketten wird Regionalität immer wichtiger. Forschung und Entwicklung sind zusätzlich ein Motor für Jobs. Denn da, wo Innovation passiert, wird auch die Produktion beheimatet bleiben. Österreich ist ein forschungsintensives Land – diese Stärke gilt es beizubehalten. Außerdem: Trotz international grassierenden Fachkräftemangels finden wir in Österreich noch immer die notwendige Expertise, um gut durch eine Phase der Transformation zu kommen. Zumindest, wenn wir uns nicht selbst das Bein stellen!

Die Berichte der letzten Tage sind alles andere als gute Werbung für unsere Branche am Arbeitsmarkt. Dabei hat die Automobilindustrie in der EU und auch in Österreich Zukunft und bietet gerade in einer Zeit der Veränderung ein spannendes Tätigkeitsfeld für ambitionierte Fachkräfte!

Zusammenfassend: Ja, eine Transformation braucht Einsatz, Weitblick und Kapital. Vor allem braucht es aber auch Mut, Zuversicht und Zusammenhalt. Daher: Der aktuelle Abgesang in Moll im industriellen, politischen, medialen und gesellschaftlichen Diskurs gehört neu gestimmt – in einen Aufgesang in E-Dur. (Klaus von Moltke, 5.3.2024)