St. Pölten Troerinnen
Euripides'/Sartres "Troerinnen" als Blondinen auf Kothurnen, niedergeschlagen in ihrer besiegten Stadt.
Luiza Puiu

Dass Frauen seit jeher als Kriegsbeute benützt wurden, sagt viel darüber aus, wer dauernd Krieg führt. Die Eroberungsgelüste der Kriegstreiber umfassen nebst Territoriumsgewinn auch die Versklavung des Lebens anderer. Das war auch schon vor zweieinhalbtausend Jahren so.

Nach dem Trojanischen Krieg – der mythologischen Erzählung gemäß ausgelöst durch einen Frauenraub (die schöne Helena!) – teilen sich die griechischen Sieger die von ihnen zu Witwen gemachten Herrschergattinnen auf. Diesen Moment hält Euripides in Die Troerinnen fest, das nun in einer Bearbeitung von Jean-Paul Sartre am Landestheater Niederösterreich Premiere hatte. Er erteilt ihnen das Wort. Einmal heißt es: "Ihr Männer von Europa, ihr verachtet uns und Asien und Afrika als Barbaren".

Das Drama aus dem Jahr 415 vor Christus findet direkt Anschluss an gegenwärtige Geschehnisse, siehe Ukraine, siehe Israel und Gaza – auch wenn man an heutigen Fronten mit einem hölzernen Pferd nichts mehr ausrichtet. Die mächtige Stadt Troja, zwischen Ost- und Westmächten gelegen, ist gefallen, alle Männer tot, die Frauen erwartet ein Sklavinnenschicksal.

Kiloweise Langhaar

Regisseurin Sláva Daubnerová inszeniert diese Frauen als herauspolierte Pin-up-Figuren – und folgt damit ganz dem männlichen Blick: Die Königsgattin Hekuba (Bettina Kerl), ihre Tochter Kassandra (Caroline Baas), die Schwiegertochter Andromache (Julia Kreusch), auch Helena (Laura Laufenberg) – sie alle tragen über ihren schlanken, biegsamen Körpern hautenge Latexsuits (Kostüme: Cedric Mpaka), auf dem Haupt kiloweise toupierte blonde Langhaarperücken, und sie staksen auf 18-Zentimeter-Absätzen "hinfällig" durch die Ruinen ihrer einst blühenden Stadt. Bühnenbildner Lugh Amber Wittig hat dafür diverses Sitzmobiliar vor eine Mauer mit dramatischem Bombenloch platziert.

Kann sein, dass Daubnerová die "weibliche" Staffage kritisch oder selbstbewusst gemeint hat – doch bleiben diese kapitalistisch punzierten Frauenbilder – zwischen Nanny und Ivana Trump – seltsam, auch wenn sich die Spielerinnen im Verlauf des Abends Stück für Stück ihrer Montur entledigen und irgendwann barfuß und ohne Kunsthaarpracht niedergeschlagen kauernd wiederfinden.

Menelaos im Schlafsack

Und wie oft, wenn in Narrationen Frauenfiguren aufgewertet werden, erfolgt im Gegenzug eine Abschwächung der Männerrollen oder gar deren Verulkung – wie hier König Menelaos (Sven Kaschte), der im Angesicht Helenas, seiner zurückeroberten Gattin, in einen Schlafsackmantel gehüllt, ein wenig tumb am Maschinengewehr hantiert. Der Bote Talthybios (Julian Tzschentke) wiederum verbirgt seine Grausamkeit hinter extravaganter Kleidung.

Die Inszenierung schafft aber Konzentration und lässt einen nicht ungerührt. Insbesondere zeigt sich, über welch tolle Sprechperformerinnen das Landestheater in St. Pölten verfügt. (Margarete Affenzeller, 5.3.2024)