Landestheater Vorarlberg
Steinbuchs "Stromberger oder Bilder von allem" ist Erinnerungskultur als Theaterstück.
©anja koehler | andereart.de

Wie sich gegen faschistische Tendenzen wehren, gegen menschenverachtende Politik? Es sind aktuelle Fragen, die das Landestheater Vorarlberg in Stromberger oder Bilder von allem verhandelt. Maria Stromberger, 1898 in Kärnten geboren, in Bregenz zur Krankenschwester ausgebildet, ließ sich 1942 freiwillig nach Auschwitz versetzen, um sich selber ein Bild zu machen von den "Vorkommnissen".

Sie half den KZ-Insassen. Schmuggelte Medikamente, Lebensmittel, Waffen, Nachrichten, Fotos. Nach Auschwitz konnte sie nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten. Im Prozess in Warschau sagte sie gegen den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß aus. Nach Kriegsende kam sie zurück nach Bregenz, wo sie bis zu ihrem Tod 1957 lebte. Sie arbeitete in einer Bregenzer Textilfabrik und geriet in Vergessenheit, wird heute erinnert als "Engel von Auschwitz".

Tief gegraben

Intendantin Stephanie Gräve hat es sich zur Aufgabe gemacht, jede Spielzeit ein Stück über Vorarlberg aufzuführen. In dieser Reihe steht nun Autorin Gerhild Steinbuch mit ihrem Auftragswerk über Stromberger. Eine Lebensnacherzählung ist es nicht. Steinbuch gräbt tiefer und sucht eine Verbindung ins Heute.

Zu Beginn referieren vier Frauen (Isabella Campestrini, Vivienne Causemann, Luca Hass, Rahel Jankowski) über rechtsradikale Umtriebe in Österreich und den Umgang damit. Der Abend droht anfangs zu zerfasern. Doch was zuerst bedeutungsschwanger wirkt, entwickelt mit der Annäherung an Stromberger Sog und Kraft. Das liegt auch an der starken Ensembleleistung.

Epische Bilder

Vor allem aber liegt es an der Inszenierung von Bérénice Heben­streit. Sie und Ausstatterin Mira König finden für ihr Dokumentartheater epische Bilder. Musiker Sandro Nicolussi erschafft dazu mit fünf Nähmaschinen (eine davon stammt aus der Bregenzer Fabrik, in der Stromberger arbeitete) einen treibenden, dräuenden Sound. Drei mit Fäden bespannte Wände bilden auf der Bühne einen kleinen Raum. Auf die Fäden lassen sich Bilder projizieren, die in Unschärfe verschwimmen. Als wären Erinnerungen nicht greifbar. Durch die Fäden kann man hindurchsteigen, als würde man in die Vergangenheit tauchen. Mit weißen Plakaten fangen die vier Projektionen ein, erhaschen kurz einen Blick in die Vergangenheit.

Doch die Figuren ringen mit den Erinnerungen und dem Umgang mit ihnen. Welche Zuschreibungen sind richtig? Sollte man sich nicht lieber auf Fakten konzentrieren anstatt auf Nacherzählungen? Welche Schlüsse zieht man aus der Geschichte?

Der Abend endet mit zarter Hoffnung. Das Quartett singt den Ibiza-Song der Vengaboys – a cappella –, als würden sie sich damit gegenseitig Halt geben. Strache war gestern, heute hören wir Herbert Kickl. Aber Aufgeben ist keine Option. (Julia Nehmiz, 5.3.2024)