Prime Drinks Hype Der Standard
In vier Geschmacksrichtungen sind die US-amerikanischen Hydration-Drinks in österreichischen Supermärkten erhältlich.
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Die Kunststoffflaschen sind eisblau, tomatenrot oder grasgrün, der Schriftzug zieht sich in fetten Großbuchstaben über die Flasche. Man sieht den knallfarbenen Prime-Drinks an, dass sie für Social Media erdacht worden sind. Tatsächlich sind sie das Projekt zweier weltbekannter Youtube-Stars, die gegeneinander boxten, bevor sie gemeinsame Sache machten.

Der US-amerikanische Influencer Logan Paul posiert auf Social Media als Wrestler, allein auf Youtube hat er 23,6 Millionen Follower. Der Brite Olajide Olayinka Williams "JJ" Olatunji, bekannt als KSI, ist Boxer, Rapper, Influencer. Anfang 2022 gründete das reichweitenstarke Duo in den USA sein Unternehmen, vier Monate später sollen bereits zehn Millionen bunte Flaschen verkauft worden sein.

Der Aufstieg der Influencer-Brand: mehr als rasant. Mit einem Umsatz von fast 200 Millionen US-Dollar soll Prime, hinter dem Congo Brands, das Unternehmen zweier junger US-Amerikaner namens Trey Steiger und Max Clemons, steckt, 2022 in den USA zur sechstgrößten Sportgetränkemarke avanciert sein.

Wer trinkt das Zeug?

Seit einiger Zeit sind die Produkte auch in Österreich zu haben. Längst nicht mehr nur in spezialisierten Snack-Shops, sondern auch in Supermärkten wie Spar oder Billa. Letzterer hat Prime seit Dezember vergangenen Jahres im Programm. Das US-Unternehmen visiert den Mainstream an. Nicht nur Streamer wie der Spanier Ibai Llanos Garatea werben für Prime. Der europäische Markt wird seit einem Jahr über den Fußball aufgerollt. Erst verkündete Prime Hydration eine Partnerschaft mit dem Premiere-League-Club Arsenal, dann dem FC Barcelona, es folgte Bayern München, neuester Kooperationspartner ist Borussia Dortmund.

Doch wer trinkt das Zeug? Etwa Fußballfans? Die fitnessbegeisterte Gen Z? Umfrage im Redaktions-Chat des STANDARD: Es sind vor allem Eltern, die sich melden. In der Volksschule der Kinder seien die Flaschen das "totale Must-have". Es kristallisiert sich heraus: Überwiegend Burschen ab zehn Jahren stehen auf die Drinks der beiden Influencer.

Wir wollen es nun auch wissen. Wie schmecken die magischen Mischungen "Lemon Lime", "Blue Rasperry", "Ice Pop" oder "Tropical Punch"? Die Drinks haben wir im Supermarkt besorgt – dort sind sie für stolze 3,49 Euro pro Flasche erhältlich. Fancy Influencer-Produkte haben eben ihren Preis. "Prime ist nicht nur ein Getränk, sondern auch ein Statement", werden die 500 Milliliter-Flaschen im Webshop des österreichischen Supermarktkette Billa beworben. Ist das so?

Nach den ersten Schlucken ist klar: Wir gehören offenbar nicht zur Zielgruppe. "Schmeckt seifig-süß", "wie Zuckerwasserbrause", "riecht nach dem Medikament zur Vorbereitung auf die Darmspiegelung". Selbst die Kollegin, die eine Affinität zu Sportgetränken hat, empfindet den Geschmack des nahezu farblosen, kohlesäurelosen Getränks als "abgestanden".

Sturm auf die Drinks

Zugegeben, damit war zu rechnen. Auf der Plattform Reddit haben sich User und Userinnen schon vor über einem Jahr über die Drinks ausgetauscht. Die Kommentare reichen von "überbewertetes Gatorade" bis "viel zu süß, voll mit künstlichen Süßstoffen, sodass es wie Sirup schmeckt". Nur wenige schienen wirklich begeistert.

Über den Hype können die kritischen Statements trotzdem nicht hinwegtäuschen. Die bunten Kunststoffflaschen waren in vielen internationalen Medien Thema. Die britische Presse staunte über Horden männlicher Teenager, die Aldi-Filialen stürmten. In Großbritannien sollen die Produkte immer wieder ausverkauft gewesen sein – Abhilfe schaffte für derlei Notlagen die App "Prime Tracker UK". Sie zeigte an, wo die Getränke vorrätig sind. Eine Autorin bekannte im "Independent": "Ich habe drei kleine Söhne – und ich mache mir Sorgen über den Einfluss, den die Influencer auf sie haben." Sie spielte auf das umstrittene Image der beiden Unternehmer an, die sich in den vergangenen Jahren für keine noch so blöde Provokation auf Social Media zu schade waren.

Koffein aus der Dose

Das war allerdings noch nicht alles. Neben den seifig-süßen Sportdrinks aus der Kunststoffflasche bietet Prime koffeinhaltige Energydrinks in Dosen an. Und die haben es erst recht in sich. Eine 355-Milliliter-Dose enthält 200 Milligramm Koffein, das ist fast doppelt so viel, wie in dem Energydrink des Konkurrenten Red Bull enthalten ist. In den USA hielt deshalb im vergangenen Sommer der Senator Chuck Schumer warnend eine gestreifte Prime-Dose in die Kameras. Er forderte die Lebensmittelbehörde auf, das Getränk zu untersuchen.

Sen. Schumer calls on FDA to investigate Prime energy drink
CBS New York

Hohe Mengen an Koffein stellen ein gesundheitliches Risiko dar, deshalb dürfen in manchen europäischen Ländern Energydrinks erst ab 16 oder 18 Jahren konsumiert werden. In Österreich hingegen gibt es keine Altersbeschränkung. In Deutschland auch nicht. Dort fordert die Verbraucherorganisation Foodwatch deshalb eine Regulierung der Influencer-Werbung für ungesunde Lebensmittel.

In Österreich wird der Ball flachgehalten. Oder täuscht der Eindruck? Anruf beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). Bislang habe es keine Beschwerden zu den Drinks gegeben, sagt Nina Eichberger. Privat aber sei ihr die Aufregung um das Unternehmen nicht entgangen: "Wer Kinder hat, bekommt das mit."

Die magischen Mischungen gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Das Konzept des US-Duos ist zum Vorbild etlicher Influencer-Drinks avanciert. 2022 hat der Tiktoker Emir Bayrak mit Kaufland die Limonade Emyo auf den Markt gebracht. Im vergangenen Jahr folgte der Twitch-Streamer Montanablack alias Marc Eris mit dem Energydrink Gönrgy, der österreichische Getränkehersteller Rauch bewarb mit Youtuber Julien Bam eine "Julien Bam"-Eisteekollektion. Das Ende der Fahnenstange? Ist sicher noch nicht erreicht. (Anne Feldkamp, 7.3.2024)