Elon Musk möchte OpenAI dazu zwingen, für das Wohl der Menschheit zu arbeiten. Sein eigenes KI-Unternehmen xAI tut das nicht.
AP/Czarek Sokolowski

Elon Musk geht gerichtlich gegen OpenAI vor, er hat aber nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch dessen Mitbegründer Sam Altman und Greg Brockman verklagt. Er wirft den ChatGPT-Machern vor, die Gründungsmission des Unternehmens verraten zu haben. Diese sah vor, die KI-Entwicklung zum Nutzen der Menschheit voranzutreiben. Damit hätten Altman und Brockman ihn, Musk, davon überzeugt, 2015 in das Start-up zu investieren. Musk habe sich von dem Unternehmen erhofft, es würde sich auf den Kampf gegen die Konkurrenz in Form von Google konzentrieren, heißt es in der Klagsschrift. Und weiter: In der Gründungsvereinbarung wurde OpenAI verpflichtet, seine Technologie der Öffentlichkeit "frei zugänglich" zu machen, so der Vorwurf in der Klage.

Jetzt sei das aber anders, argumentieren Musks Anwälte: OpenAI, das wertvollste KI-Unternehmen der Welt, sei zu einem gewinnorientierten Modell übergegangen. Hätte Musk das geahnt, er hätte nie in das Unternehmen investiert. Die Vorwürfe werden sogar noch schwerer: OpenAI sei quasi ein Subunternehmen von Microsoft, nachdem der Softwaregigant rund 13 Milliarden US-Dollar in das KI-Unternehmen investiert habe. Außerdem würde Sam Altman die AGI-Forschung kommerzialisieren, lautet einer der Vorwürfe, wie "Techcrunch" berichtet.

Von Grundrechenarten zum Weltuntergang

Doch was meint Elon Musk damit? Unter AGI versteht man "Artificial General Intelligence". Diese soll ähnliche intellektuelle Fähigkeiten zur Problemlösung wie ein Mensch haben. Musks Anwälte bezeichnen ChatGPT4 bereits als AGI, was – vorsichtig formuliert – eine sehr weite Auslegung der Definition ist. Auch Q* (ausgesprochen: Q Star) wird in der Klage erwähnt. Dabei handelt es sich um ein KI-Modell von OpenAI, das deutlich fortschrittlicher sein soll als ChatGPT. Das Modell erregte Ende 2023 Aufsehen, weil es gerüchteweise ein Durchbruch auf dem Weg zur AGI sein soll. Wie sich herausstellte, ist die Realität aber deutlich weniger spektakulär: Das Modell soll in der Lage sein, Mathematikaufgaben auf Grundschulniveau zu lösen.

Das mag nicht nach einer besonderen Leistung klingen, aber KI-Sprachmodelle sind nicht dafür geschaffen, mathematische Aufgaben zu lösen. Das änderte an der Gerüchteküche wenig: Nachdem Sam Altman Ende des Vorjahrs einen Durchbruch angedeutet hatte, wurden Spekulationen laut, die bis zur Auslöschung der Menschheit durch künstliche Intelligenz gingen. "Viermal in der Geschichte von OpenAI, zuletzt in den vergangenen Wochen, hatte ich das Privileg, dabei zu sein, wenn wir den Schleier der Unwissenheit lüften und die Grenzen der Entdeckung verschieben", dieser Satz von Altman reichte aus, um die Tech-Welt in Aufruhr zu versetzen.

Gericht soll die AGI-Frage klären

Genau darauf beziehen sich auch Musks Anwälte. Das Gericht möge doch bitte feststellen, ob es sich bei GPT-4, Q* oder anderen Modellen schon um eine AGI handelt. Die Argumentation: Wenn es sich bei GPT-4 schon um eine AGI handelt, dann hätte OpenAI Microsoft niemals Zugriff darauf geben dürfen. Denn: Das Gründungsstatut von OpenAI sieht vor, dass AGIs der ganzen Menschheit zur Verfügung stehen sollen. Mit einer einstweiligen Verfügung will Musk verhindern, dass OpenAI seine Produkte weiterhin Microsoft zur Verfügung stellt. Microsoft setzt GPT-4 unter anderem in Bing Chat sowie im Copilot für Windows ein. Gleichzeitig solle Q* nicht in die Hände von Microsoft gelangen.

Sollte sich also vor Gericht herausstellen, dass OpenAI kommerzielle Interessen verfolgt, dann müssten auch Spendengelder und Investorengelder zurückbezahlt werden, die zur Finanzierung von gemeinnütziger KI-Forschung gedacht waren, argumentieren Musks Anwälte. Sie behaupten, OpenAI und Microsoft hätten GPT-4 unrechtmäßig lizenziert, obwohl sie vereinbart hatten, dass die AGI-Fähigkeiten von OpenAI der Menschheit vorbehalten bleiben sollten.

Elon Musk gilt als einer der Mitgründer von OpenAI, stieg aber aus dem Unternehmen aus, weil er seine Position als CEO von Tesla mit der Arbeit von OpenAI für unvereinbar hielt. Dass Musk aber tatsächlich um das Wohl der Menschheit besorgt ist, dürfte nicht der entscheidende Motivator hinter der Klage sein. Er hat schon in der Vergangenheit mehrfach versucht, die Entwicklung von künstlicher Intelligenz hinauszuzögern.

Musk und Grok

Im April des Vorjahrs veröffentlichten Größen der Tech-Branche einen offenen Brief, in dem sie eine Pause für die KI-Entwicklung forderten. "Fortgeschrittene KI könnte eine tiefgreifende Veränderung in der Geschichte des Lebens auf der Erde darstellen" – sie sollte "mit entsprechender Sorgfalt" geplant und verwaltet werden, heißt es in dem Schreiben. Unter den Unterzeichnenden war Elon Musk. Wie sich später herausstellte, dürfte Musk versucht haben, Zeit zu schinden, um das eigene KI-Unternehmen an den Start zu bringen. Kurz nach der Unterzeichnung des Briefes bestellte Musk 10.000 Grafikprozessoren für sein Unternehmen xAI, das damit ein neues Large Language Model trainiert. Wie sich wenig später herausstellte, handelt es sich dabei um den Chatbot Grok.

Grok soll laut Musk der einzige Chatbot sein, der auf politische Korrektheit pfeift und "based" sein soll. Das bedeutet in etwa so viel, wie dass Grok keine Rücksicht auf die Gefühle anderer nimmt. Grok soll "unwoke" sein. Der Weiterentwicklung der Menschheit dient Grok allerdings nicht: Er steht lediglich der zahlenden Kundschaft auf X, vormals Twitter, zur Verfügung.

In einem Meinungsstück für "Medium" bezeichnete die Sozialwissenschafterin Esha Lovrić den Ansatz von Musk und seinem Chatbot Grok als "Krieg gegen die Realität". (Peter Zellinger, 5.3.2024)