Seit mittlerweile zwölf Jahren veröffentlicht Spartacus jährlich den Gay Travel Index. Er gilt als Richtschnur zur Reiseplanung für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBT+), zeigt er doch, welche Destinationen für queere Menschen am sichersten sind. Und um welche die LGBT+-Community einen großen Bogen machen sollte. Der Index gibt einen Überblick über die Situation in insgesamt 213 Ländern und Regionen.

Touristen auf Malta: Das Land ist wieder Spitzenreiter im aktuellen
Touristen auf Malta: Das Land ist wieder Spitzenreiter im aktuellen Gay Travel Index.
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Neben Malta, bereits vergangenes Jahr auf Platz eins, rücken nun auch Kanada, Neuseeland, Spanien und Portugal an die Spitze. Erstmals in der Geschichte des seit 2012 erscheinenden Spartacus Gay Travel Index stehen damit gleich fünf Länder gleichzeitig an der Spitze der LGBT+-freundlichsten Reiseländer. Unmittelbar dahinter folgen die Schweiz und Australien. Deutschland folgt auf Platz acht – gemeinsam mit Ländern wie Dänemark, Island, Norwegen und Uruguay. Österreich bleibt wie auch 2023 auf dem 13. Platz, den es sich mit unter anderem mit Finnland, Schweden und Irland teilt.

Erweiterter Index

Der Index für 2024 wurde um die neue Kategorie "Zensur" ergänzt und berücksichtigt nun auch Gesetze, die etwa ein Verbot für das Zeigen von Regenbogenflaggen oder die Verbreitung von Büchern mit queeren Inhalten regeln. Zudem wurde der Index um elf Länder erweitert: Guinea, Kiribati, Marshallinseln, Mikronesien, Palau, São Tomé und Príncipe, Südsudan, Tuvalu, Saint Kitts und Nevis, Saint Lucia sowie Saint Vincent und die Grenadinen.

Als großer Aufsteiger gilt Estland. Das baltische Land springt dank der Einführung der Ehe für alle, unabhängig vom Geschlecht, von Rang 47 auf 32. Estland ist damit das erste Land Osteuropas, das gleichgeschlechtlichen Ehepartnerinnen und -partnern die gleichen Rechte einräumt wie heterosexuellen. Dank des Verbots der Konversionstherapie gehört auch Norwegen zu den Aufsteigern des Jahres und verbesserte sich von Platz 17 auf acht. Mauritius (von Rang 116 auf 93) und die Cookinseln (von Rang 121 auf 109) steigen auf, weil 2023 Gesetze gegen gleichgeschlechtliche Liebe abgeschafft wurden, dort droht nun kein Gefängnis mehr für Homosexualität.

Am unteren Ende

Massiv verschlechtert hat sich Russland. Es rutscht wegen des faktischen Verbots von Homosexualität – 2023 wurde die "internationale LGBT-Bewegung" für illegal erklärt – von Platz 177 auf 205. Jeder, der nicht nach den "traditionellen Werten" des Putin-Regimes lebt, wird kriminalisiert, die ohnehin verbreitete Diskriminierung von queeren Personen ist in Russland nun Gesetz. Russland ist damit nur noch wenige Plätze von den Schlusslichtern im Gay Travel Index – Afghanistan, Tschetschenien, Iran und Saudi-Arabien – entfernt, die sich den 210. Platz teilen.

Schlecht schneiden im Europavergleich ebenfalls ab: Belarus (Platz 162), die Türkei (143) und der Vatikan (127). Polen konnte sich zwar von Rang 133 auf 118 verbessern, kassiert aber weiterhin Minuspunkte wegen der explizit homofeindlichen Einstellung größerer Teile der Bevölkerung. Auch Großbritannien hat sich verschlechtert – von Rang neun auf 21. Begründet wird das einerseits mit der gewachsenen Homofeindlichkeit, andererseits damit, dass weniger um queere Touristen geworben werde.

Unter Beobachtung

Mit einer Gesetzesvorlage zur Einführung der Ehe für alle hat Thailand 2024 als asiatisches Land die besten Chancen, im kommenden Index zu dem auf diesem Kontinent führenden Taiwan (Platz 13) aufzuholen. Nach einem bereits 2018 gefällten Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Costa Rica zur Einführung der Ehe für alle, das für 20 Staaten der Region bindend ist, stehen Staaten wie Peru, Bolivien, Ecuador, Honduras oder Panama unter Druck, das Urteil umzusetzen. Dank der Verabschiedung eines Gesetzes zur Einführung der Ehe für alle durch das griechische Parlament im Februar 2024 gilt ein Aufstieg Griechenlands im Index für 2025 bereits als sicher.

Ein besonderes Augenmerk gilt den Vereinigten Staaten, wo im November Präsidentschaftswahlen anstehen und bei einem Sieg der Republikaner weitere Verschärfungen gegenüber der queeren Bevölkerung zu befürchten sind.

In 15 überwiegend muslimischen Staaten droht gleichgeschlechtlich veranlagten Menschen die Exekution. In wichtigen Reiseländern wie Katar, wo unlängst ein homosexueller Manager der Fluglinie Qatar Airways inhaftiert und wohl auch gefoltert wurde, und den Vereinigten Arabischen Emiraten wird die Todesstrafe zwar nicht praktiziert, sie gilt aber laut Spartacus weiterhin offiziell.

Dirk Baumgartl, Chefredakteur des Spartacus Traveler in Berlin und Co-Autor des Gay Travel Index, meint gegenüber der "Welt": "Das Ranking ist nicht nur für queere Reisende relevant. Denn es gibt Orientierung, wie ernst das Thema Menschenrechte in einem Land genommen wird – eine Art moralischer Kompass, der die Entscheidung aller Menschen für oder gegen ein Reiseziel beeinflussen kann und sollte." (red, 6.3.2024)