Es ist ein geradezu beispielloser Boom. Rund 40 Prozent an klimafreundlicher Solarkapazität wurden in der EU im Jahr 2023 mehr installiert als im vorangegangenen 2022. In Österreich wuchs die Leistung der PV-Anlagen allein von 2021 auf 2022 laut Marktstatistik um 36,4 Prozent. Ob auf privaten Hausdächern oder auf jenen von Industrie- und Gewerbegebäuden, ob auf Immobilien oder auf der freien Fläche: Keine erneuerbare Stromquelle legt gerade einen Aufstieg hin wie die Photovoltaik (PV).

Bis zu 95 Prozent der Photovoltaik, die in Europa zum Einsatz kommt, stammt aus China.
Bis zu 95 Prozent der Photovoltaik, die in Europa zum Einsatz kommt, stammt aus China.
Andreas Vitting, via www.imago-i

Das ist die eine Seite der Geschichte. Die andere: Bei Produzenten in der EU kommt der Boom nicht an, ganz im Gegenteil. Allein seit vergangenem Sommer sind laut dem Branchenverband SolarPower Europa acht große europäische Hersteller in Probleme gerutscht. Sie wurden insolvent oder mussten Teile ihrer Produktion zurückfahren. Beim Schweizer Produzenten Meyer Burger Technology mit Zentrale nahe Bern beispielsweise sackte die Aktie im Vorjahr um 87 Prozent ab. Im April plant Meyer Burger nun ein wichtiges Werk in Sachsen zu schließen.

Flaute trotz Booms

Der Grund für die Flaute ist klar: die massiven Importe aus China. Bis zu 95 Prozent der PV in der EU soll laut Schätzungen der Internationalen Energieagentur von dort stammen. Der Preisunterschied ist unschlagbar: Laut "Financial Times" liegen die Produktionskosten bei chinesischen Anlagen bei rund 0,15 Dollar pro Watt – in Europa sind sie mit 0,30 Dollar doppelt so hoch.

Was dagegen tun? Eine umstrittene Idee, die in Brüssel herumgeistert, wären Strafzölle und Importrestriktionen auf chinesische Anlagen. Die EU könnte derartige Maßnahmen bei der Welthandelsorganisation (WTO) beantragen, beispielsweise mit Verweis darauf, dass Peking mit staatlichen Stützen für die dortige PV-Industrie den internationalen Markt verzerrt. Aber es gibt ein großes Problem dabei: Die Maßnahme würde das Angebot an PV-Anlagen massiv verknappen und die Preise hochtreiben – und somit auch die Klimawende bremsen.

"Wir brauchen sie"

"Wir können unsere Grenzen nicht schließen, weil wir die Solarpaneele brauchen", erklärte EU-Energiekommissarin Kadri Simson am Montag bei einem Treffen der EU-Energieminister. Dennoch, wie sie tags darauf gegenüber Industrievertretern ausführte, machten es billige Produkte, die die EU-Märkte fluteten, schwer für die EU-Hersteller zu konkurrieren: "Das ist besorgniserregend, auch aus Gründen der Energiesicherheit." Es gelte, "eine Balance zu finden zwischen weiterhin leistbarer PV und der Unterstützung für europäische Hersteller".

Aber wie? EU-Kommission und Mitgliedsstaaten debattieren nun über Staatshilfen für PV-Hersteller – auch wenn nicht klar ist, wie diese längerfristig das Problem der chinesischen Übermacht lösen sollen. Weiters im Gespräch ist eine Art sanftere Variante von Importrestriktionen: Bei öffentlichen Ausschreibungen in EU-Staaten betreffend PV-Anlagen könnte künftig besonderes Augenmerk auf die Einhaltung sozialer, ökologischer und ethischer Kriterien gelegt werden. Vergaberechtlich ist dies zulässig – und hier wären die europäischen Produzenten gegenüber den chinesischen klar im Vorteil. Im Rahmen des sogenannten Net-Zero Industry Act plant die EU überdies, beim Bau von Solaranlagen einen bestimmten Mindestanteil europäischer Erzeugnisse vorzuschreiben.

Eine ähnliche Stoßrichtung hat ein Vorschlag der Photovoltaic Austria, des Solar-Branchenverbands in Österreich. Strafzölle sehe man kritisch, weil diese den Sonnenstrom "künstlich verteuern", erklärt Geschäftsführerin Vera Immitzer. Aber: "Vorstellbar wäre eine Art Bonus für europäische Produkte: eine höhere Förderung für Anlagenbetreiber, sobald sie diese verbauen." Denn die Krise trifft auch Österreichs PV-Produzenten, die vornehmlich Komponenten wie Wechselrichter herstellen, aber mitunter im kleineren Maßstab auch Photovoltaik-Module. Diese würden derzeit "ordentlich kämpfen", heißt es aus der PV-Branche. (Joseph Gepp, 6.4.2024)