"Daniil Bisslinger – Putin – Russland": So hatte der damalige FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache offenbar einen notorisch bekannten, langjährigen Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin in seinem Handy gespeichert. Mit Bisslinger sollte sich Straches damaliger Kabinettschef Roland Weinert ausmachen, wie ein "Gedankenaustausch mit jungen Beamten in Österreich", um den "Russland" ersucht habe, zustande kommen könnte.

Strache
Der ehemalige FPÖ-Obmann Strache äußerte sich zu den Kontakten nicht.
APA/EVA MANHART

Über die Idee dieses "Gedankenaustauschs" wurde bereits berichtet. Nicht bekannt ist bisher allerdings, dass Strache Bisslingers digitale Visitenkarte an seinen Kabinettschef übermittelt hat. Das wirft Fragen danach auf, wie intensiv die Kontakte zwischen der FPÖ, die bekanntlich ein "Freundschaftsabkommen" mit einer Putin-hörigen Partei abgeschlossen hatte, und dem Kreml waren.

"Sicherheitsabstand"

Denn Bisslinger ist kein unbeschriebenes Blatt. Laut "Süddeutscher Zeitung" ("SZ") ist der SPD-Politiker Lars Klingbeil einst vom deutschen Verfassungsschutz instruiert worden, einen "Sicherheitsabstand" zu dem Diplomaten zu wahren. Der gutaussehende junge Mann mit adrettem Seitenscheitel hatte offenbar kein Problem, Kontakte in die Politik zu knüpfen.

Bisslinger bei einem Kongress in Russland. Am Podium saß da auch Ex-Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ)
IMAGO/SNA

Bisslinger hatte eine durchaus enge Beziehung mit einem CSU-Politiker, der prorussische Anträge im Deutschen Bundestag eingebracht hat; mit dem AfD-Politiker Markus Frohnmaier und mit anderen Jungpolitikern der deutschen Rechts-außen-Partei. Die baten Bisslinger etwa um Spenden für ihren Wahlkampf oder fragten um Jobs an, zum Beispiel bei Gazprom, wie eine großangelegte Recherche des "Spiegel" im Jahr 2019 enthüllte. Die russische Botschaft in Berlin, bei der Bisslinger in den 2010er-Jahren tätig war, gab damals an, man finanziere selbstverständlich keine Parteien. "Kontakte zu verschiedenen politischen Kräften und Gesellschaftsstrukturen des Aufenthaltsstaates" seien hingegen auf Arbeitsebene nicht als problematisch zu werten.

Treffen in Schütz-Schloss

Es ist daher also keine Überraschung, dass Bisslinger sein Netzwerk auch in Richtung FPÖ aufgebaut hat. Woher Strache den jungen Russen kannte und wie oft er mit ihm Kontakt hatte, beantwortet der Ex-Politiker auf Anfrage nicht. Aus seinem Kalender geht hervor, dass er die Chatnachricht kurz nach einem Termin mit einem Immobilienunternehmer und einem Finanzexperten, der für die FPÖ Vereine aufgesetzt und gemanagt hat, verschickt hat.

Bisslingers Avancen in Österreich schlugen schon einmal internationale Wellen: So soll der Russe, den manche Behörden den russischen Geheimdiensten zurechneten, den US-deutschen Milliardär Peter Thiel in Wien angesprochen und ein Treffen mit Putin angeboten haben, wie Recherchen von "Welt" und Insider" zeigten. Das soll im Schloss Neuwaldegg passiert sein, das dem Investor und ÖVP-Großspender Alexander Schütz gehört und das er einem Freund, dem Unternehmer Christian Angermayer, für eine Geburtstagsfeier zur Verfügung gestellt hatte. Thiel ging auf Bisslingers Angebot nicht ein, sondern erzählte dem FBI über dessen Annäherungsversuche. Auch Strache und Gudenus waren auf Schütz' Geburtstagsfeier eingeladen, wie aus E-Mails hervorgeht.

Dolmetscher für Putin

Bisslinger arbeitet mittlerweile wieder in Moskau, wo er im Außenministerium in einer Abteilung für den deutschsprachigen Raum und andere mitteleuropäische Gebiete zuständig ist. Er reagierte auf eine Anfrage des STANDARD nicht. Der Diplomat, der perfekt Deutsch spricht, soll mehrfach für den russischen Präsidenten Wladimir Putin gedolmetscht haben; unter anderem bei einem Termin mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Schon die "SZ" stellte die Frage, ob Bisslinger nur ein leutseliger Diplomat sei oder "einer von Putins Spionen, die Kontakte pflegen, manipulieren und abschöpfen sollen". Darauf wollen oder können Sicherheitsbehörden keine eindeutige Antwort geben, hieß es in mehreren Medienberichten.

Die Russland-Nähe der FPÖ ist schon seit Jahren Thema, in den nächsten Monaten wird sie im parlamentarischen U-Ausschuss zu "rot-blauem Machtmissbrauch" erneut thematisiert werden. "Hat Russland versucht, einen Spion in die österreichische Verwaltung einzuschleusen? Mit der FPÖ als Partner? Das alles ist brandgefährlich für die österreichische Bevölkerung", sagt die grüne Fraktionsführerin Meri Disoski. "Sollten wir Spuren der Russland-Connection in unserer Verwaltung finden, werden wir damit aufräumen."

Die SPÖ-Abgeordnete Eva-Maria Holzleitner spricht davon, dass die FPÖ unter Herbert Kickl "extremer als jemals zuvor" sei: "Die engen Verbindungen der FPÖ zu Putin und zu Rechtsextremen stellen eine ernsthafte Gefahr für Österreichs Sicherheit und unser Ansehen in der Welt dar".

"An sich nichts Ungewöhnliches"

Roland Weinert, Straches damaliger Kabinettschef und Generalsekretär, sagt dem STANDARD, er habe damals kurz mit Bisslinger telefoniert und ihn "erinnerlich an die Beamtenebene verwiesen und den Kontakt auch weitergegeben". Damit sei die Sache für ihn erledigt gewesen, Bisslinger habe er davor nicht gekannt und nach dem Telefonat auch nie mehr getroffen oder gesprochen. Er sei damals Strache gegenüber auch weisungsgebunden gewesen, sagt Weinert, der mittlerweile Sektionschef im Arbeitsministerium ist.

"Dieser Vorgang an sich war nichts Ungewöhnliches", erklärt Weinert; die Verwaltungsakademie betreibe immer wieder internationale Formate. Er sieht es "sehr kritisch", dass Bisslinger laut Medienberichten als Einflussagent unterwegs war. Allerdings müsse man bei Kontakten mit Diplomaten immer mit einem nachrichtendienstlichen Hintergrund rechnen. Aus dem österreichischen Verfassungsschutz (BVT) sei damals jedenfalls keine Warnung vor Bisslinger gekommen. (Fabian Schmid, 7.3.2024)