Die ersten Straßenbahnen Wiens hatten genau ein PS: Sie wurden noch von einem Pferd durch die Stadt gezogen, bevor mit der Jahrhundertwende auf den elektrischen Antrieb umgestellt wurde. Dabei waren Ende des 19. Jahrhunderts noch viele Fragen zur Elektrifizierung der Mobilität offen, von der zuverlässigen Stromabnahme über die Kraftübertragung bis zur Regelung der Geschwindigkeit. Zudem mussten die Fahrer, die davor Kutscher waren, in Grundkenntnissen der Elektrotechnik unterrichtet werden. Was an Erfahrung fehlte, das versuchte man durch Experimentierwillen und regelmäßige Evaluierungen wettzumachen.

Auch die ersten Elektroautobusse gab es in Wien bereits vor mehr als 100 Jahren, rund um das Jahr 1910. Sie verfügten über zwei 20-PS-Motoren und 14 Sitz- sowie zehn Stehplätze. Für die Energieversorgung war ein Fahrdraht mit der Oberleitung der Straßenbahn verbunden, ein zweiter mit den Schienen. Bis zum Jahr 1921 waren insgesamt vier Elektrobusse im Einsatz.

Eine Pferdetramway bei der Aspernbrücke um 1894.
Pferdetramway auf dem Ring beim Parlament um 1890.
Wiener Linien

Schrittweise wurde das Busnetz ausgebaut, dabei setzte man auf fossile Antriebe. Vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Straßenbahn zunehmend als Hindernis im Straßenverkehr empfunden, der Schwerpunkt lag auf den flexibleren Busfahrzeugen. Dennoch betont man auf Anfrage des STANDARD bei den Wiener Linien, dass auch heute dank U- und Straßenbahn 80 Prozent der Öffi-Fahrgäste elektrisch unterwegs sind und somit keine lokalen Emissionen verursachen. Und auch bei den Bussen sollen neue Antriebsformen zum Einsatz kommen. Dafür wird erneut eifrig experimentiert.

Vom Pferdewagen zum Wasserstoff

Nachdem auf den Innenstadtlinien 2A und 3A seit mittlerweile zehn Jahren kleine E-Busse des italienischen Herstellers Rampini unterwegs sind, werden bis 2025 zehn Buslinien auf Antriebe ohne lokale Emissionen umgestellt, dafür werden 60 E- sowie zehn Wasserstoffbusse angeschafft. Den Wiener Linien zufolge können die E-Busse besonders effizient im flacheren Gelände eingesetzt werden, die Wasserstoffbusse sollen sich hingegen auch für anspruchsvollere Strecken eignen.

E-Bus
Ein E-Bus der Linie 2A.
Wiener Linien

Die Linien 71A (Zentralfriedhof 3. Tor bis Schwechat) und 71B (Zentralfriedhof 3. Tor bis Kaiserebersdorf) wurden bereits vollständig auf große E-Busse umgestellt. Diese sind im Gegensatz zu den in der Innenstadt verkehrenden E-Bussen zwölf Meter lang, also so lang wie herkömmliche Wiener Busse.

Für den Einsatz der neuen Busse haben die Wiener Linien eine Schnellladestation an der Endhaltestelle Zentralfriedhof 3. Tor errichtet, die mit vier 300-kW-Ladegeräten ausgestattet ist. Dort werden die E-Busse nach jeder Runde circa 20 Minuten lang geladen. Über Nacht abgestellt und aufgeladen werden sie im "Kompetenzzentrum für E-Mobilität" in Siebenhirten, das Mitte Februar eröffnet wurde.

E-Busse
Die neuen E-Busse der Wiener Linien im "Kompetenzzentrum für E-Mobilität".
APA/GEORG HOCHMUTH

Da die E-Busse vor allem in flachem Gelände gut eingesetzt werden können, werden vorerst neun Linien auf E-Antrieb umgestellt, die hauptsächlich im flachen Süden Wiens verlaufen.

Erneuerbare Energie

"E-Busse sind energieeffizient, leiser als herkömmliche Fahrzeuge und verbessern die Luftqualität in der Stadt", argumentiert man seitens der Wiener Linien für die Umstellung. Die Klimaanalgen der Busse sind mit einer Wärmepumpenfunktion ausgestattet, um "die Energie bestmöglich zu nutzen". Der Kauf der E-Busse sowie die Errichtung der Schnellladestation werden aus Mitteln der EU über das Ebin-Programm des Klimaschutzministeriums gefördert.

Betont wird auch, dass die Busse mit Strom betrieben werden, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien bezogen oder – etwa mittels Photovoltaikanlage in Siebenhirten – von den Wiener Linien selbst produziert wird.

Mit Wasserstoff durch Döbling

Bei den Wasserstoffbussen ging der portugiesische Hersteller Caetano Bus gemeinsam mit Toyota in einem mehrstufigen Prozess als Bestbieter hervor. Im Laufe des Jahres 2025 werden die Wiener Linien zehn Busse des Typs H2.City Gold erhalten, die mit Brennstoffzellentechnik von Toyota betrieben werden.

Wasserstoffbus des Anbieters Hyundai
Der Wasserstoffbus des Anbieters Hyundai fährt derzeit zu Testzwecken durch Wien.
Wiener Linien

Die Busse sind zwölf Meter lang und barrierefrei, betankt werden sie künftig an der Wasserstofftankstelle von Wien Energie und den Wiener Netzen auf dem Gelände der Busgarage Leopoldau. Da sich die Wasserstoffbusse auch für Strecken mit Steigungen und kurzen Haltestellenabständen eignen, wird die Strecke des 39A – Heiligenstadt bis Sievering – zur ersten Wasserstofflinie Wiens. Die Umstellung soll Ende 2025 abgeschlossen sein.

Keine Hybridbusse mehr

Während es bei den hier genannten Plänen bereits um konkrete Umsetzungen geht, wurden andere Experimente abgebrochen, bevor sie ihren Weg in den täglichen Fahrbetrieb finden konnten. So begannen die Wiener Linien im Jahr 2010, Hybridbusse von verschiedenen Herstellern zu testen. Diese verfügten – so wie bei Pkws – über einen kombinierten Elektro- und Dieselantrieb, über den der Kraftstoffverbrauch gesenkt werden kann. Allerdings fiel 2016 die Entscheidung, den Testbetrieb einzustellen.

erste elektrische Straßenbahn Wiens
Die erste elektrische Straßenbahn Wiens in der Wallgasse beim Raimundtheater.
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Das liegt erstens daran, dass die Kraftstoffersparnis nicht so hoch war wie erhofft, der Dieselverbrauch der Hybridfahrzeuge war laut Wiener Linien damals nahezu ident mit jenem der Dieselbusse. Außerdem erwies sich der Wartungsaufwand als relativ hoch, auf technischer Ebene waren die Fahrzeuge beim damaligen Entwicklungsstand nicht zuverlässig genug. Ähnliches lässt sich auch an anderer Stelle beobachten: Hohe Wartungskosten waren Medienberichten zufolge auch der Grund, warum sich der Autovermieter Hertz von 20.000 E-Autos trennte.

Weiter experimentieren

Und auch bei den Wasserstoffbussen lief zunächst nicht alles nach Plan. So waren diese ursprünglich gemeinsam mit den E-Bussen ausgeschrieben. Nach intensiven Tests mit einem Bus des damaligen Bestbieters stellte sich aber heraus, dass dieses Fahrzeug für den Betrieb im Wiener Verkehrsalltag nicht geeignet ist. Somit musste eine neue Ausschreibung für die Anschaffung der zehn Wasserstoffbusse gestartet werden.

Unabhängig von den Ausschreibungen wird im Rahmen des Langzeitforschungsprojekts "Hy Bus" seit Anfang 2022 mit der Antriebstechnologie Wasserstoff experimentiert. Im Rahmen dieses Projekts dreht bis Jahresende ein weiterer Wasserstoffbus seine Runden in Wien – diesmal vom Hersteller Hyundai. (Stefan Mey, 10.3.2024)