Wollen wir die Klimawende vorantreiben oder Industrien und Jobs in der EU halten? Das ist die Frage, die Brüssel in Bezug auf höchst wichtige Photovoltaik (PV) umtreibt. Weil chinesische Billighersteller die europäische PV-Branche derzeit geradezu überrennen und in schwere Bedrängnis bringen, werden Rufe nach Verboten der Einfuhr von Photovoltaik-Produkten aus China laut, etwa vonseiten Frankreichs. Die Chinesen fertigen um rund die Hälfte billiger als die Europäer. Doch EU-Energiekommissarin Kadri Simson wehrt sich gegen Strafzölle: Ohne Billig-Photovoltaik aus China komme der rasche Ausbau ins Stocken und damit die Umstellung des Energiesystems auf Klimafreundlichkeit, erklärte sie vergangene Woche nach einem Treffen der EU-Energieminister.

Die Nachfrage nach PV ist zwar hoch, doch zugleich leiden die Hersteller unter einer Flut chinesischer Billigprodukte.
Die Nachfrage nach PV ist zwar hoch, doch zugleich leiden die Hersteller unter einer Flut chinesischer Billigprodukte.
IMAGO/H.Tschanz-Hofmann

Es ist ein Dilemma. Photovoltaik ist wichtig für die Energiewende; ein Importstopp aus China wäre fatal. Aber zugleich gilt es, Europas Industrie zu schützen – allein schon aus Sicherheitsgründen, um in Sachen Versorgung mit neuen Solarmodulen nicht vollends vom unberechenbaren China abhängig zu sein.

Was tun? Die Kommission geht den pragmatischen Weg. Sie positioniert sich zwar gegen ein Einfuhrverbot, lässt aber zugleich Europas Hersteller nicht im Regen stehen. Brüssel schlägt den Mitgliedsstaaten nämlich gelindere Mittel als Strafzölle vor, um die Branche zu retten. Beispielsweise sollen staatliche Auftraggeber in ihren Ausschreibungen besonderes Augenmerk auf soziale und ökologische Kriterien legen und Photovoltaik-Installateuren eine Quote von europäischen Produkten vorschreiben, die sie verbauen sollen. Derartige Maßnahmen bevorzugen Europas Hersteller gegenüber ihren chinesischen Konkurrenten – ohne Letztere gleich zu verdrängen.

Die Kommission begegnet damit einem komplexen Problem mit Bedacht und Augenmaß. Weder vertraut sie naiv auf die Kräfte des Weltmarktes, was sie schon allein aus besagten Sicherheitsgründen nicht tun sollte – noch plädiert sie für Einfuhrverbote mit potenziell zerstörerischen Folgen. Im Großen und Ganzen geht Brüssel damit den richtigen Weg. (Joseph Gepp, 10.3.2024)