Die Tristesse in der europäischen Wirtschaft nimmt kein Ende, beinahe täglich kommen wenig erfreuliche Nachrichten über die Konjunktur auf dem Alten Kontinent und in Österreich im Speziellen herein. Ein kurzer Auszug: In der Eurozone ist die Wirtschaftsleistung im Schlussquartal nach einem leichten Minus in den drei Monaten zuvor stagniert, und die Aussichten bleiben bestenfalls verhalten. Laut Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), wird die Entwicklung verhalten bleiben. Die Konjunktur entwickle sich schwach, weil sich die Konsumenten mit ihren Ausgaben zurückhielten. Für Deutschland wurden die Prognosen für das laufende Jahr zuletzt deutlich nach unten revidiert, und für Österreich weist das Wifo darauf hin, dass sich die Konjunktureinschätzungen der heimischen Unternehmen erneut verschlechtert hätten, sowohl hinsichtlich der derzeitigen Lage als auch hinsichtlich der Erwartungen für die kommenden Monate.

Ein Einfamilienhaus mit Baugerüst.
Besonders der Bausektor spürt derzeit starken Gegenwind, Besserung sollen das Konjunkturprogramm der Regierung und niedrigere Zinsen bringen. Wirklich wirken wird dies aber wohl erst im nächsten Jahr.
IMAGO/Rupert Oberhäuser

Warum das so ist? Hauptsächlich wegen des hohen Zinsniveaus, das die EZB zur Inflationsbekämpfung festsetzen musste. Daran wird sich so bald nichts ändern, denn die Notenbank setzt auch weiterhin auf die bremsende Wirkung teurer Kredite. Dazu kommt in Österreich die sogenannte Kim-Verordnung, die die Kreditvergabe für Immobilienkäufe erschwert. "Die hohen Kreditzinsen und der erschwerte Zugang zu Hypothekarkrediten ließen in Österreich das Wachstum der Kreditnachfrage einbrechen", fasst Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker zusammen. Vor der Jahresmitte – die meisten Experten tippen auf Juni – dürfte es auch keine Erleichterungen in Form von Zinssenkungen durch die EZB geben, sofern die Inflation bis dahin in Zaum bleibt. Da Veränderungen im Zinsniveau aber auch dann mehrere Monate benötigen, bis sie ihre volle Wirkung entfalten, bedeutet dies de facto: Die wirtschaftlichen Bremsen bleiben das ganze Jahr lang angezogen.

Prognose wird gesenkt

Die Konjunkturflaute in Österreich hält nun bereits seit dem dritten Quartal 2022 an, unterbrochen nur durch einen leichten Anstieg der Wirtschaftsleistung zu Jahresbeginn 2023, wie das Wifo festhält. Der kräftigste Rückgang war im zweiten Quartal 2023 zu beobachten. Im dritten Quartal des abgelaufenen Jahres schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dann erneut. Für das vierte Quartal errechnete die Statistik Austria eine Stagnation. Die Folge: Das Wifo wird seine Wirtschaftsprognose nach unten revidieren, das hat sein Chef Gabriel Felbermayr vor wenigen Tagen angekündigt. Bisher ist das Institut für heuer von einem Wachstum von 0,9 Prozent ausgegangen. Daraus wird wohl nichts, aber immerhin sollte die Wirtschaft Felbermayr zufolge nicht schrumpfen.

Die neue Wachstumsprognose wird ihm zufolge zwischen 0,2 Prozent und der alten Schätzung liegen. Felbermayr weist allerdings auch darauf hin, dass dies für Wohlstandsgewinne zu wenig sein könnte: Da die Bevölkerung wachse, schrumpfe bei einem BIP-Wachstum von 0,2 Prozent das Pro-Kopf-Einkommen. "Das ist für die Menschen im Land, für die Wirtschaft insgesamt, sicher nicht gut", betont der Wifo-Chef.

Etwas Abhilfe gegen die Konjunkturflaute sollte das Bauprogramm der Regierung schaffen. Wie berichtet wird der Staat über zwei Jahre hinweg 2,2 Milliarden Euro zusätzlich in Bauwirtschaft investieren. Neben einem Zuschuss für Sanierungsarbeiten wird es auch Geld für 20.000 zusätzliche Wohnungen im gemeinnützigen Wohnbau geben, 5.000 Wohnungen sollen saniert werden. Investitionen in die Bauwirtschaft gelten als besonders konjunkturfördernd, weil die Leistungen meist im Inland zugekauft werden, also ein geringerer Teil des Geldes ins Ausland abfließt. Zusammen mit den erwarteten EZB-Zinssenkungen und einer möglichen Lockerung der Kim-Verordnung könnte das Schwung in den lahmenden Bausektor bringen – allerdings wohl hauptsächlich erst ab 2025.

Außenhandel durchwachsen

Auch im Außenhandel läuft es derzeit nicht ganz rund, die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) sieht Licht und Schatten in Österreichs Handelsbilanz 2023. "Der Anstieg der Warenausfuhren hat 2023 an Dynamik verloren", sagt die stellvertretende WKO-Generalsekretärin, Mariana Kühnel. Als Bremse für den "Innovations- und Wohlstandsmotor Exportwirtschaft" würden stark gestiegene Energie-, Personal- sowie Bürokratiekosten im Inland sowie geringe Wachstumsimpulse aus den Top-Märkten wirken. Etwa aus China, wo die Konjunkturerholung nach der Corona-Pandemie unter anderem wegen der Probleme im Immobiliensektor schwächelt. Dass Österreich im Vorjahr im Außenhandel "das geringste Defizit seit mehr als 16 Jahren" ausweist, worauf Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas hinweist, liegt aber vor allem an einem starken Rückgang der Importe, hauptsächlich wegen gesunkener Gaspreise.

Nach der Rezession 2023 wird auch die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung des DIW Berlin in diesem Jahr nur stagnieren. Das BIP werde somit auf der Stelle treten, teilte das Forschungsinstitut am Donnerstag mit. Nach einem weiteren Schrumpfen der Wirtschaftskraft im laufenden ersten Quartal gehe es zwar allmählich bergauf. "Die deutsche Wirtschaft kommt aber nicht so schnell in Fahrt wie erwartet." Deshalb gebe es im Gesamtjahr 2024 "nur ein Nullwachstum". Die Hoffnungen ruhen nun auf dem kommenden Jahr, in dem die Konjunktur wieder spürbar anziehen soll. "Insbesondere eine immer bessere Konsumlaune der privaten Haushalte, aber auch steigende Ausrüstungsinvestitionen werden wohl 2025 für einen BIP-Zuwachs um 1,2 Prozent sorgen", argumentiert das DIW. Allerdings deuteten auch die Prognosen für das heurige Jahr ursprünglich zunächst auf Wachstum hin. Jetzt wird wohl doch nur Stagnation daraus – und das in der ganzen Eurozone. (Alexander Hahn, 9.3.2024)