Zuletzt haben eher Nachrichten über Kündigungen durch heimische Unternehmen die Öffentlichkeit aufgescheucht. Auch die Arbeitslosigkeit steigt angesichts der Wirtschaftsflaute seit Monaten wieder. Dennoch finden Betriebe nicht immer jene Mitarbeiter, die sie brauchen. Der Stellenmonitor des ÖVP-Wirtschaftsbundes weist 178.541 offene Stellen aus. "Wir sehen, dass nach der Konjunkturflaute die Nachfrage nach Arbeitskräften wieder ansteigt und der Arbeitskräftemangel leider kein kurzfristiges Phänomen ist, sondern uns in den nächsten Jahren begleiten und noch zulegen wird", kommentiert Wirtschaftsbund-Generalsekretär und ÖVP-Abgeordneter Kurt Egger die Zahl.

Fachkräftemangel bleibt

Egger hat mit dieser Einschätzung vermutlich recht. Im Jahr 2040 werden dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu heute knapp 220.000 Personen weniger zur Verfügung stehen. Schon bis 2030 dürfte die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um 150.000 Menschen schrumpfen, und die Zahl junger Menschen, die nachkommen, sinkt ebenfalls. So schnell wird der Fach- und Arbeitskräftemangel nicht aus der Welt sein. Ausreichend gut ausgebildete Arbeitskräfte werden für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes also immer mehr zum Knackpunkt.

Eine Monteurin arbeitet in einer Fertigung.
Die Erwerbsbeteiligung der Frauen steigt. Österreich liegt bei dieser Kennzahl über dem Schnitt der EU-Länder.
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Das gilt nicht nur für Österreich. Klaus Prettner, Professor für Makroökonomie und Digitalisierung an der Wirtschaftsuniversität Wien, hat sich in einer aktuellen Studie damit beschäftigt und einen interessanten Ansatz gewählt: Kann der Umstand, dass Eltern in Industriestaaten stärker in Bildung und Gesundheit ihres Nachwuchses investieren, die sinkenden Geburtenraten ausgleichen?

Besser gebildet

Wenn Frauen weniger Kinder bekommen, sind diese Kinder statistisch gesehen höher gebildet und gesünder, meint Prettner. "Damit steigt auch das Humankapital dieser Kinder." Unter Humankapital versteht die Wissenschaft die Summe der wirtschaftlich nutzbaren Fähigkeiten und Kenntnisse der Erwerbsbevölkerung. Prettner und sein Team haben das durchschnittliche Humankapital in unterschiedlichen Staaten gemessen und diese Daten mit Zahlen zu Fertilität, Bevölkerungsgröße und verschiedenen Wirtschaftskennwerten verglichen. Auf einzelne Länder wie Österreich wurde nicht abgestellt. Laut der Studie können Bildung und Gesundheit sinkende Geburtenzahlen zumindest teilweise kompensieren. In Zahlen gegossen geht die Rechnung so: Wenn in einem Land die Fertilitätsrate (also die durchschnittliche Anzahl der Geburten pro Frau) um ein Prozent sinkt, geht das mit einer Steigerung des durchschnittlichen Humankapitals um 0,124 Prozent einher. Der Effekt ist also relativ gering.

Lose-lose-Situation

Das hoch umstrittene und heiß diskutierte Thema Migration ist dabei allerdings noch nicht eingerechnet. Wenn jemand etwa von Ost- nach Westeuropa auswandert – wie das angesichts des Lohngefälles in den vergangenen Jahren häufig der Fall war –, sei das kein Nullsummenspiel und das Humankapital verlagere sich nicht einfach eins zu eins von einem Land ins andere. "Die Zielländer von Migration sind meistens reiche Staaten mit entsprechend hohem Bildungsniveau", meint Prettner. "Wenn Menschen, die in ihrem Herkunftsland überdurchschnittlich hoch gebildet sind, in Länder auswandern, wo ihr Bildungsniveau schlussendlich unter dem Durchschnitt liegt, würde das bedeuten, dass das durchschnittliche Humankapital in beiden Ländern sinkt." Mit anderen Worten: Arbeitet der gut ausgebildete Arzt aus Serbien hierzulande als Taxifahrer, ist das eine Verschwendung.

Ein Taxi
Arbeitet ein serbischer Arzt hierzulande als Taxifahrer, ist das eine Verschwendung.
APA/GEORG HOCHMUTH

Das ist nicht nur für das Einwanderungsland ein Problem. Sinkende Geburtenraten gepaart mit Abwanderung vor allem gut Gebildeter ist eine dramatische Entwicklung für die betroffenen Auswanderungsländer – etwa in Osteuropa. Wird Migration in der Berechnung der WU-Forschenden mitberücksichtigt, geht mit jedem Prozent, um das die Fertilitätsrate sinkt, nur noch eine Erhöhung des durchschnittlichen Humankapitals um 0,054 Prozent einher. Das steigende Humankapital kann den Bevölkerungsrückgang also nur zu etwa einem Zwanzigstel ausgleichen.

Auswirkung auf Österreich

Was heißt das für Österreich, das starken Zuzug braucht und auch erfährt? Einerseits zählen Ausländer zu jenen, die in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit schnell ihre Jobs verlieren, andererseits wächst die Bevölkerung durch Migration – etwa aus östlichen Nachbarländern mit schrumpfender Bevölkerung. Dazu kommt: Die Fertilitätsrate sinkt auch hier. "Für Länder wie Österreich, die eine hohe Zuwanderung verzeichnen, ist es vor allem wichtig, in die Aus- und Weiterbildung dieser Migranten und Migrantinnen und deren Integration in den Arbeitsmarkt zu investieren." Auch hierzulande fehle diesbezüglich eine tragfähige Strategie, sagt Prettner. "Länder wie die USA haben eine gezielte Einwanderungsstrategie. Hätten die USA diese Zuwanderung nicht, wären sie technologisch nicht so weit." (Regina Bruckner, 12.3.2024)