Jimmy Chérizier mit Bandenmitgliedern.
Jimmy Chérizier fordert den Rücktritt des haitianischen Premiers.
AP/Odelyn Joseph

Seinen Spitznamen "Barbecue" habe er als Kind bekommen, sagt Jimmy Chérizier, weil er die Grillhühnchen seiner Mutter so gern gegessen habe. Doch es gibt noch die andere Version, der er selbst widerspricht: "Barbecue", heißt es, komme daher, dass er seine Gegner in Brand setze. Selbst wenn es nicht stimmt, sagt das trotzdem etwas über den mächtigen Bandenboss aus, der hauptverantwortlich dafür ist, dass Haiti einmal mehr im Chaos versinkt: Dem 1976 oder 1977 Geborenen traut man selbst die brutalsten Gräueltaten zu.

An diesem Ruf hat Chérizier eifrig gearbeitet. Dabei begann er seine berufliche Karriere auf der anderen Seite des Gesetzes. Mit seinen sieben älteren Geschwistern bei seiner Mutter in einem Slum in Port-au-Prince aufgewachsen – der Vater starb, als er fünf Jahre alt war –, trat er der Polizei bei. Es heißt, dass Chérizier dabei mit kriminellen Banden in Kontakt kam und schließlich Gefallen an deren Machenschaften fand. Er gilt als Drahtzieher des Massakers im Slum La Saline, bei dem 2018 71 Menschen ermordet wurden.

Seine Polizeimarke war er damit los, nun wechselte er auch offiziell die Seiten und wurde Anführer der "Revolutionären Kräfte G9-Familie und Verbündete". Im Dauerchaos in Haiti, in dem kriminelle Gruppierungen um die Macht im Land kämpfen, gilt die G9-Bandenvereinigung mittlerweile als die wohl stärkste Kraft.

Sanktionen von Uno und USA

Chérizier sieht sich als Revolutionär, der die Elite bekämpft, die sich am Staat bereichert, anstatt die vielen Probleme im "failed state" zu lösen. Doch die G9 selbst tragen durch Mord, Raub, Drogenhandel und vieles mehr erheblich zum Leid der Haitianer bei. Chérizier bestreitet, an den Gräueltaten beteiligt gewesen zu sein. Die Uno und die USA sehen das anders und haben Sanktionen gegen ihn verhängt.

Anfang März verbündeten sich die Banden nach einem Aufruf Chériziers mit dem Ziel, Interimspremier Ariel Henry zu stürzen. Sie werfen ihm – zu Recht – vor, sich an die Macht zu klammern. Die Gangster attackierten den Flughafen, Polizeistationen und Gefängnisse, befreiten dabei tausende Häftlinge. Sollte Henry, der sich derzeit im Ausland aufhält, zurückkehren, sollten ausländische Eingreiftruppen ins Land kommen, verspricht Chérizier einen Bürgerkrieg, "der in einem Genozid enden wird". Haiti, warnt er, wird entweder "ein Paradies oder die Hölle für uns alle". Derzeit schaut es nach Letzterem aus. (Kim Son Hoang, 10.3.2024)