Cillian Murphy umarmt Christopher Nolan und Emily Blunt reckt auch schon die Arme gen der
Cillian Murphy umarmt Christopher Nolan, und Emily Blunt reckt auch schon die Arme in Richtung der "Oppenheimer"-Produzentin Emma Thomas. Es war ein Freudenfest für das Physiker-Biopic.
EPA/CAROLINE BREHMAN

"Oppenheimer", nuschelte Al Pacino fast ins Mikrofon, als er den Oscar für den besten Film vergab. Ja, es war ein vorhersehbares Fest für das Atombombenbauer-Biopic. Wenig überraschend waren dann auch die Preise für Hauptdarsteller Cillian Murphy und Christopher Nolan, der seinen ersten Oscar als bester Regisseur erhielt. Robert Downey Jr. gewann für seine Nebenrolle als Oppenheimers Widersacher. Eine Rolle, die dem mit komödiantischem Talent gesegneten Schauspieler möglicherweise einen Karriereumschwung Richtung Drama in Aussicht stellt.

Video: Oscars 2024 – "Oppenheimer" als bester Film ausgezeichnet.
AFP

Kamera-, Filmmusik- und auch der Schnitt-Oscar gingen ebenfalls an das Physiker-Biopic. Schnittmeisterin Jennifer Lame nahm letzteren entgegen. Fast ironisch ist es, dass Lame einst mit Greta Gerwig und Noah Baumbach zusammenarbeitete ("Frances Ha"), dem Drehbuchteam von "Barbie". Denn das pinke Spektakel ist einer der Verlierer des Abends. Einzig Billie Eilish konnte sich gemeinsam mit Bruder Finneas O'Connell für "What Was I Made For" für Team "Barbie" einen Oscar sichern.

Gosling singt mit Slash

Neben einem nackten John Cena auf der Bühne war Ryan Goslings Auftritt mit dem Guns-N'-Roses-Gitarristen Slash der unbestreitbare Höhepunkt des recht schnell getakteten Abends. Seine "I'm Just Ken"-Performance hat alle ein wenig aufgeweckt, bestimmt auch den zeitweise schlummernden Martin Scorsese, dessen "Killers of the Flower Moon" im Übrigen auch vollkommen leer ausging. Skandal!

 Viermal "Poor Things"

Statt Lily Gladstone, der ersten potenziellen Oscargewinnerin mit indigenen Wurzeln, durfte sich Emma Stone freuen. Sie gewann für ihre Darstellung Bella Baxters in "Poor Things" die Kategorie der besten Hauptdarstellerin und hat damit auch Sandra Hüller ausgestochen. Sehr erfreulich ist, dass alle Ausstattungs-Oscars an das Frankenstein-Märchen gingen, denn das Kostümdesign von Holly Waddington ist himmlisch, ebenso wie das Maskenbild (Mark Coulier, Nadia Stacey und Josh Weston) und das Szenenbild (Shona Heath, Zsuzsa Mihalek und James Price).

Für "The Holdovers" gewinnt Da'Vine Joy Randolph den Oscar für die beste Nebenrolle, ebenfalls der einzige Goldbub für das Internatsdrama, das in den letzten Tagen mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert wurde.

Die Gewinner und Gewinnerinnen der Schauspielpreise: Robert Downey Jr. (Nebenrolle für
Die Gewinner und Gewinnerinnen der Schauspielpreise: Robert Downey Jr. (Nebenrolle "Oppenheimer"), Da'Vine Joy Randolph (Nebenrolle "The Holdovers"), Emma Stone gewann für ihre Hauptrolle in "Poor Things" ebenso wie Cillian Murphy für "Oppenheimer".
Jordan Strauss/Invision/AP

Glazers Gazakrieg-Statement

Eine schöne Überraschung war der Oscar für das beste Originaldrehbuch an "Anatomie eines Falls". Dieser helfe ihr über ihre Midlife-Krise hinweg, gestand die französische Regisseurin und Drehbuchautorin Justine Triet auf der Bühne. Sie gewann gemeinsam mit ihrem Partner Arthur Harari. Es ist der einzige Oscar für das Gerichtsdrama.

"The Zone of Interest"-Regisseur Jonathan Glazer, selbst Brite mit jüdischen Wurzeln, kritisierte die Instrumentalisierung des Holocaust als Rechtfertigungsgrund für die "Okkupation" Palästinas und betonte das Leid auf beiden Seiten. Dafür gab es Applaus, Tränen von seiner Hauptdarstellerin Sandra Hüller und einen Backlash auf Twitter alias X.

Sein beklemmender Holocaust-Film gewann den Oscar für den besten nichtenglischsprachigen Film sowie den Preis für das beste Sounddesign von Tarn Willers und Johnnie Burn. Absolut verdient. Die beiden bedankten sich dann auch dafür, dass sich die Academy den Film "angehört" habe. Glazers deutsche Schauspielstars Sandra Hüller und Christian Friedel durften aber leider nicht mit auf die Bühne – trotz Hüllers tollen Kleids.

Schick, aber leider keine Bühnenzeit für Sandra Hüller. Sie ging leer aus.
Schick, aber leider keine Bühnenzeit für Sandra Hüller. Sie ging leer aus.
GETTY IMAGES NORTH AMERICA/MARLE

Oscar für die Ukraine und ein Post von Trump

Mstyslav Chernov, der Regisseur von "20 Tage in Mariupol", nahm mit seinem Produktionsteam Michelle Mizner und Raney Aronson-Rath den ersten Oscar an die Ukraine entgegen. Er hätte sich gewünscht, diese Dokumentation niemals machen zu müssen, sagte er in einer weiteren politischen Rede des Abends: "Ich kann die Geschichte nicht ändern, aber wir können dafür sorgen, dass die Geschichte in Zukunft einen anderen Verlauf nimmt und die Wahrheit obsiegt. Kino formt Erinnerungen, und Erinnerungen formen Geschichte." Wohl ein Hinweis auf Putins verqueres Geschichtsbild, mit der er den Ukrainekrieg rechtfertigt. "20 Tage in Mariupol" zeigt eine Gruppe von ukrainischen Journalisten, die zu Beginn der russischen Invasion in der belagerten Stadt Mariupol festsitzen und versuchen, ihre Arbeit fortzusetzen.

Eine einzige Anspielung auf den nahenden US-Wahlkampf kam vom anfangs zurückhaltenden Host des Abends, Jimmy Kimmel. Er verlas einen echten (!) Kommentar Trumps, den dieser während der Oscargala auf seiner Social-Media-Plattform Truth Media gepostet hatte. "Solltest du nicht längst im Häfen sitzen?", erwiderte Kimmel frech.

Diesmal nur ein Preis für Netflix

Wes Anderson war zwar nicht für seinen tollen Film "Asteroid City" nominiert, dafür aber für seinen Kurzfilm "The Wonderful Story of Henry Sugar", der ihm – in Abwesenheit – seinen ersten Oscar einbrachte. Der einzige Sieg für Netflix in diesem Jahr. 2024 war denn auch ein Triumph für klassische Produktionsstudios wie Universal Pictures ("Oppenheimer"), Searchlight ("Poor Things") und A24 ("The Zone of Interest").

Doch nachdem die Oscars 2023 ein verrücktes, migrantisches Fest gewesen waren, stimmte die Academy heuer für das klassische, technikverliebte Kino mit maskulinem Touch, den Nolan wie kein anderer der heuer nominierten Regisseure ausstrahlt. ORF-Gast Alexander Horwath verglich den Briten gar mit seinem Landsmann David Lean. Epischer und grandioser geht es kaum.

Happy birthday, Yoko

"Happy mothers day, Yoko!" Sean Lennon, der am oscarprämierten Animationskurzfilm "War Is Over! Inspired by the Music of John & Yoko" mitgewirkt hat, wünschte seiner Mama alles Gute zum Muttertag, der in Großbritannien am 10. März ist. Lieb! Als bester Animationsfilm wurde dann "Der Junge und der Reiher" von Anime-Legende Hayao Miyazaki ausgezeichnet. Auch der Preis für die visuellen Effekte ging an Japan, das gebrochen Englisch sprechende Team von "Godzilla Minus One" – auf abstrakte Art ein japanischer Gegenentwurf zu "Oppenheimer", der in Japan bislang nicht im Kino gezeigt wurde – nahm den Preis entgegen.

Takashi Yamazaki, er gewann für die besten Effekte im japanischen Überraschungserfolg
Takashi Yamazaki, er gewann für die besten Effekte im japanischen Überraschungserfolg "Godzilla Minus One", Seite an Seite mit "Oppenheimer"-Regisseur Christopher Nolan.
GETTY IMAGES NORTH AMERICA/MIKE

Fazit: Es gab wenige Überraschungen, und nach dem herzigen Comeback-Feuerwerk, das letztes Jahr die Oscars dominierte, war es heuer eine etwas fade Veranstaltung, in der allerdings die Filme europäischer Regisseure dominierten: Christopher Nolan, Yorgos Lanthimos, Justine Triet und Jonathan Glazer.

Dank Glazers Statement und des anfangs kurioserweise nicht echt wirkenden Posts Donald Trumps – wieder ein Hinweis darauf, dass es sich umso eher um den Ex-Präsidenten handelt, je schräger die Sache ist – endete die Oscargala heuer schließlich doch mit zwei politischen Highlights, die nun in den sozialen Medien debattiert werden können. (Valerie Dirk, Jakob Thaller, 11.3.2024)