Schwarz-weiß Bild der Ruinen des Oktogon
Das Oktogon an der Kuretenstraße nach der Freilegung 1906. Hier wurde ein Skelett gefunden, das bis heute nicht eindeutig zugeordnet werden konnte.
Österreichisches Archäologisches Institut

Seit seiner Entdeckung Anfang des 20. Jahrhunderts stellt ein kleiner achteckiger Grabbau im Zentrum von Ephesos die Wissenschaft vor ein Rätsel. In dem Oktogon genannten Mausoleum befand sich das Skelett einer etwa 20-jährigen Frau, die mehr als 2.000 Jahre zuvor in dem Tempelbau beigesetzt worden war. Grabinschrift gab es keine, was die Zuordnung erschwerte und Raum für Spekulationen gab. Forschende vermuteten schon lange, dass es sich um Kleopatras kleine Schwester und Rivalin Arsinoë IV. handelte. Sie wurde in der Zeit, aus der das Monument stammt, in Ephesos ermordet und begraben. Zwei österreichische Archäologen legen nun dazu eine Reihe an Indizien vor – und fanden ihren Kopf in Wien.

Das Monument aus frühaugustinischer Zeit liegt in Ephesos an der Kuretenstraße, einer wichtigen Prozessionsstraße der Stadt. "Schon die Lage des Grabes reichte als Indiz aus, um die sterblichen Überreste der Frau einem hohen gesellschaftlichen Stand zuzuordnen", sagt Peter Scherrer vom Institut für Archäologie der Uni Graz. Scherrer und der Forensiker Ernst Rudolf waren bereits als Studierende bei den Grabungen in Ephesos in der Türkei beteiligt, Scherrer war von 1997 bis 2004 stellvertretender Grabungsleiter in Ephesos. Seit damals haben sich die beiden Archäologen mit der Frage beschäftigt, wer die Frau in dem prominenten Grab war.

Blick auf Gebäude und Ausgrabungen an einem Hang
Seit 1895 forschen Archäologen und Archäologinnen am Grabungsareal in Ephesos, bis heute unter der Leitung des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Uni Graz/Scherrer

Kampf um Herrschaft

Gemeinsam haben sie antike Quellen durchforstet, archäologische wie architektonische Anhaltspunkte gesammelt und historische Daten miteinander verknüpft. Die ungewöhnliche Gestalt des achteckigen Baus mit dreigeschoßigem Aufbau könnte demnach eine Anspielung auf den "Pharos", den antiken Leuchtturm von Alexandria sein, der als eines der Sieben Weltwunder bekannt geworden ist. "Damit könnte die Herkunft der Inhaberin des Grabes angedeutet worden sein", vermutete Scherrer.

Aus den bisherigen Befunden und Hinweisen sei es aus Sicht der beiden Forscher jedenfalls "so gut wie sicher", dass es sich um ein ptolemäisches Königinnengrab handelt. Da dränge sich die Geschichte der beiden königlichen Schwestern auf, die zur Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts um die Herrschaft in Ägypten kämpften: Die berühmte Kleopatra VII. und Arsinoë IV. Die beiden Frauen waren genau genommen Halbschwestern, sie hatten zwar unterschiedliche Mütter, aber denselben Vater, Ptolemaios XII.

Kleopatra ging aus dem Machtkampf als Siegerin hervor. Ihre jüngere Schwester (ihr genaues Geburtsjahr ist unbekannt) wurde von Julius Cäsar in seinem "Alexandrinischen Triumphzug" im Jahr 46 v. Chr. in Rom mitgeführt und anschließend in das Artemis-Heiligtum von Ephesos ins Exil geschickt. Dort wurde sie schließlich in Kleopatras Auftrag 41 v. Chr. ermordet.

Wiedergefundener Schädel

"Wir haben immer vermutet, dass die sterblichen Überreste in diesem Grab zu Arsinoë IV. gehören", sagt Scherrer. Ob es sich dabei tatsächlich um die Begräbnisstätte der jungen ptolemäischen Königin handelt, bleibt aber nach wie vor eine Vermutung. Ihre Erkenntnisse haben sie in einem Buch zusammengetragen, das am 14. März im Kunsthistorischen Museum präsentiert wird.

Eingang Graböffnung
Der Eingang zum Grab: Schon lange wird vermutet, dass hier Arsinoë IV. beigesetzt wurde.
Ernst Rudolf

Sicher ist, dass 1929 der Schädel der Frau aus der Grabkammer entnommen wurde und lange Zeit unauffindbar war. Nachdem sich Teile des originalen Mausoleums im Kunsthistorischen Museum in Wien befinden, haben sich die beiden Archäologen in der Bundeshauptstadt auf die Suche nach dem verschollen geglaubten Schädel gemacht. "Wir haben systematisch in Wiener Institutionen gesucht und sind schließlich in der Sammlung des Departements für Evolutionäre Anthropologie an der Uni Wien fündig geworden", erzählt Scherrer. Anhand von alten Fotos konnte der Schädel identifiziert werden.

Jetzt hofft man, dass sich im Felsenbein des Schädels ausreichend DNA befindet, um sie zu analysieren und mit anderen Mumien und Skeletten aus Ägypten zu vergleichen. Bisher habe sich aus den Skelettknochen keine verwertbare DNA gewinnen lassen, da Hangwasser diese nahezu ausgelöscht habe. "Gelingt es, die DNA von Arsinoë IV. zu entschlüsseln, könnten wir eines Tages vielleicht das Grab Kleopatras zweifelsfrei identifizieren", zeigt sich Rudolf optimistisch. Das Grab der Kleopatra (69 v. Chr. – 30 v. Chr.), der letzten Königin aus der mazedonisch-ptolemäischen Königsdynastie, ist nach wie vor unbekannt. (kri, APA, 12.3.2024)