Menschen in den USA demonstrieren gegen ein mögliches Tiktok-Verbot.
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Das US-Repräsentantenhaus hat am Mittwoch mit überwältigender Mehrheit einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der einen Verkauf von Tiktok erzwingen soll. Der chinesische Eigentümer der beliebten Videoplattform, die in Peking ansässige Softwarefirma Bytedance, hat nun sechs Monate Zeit, den Verkauf abzuwickeln, ansonsten droht ein Verbot in den USA. Der Gesetzesentwurf wurde mit 342 zu 65 Stimmen angenommen.

Das Schicksal von Tiktok ist seit einem Jahr ein heißes politisches Thema in Washington. Demokratische sowie republikanische Abgeordnete berichteten, ihre Büros hätten eine große Anzahl von Anrufen von jugendlichen Tiktok-Nutzerinnen und Nutzern erhalten, die sich gegen die Gesetzgebung aussprechen. Die Zahl der Beschwerden gegen das Gesetz habe zeitweise sogar die Anzahl jener Anrufe übertroffen, die einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas forderten.

Der Entwurf muss nun noch vom Senat angenommen und von Präsident Joe Biden unterzeichnet werden. Ob der Senat aber tatsächlich zustimmt, ist fraglich. Denn dort haben zahlreiche Mitglieder Bedenken geäußert. Deren Argumentation: Ein erzwungener Verkauf oder gar ein Verbot der Plattform würde die Redefreiheit von Millionen von Amerikanerinnen und Amerikanern einschränken. Schließlich benutzen 170 Millionen Menschen in den USA die App, um sich und ihre Ansichten auszudrücken. Auch der republikanische Ex-Präsident und voraussichtliche erneute Präsidentschaftskandidat Donald Trump stellte sich erst diese Woche gegen ein Tiktok-Verbot.

"Heute senden wir eine klare Botschaft, dass wir nicht dulden werden, dass unsere Gegner unsere Freiheiten gegen uns einsetzen", sagte die Abgeordnete Cathy McMorris Rodgers (Republikaner, Washington) vor der Abstimmung.

Beschwichtungsversuche halfen nicht

Tiktok hat in der Vergangenheit immer wieder versucht, die politischen Wogen zu glätten. Der Unternehmenssitz für die US-User wurde nach Los Angeles verlegt. Die Daten der Nutzerinnen und Nutzer würden ausschließlich auf amerikanischem Boden gespeichert und verarbeitet und nicht nach China übermittelt, betonte das Unternehmen immer wieder. Die Politik in Washington beeindruckte das offenbar wenig, immer wieder gab es Vorwürfe, die App werde als "Waffe" eingesetzt, um das amerikanische Volk auszuspionieren. Tiktok hat dagegen betont, dass es keine Daten weitergebe, auch nicht, wenn die Führung in Peking es anordnen würde. Das Unternehmen bestritt auch den Vorwurf der ausländischen Einmischung vehement.

Obwohl das Gesetz darauf abzielt, dass Bytedance einen Teil der Plattform verkaufen muss, stellt Tiktok den Entwurf als De-facto-Verbot dar: Es handle sich um "ein totales Verbot von TikTok in den Vereinigten Staaten", teilte das Unternehmen mit. Faire Argumente seien nicht zugelassen worden, das Ergebnis sei vorherbestimmt gewesen. "Die Regierung versucht, 170 Millionen Amerikaner ihres verfassungsmäßigen Rechts auf freie Meinungsäußerung zu berauben."

Peking droht mit "Ärger"

Peking kritisierte das Gesetzesvorhaben am Mittwoch als "Mobbingverhalten" und warnte in vager Form, dass dieses Vorgehen "den USA unvermeidlich noch Ärger bereiten" würde.

Im vergangenen März hatten die Abgeordneten des Repräsentantenhauses den CEO von Tiktok, Shou Zi Chew, zu einer umstrittenen Anhörung geladen. Der Vorstoß zum Verbot von Tiktok vor einem Jahr schien zu verpuffen: Demokraten kritisierten, dass die Meinungsäußerung in Gefahr sei, während republikanische Politiker argumentierten, dass die Regierung zu viel Macht ausübe, wenn sie einen immens populären digitalen Dienst einfach verbietet. Doch die Dynamik hat sich binnen der letzten Woche geändert, als die Vorsitzenden der Ausschüsse im Repräsentantenhaus einen neuen Anlauf ein er Gesetzgebung gegen Tiktok unternahmen, wie die "Washington Post" berichtet.

"Dies ist meine Botschaft an Tiktok: Trennen Sie sich von der Kommunistischen Partei Chinas, oder verlieren Sie den Zugang zu Ihren amerikanischen Nutzern", teilte Mike Gallagher (Republikaner, Wisconsin) mit.
Im Weißen Haus wurde betont, dass es nicht um ein Verbot von Tiktok gehe, sondern, dass die Videoplattform in den Besitz eines US-Unternehmens gelangt. "Wollen wir, dass Daten von Tiktok – Daten von Kindern und Erwachsenen – hier in Amerika bleiben oder nach China gehen?", fragte der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan die versammelten Journalistinnen und Journalisten bei einer Pressekonferenz.

Unter anderen hat sich der höchst umstrittene ehemalige CEO von Activision Blizzard, Bobby Kotick, als möglicher Käufer für Tiktok ins Spiel gebracht. (Peter Zellinger, 13.3.2024)