Ein Roboter, der Zeitung liest
Dieses Bild wurde mit der KI Midjourney erstellt. Der Prompt lautete: "illustration of a friendly looking robot, presenting newspapers, looking at the camera. --ar 3:2"
Midjourney/Der Standard

Ganze drei Jahre wurde gestritten und verhandelt, nun hat der AI Act mit der Abstimmung im EU-Parlament die letzte Hürde genommen. Von 618 Abgeordneten haben 523 dem KI-Regelwerk zugestimmt, es gab 46 Stimmen dagegen und 49 Enthaltungen. Verboten werden damit Anwendungen der künstlichen Intelligenz, die als "inakzeptables Risiko" eingestuft werden, wie etwa biometrische Massenüberwachung und Social Scoring.

Wobei der Begriff "verboten" mit Vorsicht zu genießen ist, wie mein Kollege Peter Zellinger am Tag der Abstimmung schrieb: Für die Exekutive gibt es auf Drängen der Mitgliedsstaaten nämlich sehr wohl etliche Ausnahmen, unter denen sie biometrische Fernidentifikation einsetzen können. So sollen Tatverdächtige besser verfolgt werden können, indem Gesichter der Menschen im öffentlichen Raum gescannt und deren Identität ermittelt wird. Datenschützer und NGOs sind davon naturgemäß alles andere als begeistert.

Mehr Sicherheit im Alltag

Im Alltag soll der AI Act unter anderem mehr Rechtssicherheit für Menschen bieten, die mit Tools der generativen KI arbeiten, wie der "Guardian" analysiert. So müssen die Anbieter Zusammenfassungen dazu offenlegen, mit welchen Daten ihre Modelle trainiert werden. Zuvor hatte die "New York Times" OpenAI auf Urheberrechtsverletzung geklagt, eine ähnliche Klage ging von Getty Images an Stability AI. Und diese Woche starteten drei Autoren eine Sammelklage gegen Nvidia.

Zudem muss deklariert werden, wenn ein Werk künstlich erstellt oder manipuliert wurde. Auch hier gibt es Ausnahmen: Weniger deutlich muss diese Kennzeichnung erfolgen, wenn es sich nachweislich um künstlerische oder satirische Werke handelt. Auch müssen via KI erstellte Texte gekennzeichnet werden, wenn sie der Information der Menschen dienen – es sei denn, der Text wurde noch von einem Menschen geprüft. Per KI generierte Fakes sind ein Thema, das auch diese Woche wieder für Aufregung sorgte: So waren auf Ebay zahlreichen KI-Deepfakes von angeblich nackten Prominenten aufgetaucht.

KI in der Wirtschaft: Es ist kompliziert

Nun stehen also die Spielregeln fest. Es sprießen fast täglich neue Tools aus dem Boden. Und zuletzt schrieben wir in diesem Newsletter, dass vor allem generative KI bedeutend zum Wirtschaftswachstum beitragen konnten. Für Unternehmen ist KI jedoch ein zweischneidiges Schwert: Sie fürchten Cyberangriffe, die deutlich schwerer als solche zu erkennen sind. Gleichzeitig wollen sie KI einsetzen, um ebendiese zu erkennen.

Auch wird zwar Potenzial für die Erhöhung der Produktivität gesehen, die Firmen hinken in der Fortbildung aber noch hinterher: Nur 52 Prozent der Unternehmen schulen ihre Mitarbeiter laut einer Linkedin-Umfrage in dieser Technologie. Und meine Kollegin Melanie Raidl erklärte diese Woche, warum 43 Prozent der HR-Chefs noch keine KI-Projekte in den Personalabteilungen gestartet haben: Die Entscheider haben noch Bedenken in puncto Datenschutz, Bias und diverser Fehler, welche die KI machen könnte.

Angebracht ist die Vorsicht auch aus anderen Gründen: So ergab die Studie eines Thinktanks namens Future of Work, dass sich der unsachgemäße Einsatz von KI und Tracking am Arbeitsplatz negativ auf das Wohlbefinden auswirken kann.

Update bei Midjourney

Inmitten der politischen Entwicklungen und wirtschaftlichen Prognosen hätte fast untergehen können, dass auch in der vergangenen Woche wieder diverse Tools vorgestellt, angekündigt oder ausgebaut wurden. Den großen Wurf machte diesmal die Bild-KI Midjourney, die nun Charakterkonsistenz in das Tool bringt. Das bedeutet, dass die gleiche virtuelle Person in verschiedenen Bildsituationen und Stilen immer wieder verwendet werden kann. Passend dazu unterbindet Midjourney nun auch Prompts, welche die Begriffe "Joe Biden" und "Donald Trump" beinhalten.

Weiters zweifeln wir zwar an, dass Elon Musk diesen Newsletter liest – es fällt aber auf, dass er nach der Kritik der vergangenen Woche nun plant, seinen KI-Bot Grok als Open-Source-Lösung zur Verfügung zu stellen. Zudem will der Multimilliardär gemeinsam mit Oracle-Chef Larry Ellison KI-Tools für die Landwirtschaft anbieten.

KI-Tool als Smartphone-Killer?

Neuigkeiten gibt es auch beim KI-Tool Rabbit R1, das derzeit entwickelt wird und vom dahinterstehenden Start-up als "Smartphone-Killer" angepriesen wird: Es soll hauptsächlich via Spracheingabe gesteuert werden und seine Umgebung über eine integrierte Kamera plus Bilderkennungssoftware analysieren. Googles Deepmind trainiert hingegen eine KI, die als virtueller Mitspieler bei Computerspielen agieren soll.

Wann das Rabbit R1 und der virtuelle Mitspielerersatz den Weg in den Massenmarkt finden, ist noch unklar. Angekündigt wurde aber diese Woche, dass OpenAIs potente Video-KI Sora noch in diesem Jahr öffentlich verfügbar sein soll. Wenn Sie sich bis dahin die Wartezeit sinnvoll vertreiben möchten, kann ich Ihnen meine Zusammenstellung von Browser-Alternativen für Android ans Herz legen. Viele von ihnen haben inzwischen nämlich KI-Chatbots integriert, darunter auch einen auf Basis des französischen Unternehmens Mistral AI. Also künstliche Intelligenz made in Europe. Und somit ein Anbieter, der die neuen Regeln sicher ernst nehmen wird. (Stefan Mey, 16.3.2024)