Wieder einmal haben uns die deutschen Nachbarn etwas voraus. In Frankfurt und Köln hängen heuer zum ersten Mal Ramadan-Lichter. Sobald uns die Nachricht erreichte, dass in deutschen Großstädten im muslimischen Fastenmonat ein paar leuchtende Sterne und Halbmonde sowie der Schriftzug "Happy Ramadan" aufgehängt werden sollen, richtete Bundesministerin für Frauen und Integration Susanne Raab via X (vormals Twitter) aus: "Eine Ramadan-Festbeleuchtung in Wien kommt für mich nicht infrage. Alleine die Forderung ist aus meiner Sicht ein Zeichen von falsch verstandener Toleranz und ein völlig falsches Signal. Menschen, die zu uns kommen und bei uns leben, müssen sich an die Werte der Mehrheitsgesellschaft anpassen und nicht umgekehrt. Auch das ist Teil einer gelebten Leitkultur, wie bereits im Österreich-Plan von Karl Nehammer festgelegt."

Wirtschaftsfaktor

Ministerin Raab argumentiert hier auf mehreren Ebenen. Sie sagt zunächst, die Beleuchtung kommt für sie nicht infrage. Nun, genau genommen müsste sie auch nicht darüber entscheiden. In Wien ist die MA 33 für "Beleuchtung und ansprechendes Lichtdesign auf Wiens Straßen und öffentlichen Plätzen" zuständig. Die Finanzierung der Weihnachtsbeleuchtung, denn diese wäre wohl "unsere" Entsprechung zu den abgelehnten Ramadan-Lichtern, wird in der österreichischen Hauptstadt von der Wirtschaftskammer Wien und der Stadt Wien übernommen. Das festliche Beleuchten der Einkaufsstraßen hat nämlich vor allem auch wirtschaftliche Bedeutung. Die Lichtinstallationen sollen die Menschen zum vorweihnachtlichen Shoppen motivieren. Auch im Ausland wird eine Adventreise nach Wien als besonders stimmungsvolles Erlebnis beworben, natürlich auch in nichtkatholischen Ländern.

Am 5. März 2024 wurde in Frankfurt Ramadan-Beleuchtung aufgehängt.
REUTERS/Timm Reichert

Die Forderung nach einer Ramadan-Beleuchtung, von der die Ministerin Raab vermutlich spricht, kam von der Wiener Kleinstpartei SÖZ, die in Wien-Favoriten gerne die entsprechende Beleuchtung sehen würde. Weitere Bemühungen über eine Presseaussendung hinaus gab es bisher nicht. In Köln und Frankfurt wurde die Beleuchtung von privaten Vereinen finanziert und organisiert. In Wien würde sich ein ähnliches Vorhaben vermutlich auch verwirklichen lassen. Gut vorstellbarer wäre es aber, dass viele Handelstreibende in Wien nichts dagegen hätten, wenn die Ramadan-Beleuchtung ein paar Konsumentinnen mehr in die Einkaufsstraßen locken würde. Doch bisher ist keine Initiative, die sich ernsthaft dafür einsetzt, bekannt geworden.

Video: Erste öffentliche Ramadan-Beleuchtung erstrahlt in Frankfurt
AFP

Signalwirkung

In Wien leben einer Statistik aus dem Jahr 2022 rund 200.000 Musliminnen und Muslime. In Frankfurt und Köln übrigens jeweils rund 120.000. Ob tatsächlich alle gläubig sind, ob sie fasten, was sie mit dem Ramadan-Monat verbinden und welche Traditionen sie pflegen, wissen wir nicht. Hier wird es eine ähnliche Vielfalt geben wie unter anderen religiösen Gemeinschaften. Es wäre aber bestimmt kein falsches Signal, diese diverse Menschengruppe anzusprechen. Im Gegenteil: Es wäre ein richtiges und wichtiges Zeichen für eine multikulturelle Stadt wie Wien, den heiligen Monat der Muslime im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Es wäre genauso ein gutes und notwendiges Zeichen der Zusammen- und Dazugehörigkeit wie das jährliche Anzünden des achtarmigen Chanukka-Leuchters auf dem Stock-im-Eisen-Platz in Wien.

Es wirkt fast bizarr, dass die Weihnachtsbeleuchtung im katholischen Advent zu "unseren Werten" zählen soll, während andere Lichter, zu einem anderen Zeitpunkt, explizit abgelehnt werden. Das passt weder zu einer vielfältigen Stadt wie Wien noch zu einem säkularen Staat, in dem Religion eigentlich Privatsache sein sollte. Dass es in Österreich nicht so ist und zum Beispiel in Schule auch "richtige" religiöse Symbole wie das Kreuz hängen, wissen wir alle. Die österreichische Rechtsordnung ist allerdings religiös neutral und identifiziert sich mit keiner bestimmten Kirche. Der Katholizismus ist selbstverständlich keine Staatsreligion, und die statistische Realität sah im Jahre 2021 so aus: 4,9 Millionen Menschen (also rund 55 Prozent der Bevölkerung) waren 2021 Mitglieder der römisch-katholischen Kirche, rund 340.300 Personen, 3,8 Prozent waren evangelisch. Zur orthodox-christlichen Kirchen bekannten sich 436.700 Personen, also rund 4,9 Prozent der Bevölkerung. 745.600 Personen (8,3 Prozent der Bevölkerung) fühlten sich dem Islam zugehörig.

Statt populistischer und vor Vorwahlkampf getriebener Parolen über "unsere Werte" zu platzieren, könnte man als Politiker und Politikerin eines demokratischen Staates der Realität der religiösen Vielfalt Rechnung tragen und höfliche Feiertagsgrüße an alle, die sich angesprochen fühlen, absetzen – oder einfach schweigen. Man kann dem Revival des Religiösen im 21. Jahrhundert natürlich durchaus kritisch gegenüberstehen. Aber in einer demokratischen Gesellschaft müsste diese Kritik oder gar Ablehnung in alle Richtungen gleichmäßig verteilt sein. Alles andere ist gefährlicher, spalterischer Populismus. Und es wundert nicht, dass der ehemalige FPÖ-Chef einen Tag nach Susanne Raab die fast wortgleiche Botschaft auf seinen Kanälen verbreitete.

Ähnliche Argumente wie jene Straches waren in den vergangenen Tagen auch in sozialen Medien und in Kommentarspalten zu lesen. Unter den Stichworten Gastfreundschaft, Leitkultur und Werte verbirgt sich auch diesmal Ablehnung, Misstrauen, Rassismus und ein große Portion Unwissen. Neben dem Kampf gegen die angebliche Abschaffung des Nikolo-Festes und die Umbenennung der Weihnachts- und Christkindlmärkte haben die Rechtspopulisten und Rechtsextremen mit der Ramadan-Beleuchtung ein neues Thema aus der Reihe "Verteidigung des christlichen Abendlandes" gefunden. (Olivera Stajić, 15.3.2024)