Techno aus Berlin (hier die Love Parade von oben) wurde von der Unseco zum deutschen Kulturerbe erklärt.
Techno aus Berlin (hier die Love Parade von oben) wurde von der Unseco zum deutschen Kulturerbe erklärt.
imago images/Contrast/Behrend

Folgt man der Idee, dass Subkulturen dann vorbei sind, wenn sie ins Museum kommen oder von der Hochkultur absorbiert werden, ist Techno nun endgültig tot. Denn jetzt wurde Berliner Techno von der Unesco zum immateriellen Kulturerbe erklärt. Wenn also irgendwo "Nzz, nzz, nzz" aus Lautsprechern oder Kopfhörern böllert, gilt es nun, nicht mehr gleich ein Schnoferl zu ziehen, es ist ab sofort amtlicherweise Kulturverständnis gefordert.

Die Entscheidung ist völlig gerechtfertigt. Techno ist eine, wie es so schön heißt, gelebte Kulturtechnik und war beim Berliner Mauerfall 1989 und danach die dominante, den folgenden Aufbruch begleitende Musik. Zuerst auf illegalen Raves gefeiert, wurde Techno binnen weniger Jahre zum Massenphänomen, das mit der Love Parade ein Aushängeschild erhielt.

Waren auf der ersten Love Parade im Juli 1989 gerade 150 Leute, gaben sich zehn Jahre später 1,5 Millionen diese Party. Die ursprünglich als politische Demonstration angemeldete Parade war zum norddeutschen Gegenstück des Karnevals in Rio angeschwollen. Sie stand für harte Beats und zumindest vordergründig für Vielfalt und Weltoffenheit: für Friede, Freude, Eierkuchen, wie das Motto ursprünglich lautete.

Dämlicher Smiley

Zehn Jahre später war das Genre vollständig kommerzialisiert – und bei XTC dachte kaum noch jemand an die gleichnamige britische Band, sondern an die mit Techno aufgekommene Partydroge, visualisiert oft über einen zart dämlichen Smiley.

Die Technokultur nutzte die durch den Mauerfall und den Zerfall des Ostblocks entstandenen Freiräume und etablierte auf dem Terrain einstiger Oppression ein Gefühl der Freiheit – zumindest für eine lange Nacht, manchmal länger. Das strenge, monotone, von Kritikern irrlichternd in die Nähe des Faschismus gerückte und als mindestens teutonisch eingeschätzte Fach wurde und wird bis heute mit Berlin assoziiert; mit dem Club Berghain erhielt es zudem einen Tempel für die Anhänger des Bummbumms.

Und man muss eines festhalten: Im Vergleich zu den nun ebenfalls als Kulturerbe ausgerufenen Errungenschaften wie "Bergsteigen in Sachsen", der "Finsterwalder Sangestradition in Brandenburg", dem "Kirchseeoner Perchtenlauf" in Bayern, der "Schwälmer Weißstickerei" aus Hessen oder der "Weinbereitung aus Äpfeln, Birnen oder Quitten" im moselfränkischen Raum ist Berliner Techno schon um einiges geiler. "Nzz, nzz, nzz." (Karl Fluch, 15.3.2024)