Emmanuel Macron, Olaf Scholz und Donald Tusk (v.l.n.r.)
Nach den jüngsten deutsch-französischen Spannungen wollten Emmanuel Macron, Olaf Scholz und Donald Tusk (v. li.) ein Bild der Einigkeit abgeben.
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Im Schatten der aktuellen Debatte über die Politik gegenüber Russland kamen am Freitag in Berlin die Spitzen des sogenannten Weimarer Dreiecks zusammen. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der polnische Premierminister Donald Tusk sprachen dabei vor allem über weitere Hilfe für die Ukraine bei der Verteidigung gegen den russischen Aggressor.

Nach dem Treffen erklärte Gastgeber Scholz, alle drei Länder hätten sich auf eine intensivere Zusammenarbeit bei der militärischen Unterstützung für Kiew geeinigt. "Unter anderem werden wir ab sofort noch mehr Waffen für die Ukraine beschaffen – und zwar auf dem gesamten Weltmarkt", so Scholz. Darüber hinaus soll die Produktion von Militärgeräten ausgebaut werden, auch durch Zusammenarbeit mit Partnern in der Ukraine. Im Rahmen des Ramstein-Formats werde zudem eine neue Koalition für weitreichende Raketenartillerie gebildet.

Emmanuel Macron erklärte einmal mehr, die drei Regierungen würden alles tun, "damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann". Unter anderem verwies Macron außerdem auf die Zusammenarbeit bei der Cyberverteidigung, Minenräumung und auf die Unterstützung der Republik Moldau, die sich von Russland in besonderem Maße bedroht sieht. Macron stellte auch die Frage, "mit welchen Mitteln wir die Unterstützung der Ukraine finanzieren können", was als Anspielung auf die Debatte über die erneute Aufnahme gemeinsamer Schulden interpretiert wurde.

Die drei Länder wollten jedoch keine Eskalation, betonte Macron. Auch das heiße, "dass wir einig bleiben müssen". Und genau diese Einigkeit sei bei dem Treffen letztlich gezeigt worden, sagte Polens Premier Donald Tusk: "Heute haben wir wirklich mit einer Stimme gesprochen, vor allem über die Sicherheit unseres Kontinents. Wir sind wirklich einer Meinung."

"Weimar" als Kitt zwischen Berlin und Paris

Dass in Berlin so demonstrativ an einem Strang gezogen wurde, lag offensichtlich auch an den Spannungen, die zuletzt zwischen Scholz und Macron sichtbar geworden waren. Macron hatte ja den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht ausgeschlossen, Scholz wiederum hatte die Idee mehrfach energisch zurückgewiesen: "Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden", so das Mantra des Sozialdemokraten.

Scholz gilt zudem wegen seiner Weigerung, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, auch in Deutschland als Zauderer – sowohl bei der oppositionellen Union als auch innerhalb der eigenen Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Macron wiederum muss sich Kritik gefallen lassen, sein Vorstoß beim Thema Bodentruppen sei mit Deutschland und den anderen europäischen Partnern nicht abgesprochen gewesen, was den Westen nur unnötig spalte. Zudem ist die deutsche Militärhilfe für die Ukraine weitaus höher als jene aus dem wirtschaftlich schwächeren Frankreich.

Polens Premier Donald Tusk wiederum trat als Regierungschef jenes Landes auf, das seit Kriegsbeginn zu den engagiertesten Unterstützern der Ukraine zählt. Insofern galt die Begegnung schon vorab als dazu geeignet, die zuletzt kolportierten Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich auszubügeln. Deutsche Diplomaten bezeichneten das Treffen im Format des Weimarer Dreiecks gar als "gesichtswahrende Lösung" für Macron, nach Berlin zu kommen und sich mit Scholz auszusprechen. Das Weimarer Dreieck, das 1991 ins Leben gerufen wurde, um Polen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs enger an die großen westeuropäischen Länder Deutschland und Frankreich heranzuführen, hätte so gesehen eine neue Rolle im diplomatischen Betrieb eingenommen.

"Existenzielle Bedrohung"

Einen echten Rückzieher machte Macron freilich nicht. Erst am Donnerstag hatte er im französischen Fernsehen bestätigt, dass er "keine Option ausschließen" will – und damit auf eine Journalistenfrage geantwortet, ob er die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine unter Umständen wirklich in Betracht ziehe.

"Wir haben uns selber zu viele Grenzen auferlegt, während sich das Regime im Kreml an keine Beschränkungen hält", wiederholte der französische Präsident nach seinen umstrittenen Aussagen Ende Februar. Das "Kreml-Regime" – Macron vermied den Namen Putin meist – stelle für die Europäer eine "existenzielle Bedrohung" dar. Moskau bekämpfe den Westen schon heute mit Cyberattacken und hybriden Waffen wie dem Gaspreis oder Getreidesperren.

Russland sei eine "Macht der Destabilisierung", sagte Macron und warf Putin auch vor, dabei sogar die atomare Abschreckung als "Instrument" einzusetzen. Zur Verwendung der französischen Force de Frappe äußerte sich Macron sehr zurückhaltend: "Darüber spricht man so wenig wie möglich." Frankreich sei eine "Friedensmacht", betonte er vielmehr. "Wir werden nie eine Offensive starten oder sonst die Initiative ergreifen."

Aber, betonte Macron: "Wir sind auch nicht schwach." Frankreich baue seine Rüstungsindustrie aus und erstelle derzeit eine neue Fertigungslinie für Caesar-Kanonen. Auch in der Ukraine selbst baue Frankreich an der Rüstungsproduktion mit. Verhandlungen schließt der französische Präsident ebenfalls nicht aus. Sie machten aber keinen Sinn, wenn die andere Seite lüge und nicht wirklich Frieden wolle, so Macron. Deshalb telefoniere er auch nicht mehr mit dem russischen Präsidenten. (Stefan Brändle aus Paris, Gerald Schubert, 15.3.2024)