Zwei Leinwände, ein kleiner Tisch mit rotem Samtsessel, einige Becher, ein fader Blumentopf. Gutes Theater braucht nicht viel außer eine gute Geschichte. Die Geschichte, die Regisseur und Autor Calle Fuhr am Samstagabend erstmals im Volkstheater erzählte, ist nicht erfunden, denn "Aufstieg und Fall des Herrn René Benko" ist eine Kooperation mit den Investigativprofis der "Dossier"-Redaktion.

Warum soll man sich einen Theaterabend über die größte Pleite der Zweiten Republik ansehen, wenn man überall Artikel darüber lesen oder Podcasts hören kann? Weil man im Theater nichts weiterswipen, wegklicken oder unterbrechen kann. Weil es Geschichten gibt, denen man seine ungeteilte Aufmerksamkeit auch eineinhalb Stunden lang widmen sollte. Weil sie etwa das eigene (Steuer-)Geld betreffen und man sie daher tieferschürfend begutachten sollte. Aufklärerisch sind auch Theaterprojekte von Milo Rau oder Rimini Protokoll.

Calle Fuhr in
Calle Fuhr in "Aufstieg und Stieg des Herrn René Benko".
Foto: Marcel Urlaub/Volkstheater

Doch hier geht es konkret um die Hochzeit von investigativem Journalismus und Theater. Die Bühne als Verstärker ist nicht mehr ungewöhnlich und funktioniert, wie schon in Fuhrs Stück "Die Redaktion" gemeinsam mit "Dossier". Das hat im Jänner auch die live gestreamte szenische Lesung am Berliner Ensemble über das Rechtsextremistentreffen bei Potsdam gezeigt. Sie war zuletzt mit ein Auslöser für Millionen von Demonstrierenden in Deutschland.

"Retter" der Innenstädte

Aber zurück zu Benko, der vom vermeintlichen "Retter" der Innenstädte und schwächelnder Kaufhausketten zum schweigenden Gefallenen wurde. Wie seine dubiosen Immobiliendeals Zigtausenden den Job und alle Steuerzahlenden sehr viel Geld kosteten, bekommt man im Volkstheater anschaulich erklärt. Calle Fuhr führt dabei wie ein Gameshow-Moderator kurzweilig durch den Abend.

Fuhr baut mit hohlen Bechern eine Pyramide, auf deren wackeliger Spitze die vermeintlich milliardenschwere Konzernmutter der Signa thront, oder verschiebt mit neun der Becher im Hütchenspiel Millionen. Tarnen und Täuschen mit System. Und er erzählt mehr von den prominenten Beiräten, die sich im Aufsichtsrat selbst "kontrolliert" haben. Dass er einen davon optisch mit Frankenstein vergleicht, ist – aus journalistischer Sicht – schlicht unnötig. Aber es ist ein Theaterabend.

In eingespielten Videos (Lisa Rodlauer) geben Ashwien Sankholkar, Florian Skrabal, Julia Herrnböck und Georg Eckelsberger aus der "Dossier"-Redaktion als Banken oder falsche Gutachter Archetypen des Kapitalismus und taucht Volkstheater-Direktor Kay Voges als Bauarbeiter auf.

Für die Finanztricks mit Zahlen schlüpft Calle Fuhr in die Rolle seines früheren Mathelehrers Herr Hauke, der auf Rheinländisch vorrechnet, wie die "Sischna" mit künstlich überhöhten Mieten den Wert einer Immobilie steigert. Was man auch lernt: Traue keinem Gutachten, das du nicht selbst erstellt hast.

Schweigende Investoren

Fuhr erzählt, dass er den Blumentopf aus dem Signa-Nachlass ersteigert hat, um mit Benko ins Gespräch zu kommen. Doch der und seine einstigen Investoren schweigen. Einer soll immerhin einen Anwalt ins Publikum geschickt haben. "Dein Mandant hat meine Mailadresse, er kann mir gern schreiben. Ich baue es dann hier ein", ruft ihm Fuhr von der Bühne zu.

Am Ende meint Fuhr, man solle nicht nur schadenfroh über Benkos Fall sein. Doch im Publikum hat sich eher etwas wie Fassungslosigkeit und Wut breitgemacht. So dreist kann man Millionen von Steuergeldern verbrennen? Man kann.

Vielleicht würde es aber schwieriger, würden drei Forderungen, die Fuhr am Ende präsentiert, realisiert: erstens höhere Strafen bei der Verschleppung von Konzernabschlüssen und mit ihrem Privatvermögen haftende Geschäftsführer, zweitens keine Aufsichtsräte, die sich selbst "kontrollieren", und drittens weitgehende Transparenz, sobald Steuergeld in einen Konzern gepumpt wird. Standing Ovations. Man darf Theater nicht als elitären geschützten Raum unterschätzen. (Colette M. Schmidt, 17.3.2024)