Über Jahrzehnte verkaufte Ikea Lebensgefühl. Nun will der schwedische Möbelriese Kunden mit niedrigeren Preisen locken. Bis August sollen 8.000 der insgesamt 12.000 Artikel um durchschnittlich 15 Prozent günstiger zu haben sein als im Jahr davor, lässt Ikea-Österreich-Chef Alpaslan Deliloglu wissen. Dem Vor-Corona-Preisniveau werde man sich bis Sommer 2025 annähern.

Ikea dreht an der Preisschraube – erst in die eine, dann in die andere Richtung. An ausreichend Spielraum dafür fehlt es dem Konzern nicht.
REUTERS/YVES HERMAN

Zuvor hat Ikea die Preise mit Blick auf die Folgen der Pandemie und des Ukrainekrieges freilich kräftig angehoben, was Ertrag und Umsatz trotz höherer Ausgaben für Energie, Logistik und Produktion sprudeln ließ. International verfünffachte sich der Gewinn der Möbelgruppe, die sich gerne jenen andient, die oft knapp bei Kassa sind: Ersteinrichter, Jungfamilien und Single-Haushalte.

Zahlt der Konzern die Preissenkung aus der Portokasse, zumal er im abgelaufenen Geschäftsjahr auch in Österreich gut verdient hat? Ikea investiere dafür hierzulande immerhin 70 Millionen Euro, sagt Deliloglu. Abstriche müssen die Schweden dadurch aber auch künftig nicht machen: Deliloglu spricht von steigenden Verkaufszahlen seit September.

Schwer vergleichbar

Ob das Preis-Leistungs-Verhältnis des Sortiments stimmt, lässt sich für Laien schwer beurteilen. Vergleichbare Konkurrenzprodukte fehlen, was Ikea bei der Kalkulation freie Hand gibt. Der Konzern hat zudem die gesamte Wertschöpfungskette im Griff, vom rohen Holz bis zum Schneidbrett im Regal. Auch das erlaubt preislichen Spielraum, von dem andere Händler nur träumen können. Auf gleicher Fläche setzt Ikea Marktkennern zufolge gut 2,5 Mal mehr um als klassische Einrichtungshändler.

4,7 Milliarden Euro gaben die Österreicher 2023 für Einrichtung aus, um 500 Millionen Euro weniger als im Jahr zuvor, erhob Marktforscher Branchenradar. Hohe Zinsen, fehlende Neubauten, weniger Eigentumswohnungen bremsten die Ausgaben für neues Interieur. Die mehr als 200 Millionen Euro Umsatz, die sich durch die Pleite von Kika und Leiner auf den Markt verteilten, rannen der verbliebenen Konkurrenz durch die Finger.

Branche im Umbruch

Schwach blieben auch die vergangenen Monate, zieht Christian Wimmer Bilanz. Der Chef der Einkaufsverbände Garant und Wohnunion rechnet bis Jahresende mit weiteren Umsatzrückgängen von fünf bis acht Prozent. Der Markt bereinigt sich in allen Sparten. Die Handelskette Interio ist insolvent. Wohnaccessoire-Anbieter Depot meldete die Hälfte der 400 Beschäftigten zur Kündigung an. Küchenstudios gaben still und leise auf. Lieferanten sehen auch Anbieter auf großer Möbelfläche massiv leiden.

Ein Katastrophenjahr für die Branche macht Marktforscher Wolfgang Richter dennoch nicht aus. Viele Turbulenzen seien veralteten Betriebstypen auf zu dichter Verkaufsfläche geschuldet, sagt der Regiodata-Chef. Diskonter wie Action und Internetriesen wie Temu setzten Anbietern von Kleinmöbeln und Wohndekoration mehr zu als die Nachwehen der hohen Inflation und fehlende Häuslbauer. Und seit vielen Jahren schon zeichne sich ab, dass Konsumenten Geld lieber für unmittelbaren Genuss lockermachten als für langfristige Investitionen.

Ikea-Chef Deliloglu bekundet kein Interesse an Möbelhäusern, aus denen Kika und Leiner auszogen. Er schließt im STANDARD-Gespräch aber nicht aus, sich des einen oder anderen Standorts anzunehmen, den die Konkurrenz in Zukunft aufgeben könnte. Ein Viertel des Umsatzes erzielt Ikea online. Dass der Internethandel geringere Erträge abwirft als stationäre Geschäfte, störe ihn ebenso wenig wie Verluste auf der letzten Meile: Profitabilität sei hier zweitrangig. Ziel sei, so viele Kunden wie möglich zu erreichen. (Verena Kainrath, 20.3.2024)