St. Pölten – Am Samstag jährt sich die Angelobung der niederösterreichischen Landesregierung zum ersten Mal. Seither arbeiten ÖVP und FPÖ ihr Regierungsprogramm im Alleingang ab. Vertreterinnen und Vertreter von Fridays for Future, SOS Mitmensch und der zivilgesellschaftlichen Initiative "#zusammenHaltNÖ" warnen anlässlich des schwarz-blauen Jahrestages vor Versäumnissen in Sachen Klimaschutz. Es brauche laut der Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb eine "mutige Landesregierung", die gezielt Maßnahmen im Klimaschutz setze. Dies sei aber aktuell in Niederösterreich nicht der Fall.

"Es braucht mehr Radwege statt mehr Straßen. Es braucht mehr Windräder statt mehr Gasbohrungen. Es braucht mehr Öffis statt mehr Individualverkehr", sagt Kromp-Kolb bei einem Pressetermin. Begrüßenswerte Maßnahmen vonseiten der Landesregierung beim Thema Klimaschutz gebe es zwar, "es sind aber zu wenige. Das volle Potenzial wird in Niederösterreich bei weitem noch nicht ausgeschöpft".

Windräder im Waldviertel

Ein Problem sieht die Forscherin in mangelnder Information, die der Bevölkerung zugänglich ist. Als Beispiel nennt sie die erst kürzlich stattgefundenen Volksbefragungen im Waldviertel zum Bau von 18 Windrädern, DER STANDARD berichtete. Dort sei viel gegen die Windräder kampagnisiert worden – wissenschaftliche Fakten zu erneuerbaren Energien seien untergegangen. Für demokratische Entscheidungen in puncto Klimaschutz ist es für Kromp-Kolb aber essenziell, dass die Bevölkerung gut informiert ist.

Die ÖVP reagierte auf die Kritik mit Unverständnis. Das "linke Panikorchester trifft keinen Ton" meint Landesgeschäftsführer Matthias Zauner (ÖVP), denn die Landesregierung treibe den Ausbau der erneuerbaren Energien engagiert voran. "Wir betreiben eine Politik mit Hausverstand und Vernunft und bringen damit Niederösterreich weiter“, sagt Zauner.

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) koaliert mit ihrer Partei seit 23. März 2023 mit der FPÖ.
APA/HELMUT FOHRINGER

Politikwissenschafterin Gundi Dick betont wie Kromp-Kolb, dass es fundierte Informationen zum Klimaschutz für die Bevölkerung brauche – die niederösterreichische Bevölkerung könne sich aber nicht darauf verlassen, von der Landesregierung korrekt informiert zu werden. Mit Blick auf den Asylbereich meinte sie: "Wir sind konfrontiert mit Zahlentricksereien und irreführenden Informationen, das beschädigt Demokratie und Rechtsstaat." Ihre Kritik bezieht Dick auf zitierte Zahlen im Asylbereich von Landtagspräsident Gottfried Waldhäusl (FPÖ), die laut der Politologin falsch wiedergegeben wurden.

Dass in der FPÖ Personen "mit Nähe zu Rechtsextremismus" aktiv seien, ist für Dick ein "unhaltbarer Zustand". "Wir erleben, dass sich die Spitze der Landespolitik an die Rhetorik der Spaltung der extremen Rechten teilweise angepasst hat", betont wiederum Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.

Ungenutztes Potenzial bei Wind und Solar

Johanna Frühwald von Fridays for Future Niederösterreich forderte eine Kursänderung bei der Bodenversiegelung und beim Straßenbau. Der Ausbau der Windkraft gehe zu langsam vonstatten. Niederösterreich verpasse angesichts ungenutzter Potenziale für Wind und Solar die Chance, zur "Energiehochburg Österreichs" zu werden.

Schon bei Amtsantritt musste sich die schwarz-blaue Koalition heftige Kritik gefallen lassen. Im Kulturbereich wurde etwa im vergangenen Jahr von einem "finsteren politischen Kapitel" gesprochen. Skeptisch betrachtet wurde vor allem der Corona-Fonds, der die Rückzahlung von verfassungswidrigen Corona-Strafen vorsieht. Das Projekt wurde im ersten Regierungsjahr bereits umgesetzt: Bis Ende 2023 wurden 2,6 Millionen Euro aus dem Fonds ausbezahlt. (ste, APA, 21.3.2024)