Ist die Stoppelglatze natürlich oder tätowiert?
Ist die Stoppelglatze natürlich oder tätowiert?
Getty Images

Egal ob auf Instagram oder im echten Leben – überall sieht man sie: Männer mit Stoppelglatze. So weit, so ungewöhnlich. Auffällig ist jedoch, dass der Haaransatz oft entlang einer akkuraten Linie verläuft. Wer sich beim Anblick dessen fragt, ob so viel Perfektion natürlich sein kann, hat den richtigen Riecher. Oft sind die Stoppelglatzen nämlich menschengemacht. Mikrohaarpigmentierung oder Scalp Tricho Pigmentation (STP) nennt sich das Ganze. Dabei handelt es sich um eine Art Tattoo, das so aussieht wie ein kahlgeschorener Kopf. Dass sich auf diesem aber kaum oder gar keine Haare mehr befinden, wird durch die unter die Haut gestochenen "Stoppeln" kaschiert. Das Prozedere ist eine günstigere und weniger aufwendigere Alternative zur Haartransplantation. Sind die Tattoos der neue Trend im Umgang mit Haarausfall?

"In den USA ist diese Behandlung schon seit Jahren beliebt. In Europa ist sie seit kurzem aber auch stark im Kommen", erklärt Elena, die STP-Expertin bei der Moser Medical Group. Doch die Kunden seien noch immer skeptisch, ob die gestochenen Härchen denn wirklich echt aussähen. Natürlichkeit ist hierzulande also gefragt. Was hat es dann mit den perfekten Haaransätzen auf sich? Die werden in der Branche "Puerto Rican hairlines" genannt, sagt die Fachfrau von Moser Medical, weil dieser Stil vor allem bei lateinamerikanischen Männern beliebt sei. "Ich würde das meinen Kunden aber nicht empfehlen", fügt sie an.

STP-Expertin Elena bei der Arbeit
STP-Expertin Elena bei der Arbeit
Moser Medical

Wer sich für eine Mikrohaarpigmentierung bei Moser Medical entscheidet, sollte sich pro Termin jeweils drei bis sechs Stunden Zeit nehmen – je nach Areal, das behandelt wird. Drei Sitzungen sind es aber immer, unabhängig von der Fläche. "Beim ersten Mal setze ich die 'Punkte' bewusst weiter auseinander. Nach vier Wochen ist alles abgeheilt, und man sieht, wie die Haut auf die Farbe reagiert hat. Manchmal werden die Punkte ein bisschen breiter", sagt Elena. Würde sie gleich in der ersten Sitzung die Stoppeln zu dicht setzen, könnten diese dann ineinander verschwimmen, erklärt die STP-Expertin. Wer sich bei der Moser Medical Group den ganzen Kopf pigmentieren lassen möchte, muss dafür 2.300 bis 4.000 Euro budgetieren.

Verpfuschte Stoppelglatze und weibliche Kundschaft

Die Farbe könne sie ganz individuell auf den Haarton ihrer Kundschaft abstimmen, erklärt Kotiya. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Tattoo würde die Haarpigmentierung nicht den charakteristischen grün-blauen Farbton annehmen, sondern nach spätestens vier Jahren ausklingen. "Das ist gut so, weil sich Haarfarbe oder die kahle Stellen mit der Zeit verändern. Und somit auch die Bedürfnisse der Kunden", sagt Elena. Sie ist bereits seit Jahren Expertin für Permanent Make-up, hat sich auf "optische Täuschungen" spezialisiert, und so umfasst ihr Spektrum auch die Haarpigmentierung. Sie kritisiert, dass die Ausbildung für Permanent Make-up nur zwei Tage dauert. "Danach könnte man theoretisch schon Kunden behandeln", erklärt die Fachfrau. Sie selbst habe viele, umfassende Aus- und Weiterbildungen absolviert und davor auch viele Stunden an einer speziellen Latexhaut geübt. Andere nehmen es da nicht so genau. Immer wieder kommen Menschen zu ihr, die ein verpfuschtes Ergebnis reparieren lassen wollen. "Oft ist das nicht möglich. Da hilft nur Weg-Lasern", sagt die Expertin.

Neben der Stoppelglatzenoptik kann man die Mikrohaarpigmentierung auch in Kombination mit Haartransplantationen eingesetzt werden. Zum Beispiel, wenn das Ergebnis der Transplantation noch nicht dicht genug erscheint. Die Hälfte ihrer Kundschaft sei weiblich, verrät Kotiya. Im Gegensatz zu Sprays, die das Deckhaar optisch verdichten sollen, sei die STP-Behandlung wetterfest und schweißresistent. "Frauen erlangen dadurch ein großes Stück Lebensqualität zurück. Denn sie leiden oft noch mehr unter Haarausfall als Männer. Bei denen schaut eine Glatze cool aus", sagt Elena. Ob die Stoppelglatze nun selbstgeschoren oder von der Fachfrau gezeichnet wurde, ist da Nebensache. (Michael Steingruber, 21.3.2024)