Die EU-Staaten werden an diesem Donnerstag aller Voraussicht nach zustimmen, dass Bosnien und Herzegowina prinzipiell mit den EU-Beitrittsverhandlungen beginnen kann. Zuletzt waren vor allem die Niederlande und Frankreich zögerlich. Die niederländische Regierung erklärte, dass die bosnische Regierung zu wenige Fortschritte gemacht habe. Dennoch entschied man in Den Haag, dass man innerhalb der EU nicht "isoliert" sein wolle und deshalb zustimmen werde.

Flagge Bosniens und der EU
Ob und wann die bosnisch-herzegowinische Flagge neben jener der EU wehen wird, ist unklar.
AP/Armin Durgut

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hatte vor einigen Monaten Bedingungen für den Beginn von Verhandlungen formuliert. Dazu gehörten drei Gesetze und eine Vereinbarung mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Die bosnische Regierung hat allerdings nur zwei Gesetze und die Vereinbarung mit Frontex erreicht. Die Verabschiedung des Gerichtsgesetzes war daran gescheitert, dass der separatistisch-nationalistische Politiker Milorad Dodik darauf bestand, dass ein Berufungsgericht in Banja Luka, dem Verwaltungssitz des Landesteils Republika Srpska, errichtet werden sollte.

Kein Datum

Bosnien und Herzegowina wird demnach auch kein Datum für den Beginn der Verhandlungen oder für eine erste Regierungskonferenz mit der EU bekommen. Die Bosnierinnen und Bosnier sind laut Umfragen ohnedies nicht sonderlich begeistert über die Entscheidung der EU-Staaten. Das hat auch damit zu tun, dass sie in den vergangenen Jahren beobachten konnten, dass viele Nachbarstaaten zwar EU-Verhandlungen führen, aber dennoch kaum Fortschritte oder eine tatsächliche Annäherung an die EU stattfanden.

Eine kürzlich von Valicon durchgeführte Meinungsumfrage zeigt, dass die Bürger von Bosnien und Herzegowina daran zweifeln, ob Bosnien und Herzegowina die von der EU-Kommission gelobten Fortschritte tatsächlich erreicht hat. So glauben fast zwei Drittel (62 Prozent), dass der Grund für eine solche Entscheidung der EU das "politische Spiel" der Großmächte sei und weniger das Ergebnis der tatsächlichen Fortschritte.

Kaum Begeisterung

Etwa zwei Drittel geben an, keine Fortschritte zu bemerken, während 29 Prozent in den letzten zwei Jahren nur geringe Fortschritte bemerkten. 31 Prozent sehen die Aufnahme von Verhandlungen positiv, die Mehrheit (48 Prozent) denkt nicht, dass diese Nachricht überhaupt einen Einfluss auf die Zukunft von Bosnien und Herzegowina hat.

Und kaum jemand in Bosnien und Herzegowina rechnet damit, dass das Land bald der EU wird beitreten können. Nur ein Fünftel der Befragten denkt, dass das in den kommenden fünf Jahren möglich sein könnte. 18 Prozent der Befragten denken, dass dies niemals geschehen wird.

Die Skepsis gegenüber der EU hat auch mit der Erfahrung im Krieg (1992–1995) zu tun. Bosnien und Herzegowina, damals ein unabhängiger Staat, der international anerkannt war, wurde von den Europäern dreieinhalb Jahre im Stich gelassen. Es gab keinerlei militärische Unterstützung, im Gegenteil wurde sogar ein Waffenembargo verhängt, sodass sich der Staat kaum verteidigen konnte. Bosnien und Herzegowina wird zudem weiterhin von Nationalisten untergraben, die heute wie damals versuchen, den Staat zu zerstören und nach ethnonationalistischen und parteilichen Interessen zu zerstückeln. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 21.3.2024)