Jahrzehntelang gab es in der Weltpolitik und der US-Innenpolitik zwei Konstanten: Die USA stehen fest hinter Israel in allen Auseinandersetzungen, und diese Unterstützung wird von beiden Großparteien mitgetragen. Der Gazakrieg und die Politik des israelischen Langzeit-Premiers Benjamin Netanjahu haben beides erschüttert.

Kurz nach dem 7. Oktober waren Joe Biden und Benjamin Netanjahu noch Freunde, heute schon viel weniger.
Kurz nach dem 7. Oktober waren Joe Biden und Benjamin Netanjahu noch Freunde, heute schon viel weniger.
REUTERS/EVELYN HOCKSTEIN

Zwar bewies US-Präsident Joe Biden gleich nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023, als treuer Verbündeter fest an Israels Seite zu stehen, und hielt eine bedingungslose Unterstützung auch bei, als Israels Kriegsführung gegen die Hamas bei den Demokraten immer mehr Kritiker auf den Plan rief. Aber je mehr sich die humanitäre Situation im Gazastreifen verschlechterte, desto strenger wurden die Ermahnungen des Weißen Hauses an Jerusalem, die Kämpfe auszusetzen, mehr Hilfslieferungen hineinzulassen und langfristig in Richtung Zweistaatenlösung zu arbeiten.

In der von den USA nun eingebrachten Sicherheitsratsresolution bleiben Biden und sein Außenminister Antony Blinken auf einem Kurs, mit dem Netanjahu eigentlich leben könnte. Eine vorübergehende Feuerpause wird klar an die Freilassung von Geiseln geknüpft, neben der Vernichtung der Hamas Israels zweites Kriegsziel. Aber allein die Tatsache, dass Washington in der Uno seinem Verbündeten ausrichtet, was er zu tun habe, ist ein klares Signal: Wir unterstützen euch, aber nicht bedingungslos.

Damit rücken die USA näher an die Position der meisten EU-Staaten heran – allerdings nicht an die von Österreich, das Israel weiterhin nicht dreinreden will. Aber damit öffnet sich in der US-Politik auch eine Kluft zwischen Demokraten und Republikanern, die über die Person Netanjahu hinausgeht.

Schon seit Jahren hat Netanjahu die Republikaner und ganz besonders Ex-Präsident Donald Trump hofiert und die Demokraten brüskiert. Mit einer Rede, in der er offen zu Neuwahlen und dem Ende der Ära Netanjahu aufrief, schlug der einflussreiche jüdische Senator Chuck Schumer vergangene Woche zurück. Der Angesprochene gab sich empört und erhält Schützenhilfe von den Republikanern, die Schumer antiisraelisches Verhalten und anderen Demokraten Antisemitismus vorwerfen.

Biden selbst stellte sich hinter Schumer und kam damit all jenen in seiner Partei entgegen, die einen Kurswechsel zu Israel verlangen. Das ist wahlpolitisch notwendig, denn seine Nahostpolitik kostet Biden vor allem bei jüngeren Wählern Stimmen, die er im November gegen Trump brauchen wird.

Reizthema im US-Wahlkampf

Netanjahu setzt indes voll auf die bedingungslose Unterstützung im republikanischen Lager. Damit droht Israel zu einem Reizthema im US-Wahlkampf und die Zukunft der US-israelischen Allianz vom Ausgang der Wahlen abhängig zu werden. Netanjahu dürfte alles daran setzen, bis November im Amt zu bleiben und einen Trump-Sieg zu einer Bestätigung seiner Politik zu deklarieren. Gewinnt Biden, dann sind auch seine Tage gezählt.

Wie immer die Wahl ausgeht: Die Politisierung des Bündnisses ist ein schwerer strategischer Verlust für Israel, den Netanjahu zu verantworten hat. So groß die sentimentale Bindung vieler Amerikaner an Israel auch sein mag – ihre zunehmende Verbitterung über die Besatzungs- und Unterdrückungspolitik der israelischen Rechten macht diese nicht wett. Ein Trump-Sieg kann diese Entfremdung bloß hinauszögern, aber nicht stoppen. (Eric Frey, 21.3.2024)