Voestalpine an der Donau
Rund 60.000 Kubikmeter pro Stunde holt sich die Voestalpine an Kühlwasser aus der Donau.
DER STANDARD

Lange Bretter fließen aus dem tausende Grad heißen Hochofen, sie glühen rot, ähneln brennender Lava, die gerade aus einem Vulkan austritt. Aus verschiedenen Düsen spritzt Wasser auf die Stahlteile, eine Dampfexplosion. Der Rohstahl ist nun fertig und geht in die Produktion. Bei der Voestalpine in Linz fließen stündlich viele Millionen Liter Donauwasser durch die Rohre, um den frischen Stahl direkt aus dem Ofen zu kühlen. Ohne das Kühlwasser würde hier nichts funktionieren.

Einer der ältesten Konzerne Österreichs hat aber jetzt mit einem immer wärmer werdenden Fluss zu kämpfen. Noch vor wenigen Jahren erreichte die Donau in Linz im Sommer Höchsttemperaturen von 19 bis 20 Grad. Jetzt sind es schon 22 bis 23 Grad, zumindest in den letzten vier Jahren. Wie der Voest geht es aber vielen Industrien im Einzugsgebiet der Donau. Fließt der Fluss einige hundert Kilometer weiter nach Osten, holt sich etwa das Atomkraftwerk unseres Nachbarn Ungarn ein Vielfaches mehr an kühlendem Donauwasser für die Stromproduktion. Das ungarische Investigativmedium "Átlátszó" und DER STANDARD haben sich für eine Recherche zur Erwärmung der Donau gemeinsam angesehen, welche Herausforderungen der Fluss und seine Nutzer aufgrund des Temperaturanstiegs haben.

Mit 2.857 Kilometern ist die Donau nach der Wolga der zweitlängste Fluss Europas. Erst mit der Industrialisierung, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg unaufhaltsam beschleunigte, begann sie ihren natürlichen Charakter zu verlieren. Heute ist mehr als die Hälfte der Flusslänge als "stark verändert" eingestuft, aber sie ist immer noch das fischreichste Flusssystem Europas mit insgesamt 102 einheimischen Arten. Allerdings stehen rund 25 Fischarten der Donau auch auf der internationalen Roten Liste der bedrohten Arten.

Sie durchfließt 19 Länder, was sie zum internationalsten Flusseinzugsgebiet der Welt macht, das aber dadurch auch schwierig zu managen und zu untersuchen ist. Es ist nahezu unmöglich, einfache Daten zu sammeln. "Átlátszó" und DER STANDARD haben Monate damit verbracht, Temperaturdaten einzuholen: Es gibt zwar eine länderübergreifende Organisation zum Schutz der Donau – die Internationale Kommission zum Schutz der Donau (IKSD) –, doch kann sie aus rechtlichen Gründen Daten von nationalen Behörden nicht freigeben.

Allgemeine Erwärmung

Ihre öffentlich zugängliche Datenbank ergibt ein unvollständiges Bild: An 39 Donau-Messstationen wird zwölfmal pro Jahr gemessen, allerdings nur im Zeitraum 1996 bis 2020. Weil manche Jahre unvollständig angegeben sind, konnten wir die Daten erst ab 2010 auswerten. Trotz der kürzeren Zeitspanne zeigt sich immer noch eine allgemeine Erwärmung der Donau. Die Messstationen in Ungarn zeigen einen Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur von 2010 bis 2020 um 0,7 bis 2,2 Grad, während die Messstationen in Österreich in diesem Zeitraum 1,7 bis 1,8 Grad ansteigen.

Laut einer Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle werden 44 Prozent des im Donauraum genutzten Flusswassers vom Energiesektor, 26 Prozent von der Landwirtschaft, 17 Prozent von der Industrie und 13 Prozent von der Bevölkerung verbraucht. Nach Angaben des österreichischen Umweltbundesamts beträgt der jährliche Wasserbedarf der Industrie in ganz Österreich 2,2 Milliarden Kubikmeter, das sind 70 Prozent des Gesamtbedarfs im Land. 89 Prozent des Wassers, das die Industrie verbraucht, wird für die Kühlung verwendet.

Womit wir wieder nach Oberösterreich kommen. Denn das Land hat pro Bundesland die meisten Industriebetriebe mit Standorten an der Donau. Eine der ältesten und bekanntesten ist die Voestalpine. Durchschnittlich 60.000 Kubikmeter Kühlwasser pro Stunde fließen durch die Rohre zur Kühlung der Stahlproduktion. Laut ihrer Umwelterklärungen der letzten Jahre waren es zwischen 507 und 525 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Damit sie das Wasser nutzen dürfen, gibt es strenge Vorschriften: Alle paar Jahre muss der Konzern erneut beim Land um wasserrechtliche Bewilligung anfragen, um Donauwasser nutzen und zurückleiten zu dürfen. Das Flusswasser, welches sie zur Kühlung nutzen, dürfen sie nicht wärmer als 30 Grad Celsius wieder zurück einleiten.

Das könnte dem Konzern in Zukunft zum Verhängnis werden. Wenn die Donau schon fast 23 Grad hat und nicht mehr um die 20, gibt es weniger Spielraum bei der Erwärmung bis zu den erlaubten 30 Grad Kühlwasser. Die Folge ist eine geringere Produktionskapazität an heißen Tagen im Sommer, wie DER STANDARD und "Átlátszó" erfuhren.

Um Ausnahme ersucht

Ein Instrument kann ihnen aber dabei helfen, die Produktion vollständig aufrechtzuerhalten. Die Voest hat das Land Oberösterreich in den letzten Jahren bereits mehrfach um eine Ausnahmeregelung aus der "Abwasseremissionsverordnung Kühlsysteme" ersucht, heißt es vonseiten der Abteilung Wasserwirtschaft der Landesregierung. Diese erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen, dass Betriebe bis zu 35 Grad warmes Kühlwasser in den Fluss lassen dürfen. Der Stahlkonzern habe in den letzten drei Jahren jeweils für einzelne Sommertage eine Genehmigung dafür erhalten und werde voraussichtlich auch in diesem Jahr einen Antrag stellen. Die Voest sei ein Testbetrieb für die wärmere Kühlwassereinleitung. Mittels einer Umweltverträglichkeitsprüfung untersuchen nun Fachleute die Auswirkungen des wärmeren Kühlwassers aus den Rohren auf die Ökologie der Donau – diese ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Vorläufig wurden immer befristete Genehmigungen erteilt, da die Voest die Auflagen erfüllt hätte.

Das sagt auch die Gewässerökologin und nicht-amtliche Sachverständige Ulrike Grasser dem STANDARD. "Es gibt einen befristeten Bescheid und dabei schaut man sich an, wie sich die temporär erhöhte Temperatur auf die Donau auswirkt. Man schaut sich an wie schnell es sich einmischt, wie weit flussabwärts es noch bemerkbar ist und wie es sich auf die Biozönose, also die Fische und Makrozoobenthos (Anm.: wirbellose Gewässertiere) auswirkt." Aber, sagt sie, die derzeitige Erkenntnis sei: Folgen auf die Biologie die Temperaturerhöhung zurückzuführen wären, seien noch nicht erkennbar. Es gäbe wesentlich größere Auswirkungen etwa durch den Rückstau des Kraftwerks Abwinden-Asten.

Längerfristig wird es sich aber nicht nur um ein paar heiße Tage für die Donau im Sommer handeln. Anhand der Daten der Wasserstraßenbetriebsgesellschaft Viadonau hat sich ihr Wasser an einer Messstelle um Linz von der Dekade 1951–1960 bis 2011–2020 um 1,5 Grad Celsius erwärmt. Doch noch besteht kein Grund zur Sorge, so die Abteilung Wasserwirtschaft. Die Donau darf sich durch das Kühlwasser im Bereich der Einleitungsstelle auf maximal 26 Grad erwärmen. Davon sei man noch ein paar Grad entfernt.

Kurt Eberhardsteiner, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft der Stadt Linz, kennt sich mit Kühlwasser und Donauwasser besonders gut aus, auch mit der Ausnahmeregelung für Kühlwasser bis zu 35 Grad. "Das kann nur ein kurz- bis mittelfristiger Ansatz sein, denn die Donau erwärmt sich eindeutig weiter", sagt er. Industrien würden aber in der Regel immer darauf achten, ihre Anlagen zu modernisieren.

Das hänge aber von mehreren Faktoren ab. Zum einen gibt es im Sommer weniger Niederschlag, und die Wasserführung werde tendenziell geringer. Zum anderen bekomme der Nebenfluss Traun immer weniger kaltes Wasser von den Alpengletschern. Diese seien bereits viel kleiner als noch vor Jahrzehnten und könnten daher nicht mehr so viel kühles Wasser bieten. Hitzeperioden würde heute schon im Mai und Juni starten, die Schneegrenze steige und das zuströmende Gletscherwasser werde somit schon vor den Hitzemonaten Juli und August quasi aufgebraucht.

Für Industrien führt das letztlich zu Produktionseinbußen, sagt Eberhardsteiner. Das liege zum einen daran, dass nicht genügend Kühlwasser zur Verfügung steht, und zum anderen daran, dass es eine Obergrenze für die Höchsttemperaturen des rückgeführten Kühlwassers gibt.

Abgesehen von der 35-Grad-Ausnahme, wären sogenannte Kühltürme eine Lösung. Das erwärmte Kühlwasser wird dabei von oben verrieselt, tauscht sich mit der Umgebungsluft aus und wird so abgekühlt. Auch die Voestalpine verfügt über ein paar Kühltürme. Das Problem ist jedoch, so Eberhardsteiner, dass sie mehrere Millionen Euro mehr kosten können als ein normaler Kühlwasserdurchlauf. Bislang bieten die bestehenden Türme aber keine ausreichende Alternative. Die Donau wird dringend gebraucht.

Atomkraftwerk wärmt Donau

In Ungarn nutzen das Kernkraftwerk Paks, Gönyűi, Kelenföld, Csepel II und das Kraftwerk Dunament in Hunderthalombatta die Donau zur Kühlung. Paks zum Beispiel entnimmt der Donau 100 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, das sind 360.000 Kubikmeter pro Stunde (zur Erinnerung: Die Voest verbraucht 60.000 pro Stunde). Das Szenario ist ähnlich wie beim Stahlkonzern, nur größer: Das Kühlwasser darf 30 Grad warm wieder in die Donau fließen. Je wärmer das Wasser im Zufluss ist, desto weniger effizient ist die Kühlung, sodass die Leistung des Kraftwerks sinkt. Und: Fluss und Tiere werden überhitzt.

ungarisches Atomkraftwerk Paks
Das ungarische Atomkraftwerk Paks verwendet pro Stunde 360.000 Kubikmeter Wasser.
imago/PuzzlePix

Nach Angaben des Kernkraftwerks Paks ist der gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert von 30 Grad Celsius noch nie überschritten worden. Allerdings werden die Messungen in der Regel morgens und manchmal sogar schon um sieben Uhr durchgeführt, also nicht dann, wenn der Fluss am wärmsten ist. In den Jahren 2018, 2022 und 2023 hat "Átlátszó" jedoch an der Messstelle unterhalb des Kraftwerks Wassertemperaturen von über 30 Grad Celsius gemessen, obwohl das Kraftwerk mit reduzierter Leistung lief.

Niedriges Wasser kann sogar die Kühlwasserversorgung ganz ausschalten. Im Sommer 2018 hätte nicht mehr viel gefehlt, bis das Wasser gar nicht mehr in die Rohre von Paks geflossen wäre. Der Pegel der Donau war fast zu niedrig. In diesem Fall müsste das Kraftwerk heruntergefahren werden und es gäbe keine Stromproduktion. Laut einem G7-Artikel könnten in so einem Fall schwimmende Reservepumpen helfen. Damals musste Paks zwar nicht abgeschaltet werden, aber die Leistung reduziert werden. Der niedrige Wasserstand setzte die Filter in den Pumpen des Kühlwassersystems einer höheren Belastung durch Schadstoffe aus.

András Abonyi, Forscher am Institut für Gewässerökologie des ungarischen Forschungsnetzwerks, erklärt: "Die Erwärmung der Wassertemperatur der Donau wirkt sich generell auf die Menge und die Zusammensetzung kleiner Organismen, etwa Algen, aus. Dies hingegen wirkt sich auf das Funktionieren des gesamten Nahrungsnetzes der Donau aus." Direkte Kühlwassereinleitungen hätten hauptsächlich lokal begrenzte negative Auswirkungen, Lufttemperatur und Wasserdurchfluss wären allgemein entscheidender.

"Keine Drosselung"

Wieder ein Schwenk nach Linz. Die Voestalpine hat sich nur schriftlich bereiterklärt, über ihre Kühlwassernutzung zu sprechen. Aus Ressourcengründen wollten sie jedoch keine Fragen im Detail beantworten. "Aufgrund der Wassertemperatur der Donau hat es bisher keine Drosselung gegeben. Die Anlagen sind entsprechend ausgelegt", so der Konzern. Allerdings wird Kühlwasser mit einer Temperatur von mehr als 30 Grad Celsius auf der Grundlage der entsprechenden Genehmigungen zeitlich begrenzt eingeleitet – an zu heißen Tagen. "Ein wesentlicher Aspekt ist die Bewertung der Auswirkungen auf den Lebensraum Donau. Dies wird durch ein umfassendes gewässerökologisches Monitoring durch beauftragte Experten begleitet." Ein Gutachten steht noch aus.

Auch die Stadtpolitik beschäftigt sich mit der Frage, wie man in Zukunft mit der wärmeren Donau und der Kühlwassernutzung umgehen soll. Klimastadträtin Eva Schobesberger (Grüne) hat bereits im vergangenen Sommer bei einer Pressekonferenz auf die Herausforderungen hingewiesen. Heute sagt sie: "Wir sollten uns davon unabhängig machen, dass das Wasser in den Flüssen ausreichend kühl und in ausreichender Menge vorhanden ist." Immerhin gebe es aber ein strenges Regelwerk. "Natürlich können wir darüber diskutieren, ob wir sie noch strenger machen müssen, aber das müssen wir auf Bundesebene und darüber hinaus diskutieren."

Ein bundesweiter Blick, nicht nur auf Linz, zahlt sich aus. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie zielt auf die Erhaltung und Erreichung eines guten Zustands ihrer Oberflächen- und Grundwasserkörper ab. Das übergeordnete Ziel ist es, einen "guten" chemischen und ökologischen Zustand der Oberflächengewässer zu erreichen. Diese befinden sich in einem guten Zustand, wenn ihre Lebensgemeinschaften, ihre Struktur und ihre chemischen Bestandteile durch Menschen nur geringfügig beeinträchtigt werden.

Die Richtlinie überlässt es den Mitgliedsstaaten, zu entscheiden, wie sie diese Anforderungen in Bezug auf die thermische (Anm.: auf die Temperatur bezogene) Verschmutzung von Gewässern erfüllen, und es gibt derzeit keine EU-Norm, die einen spezifischen Grenzwert festlegt. Das macht die Nutzung von Kühlwasser in Zukunft nicht einfacher. Aber es bleibt die Frage, wer Vorrang haben wird: die Gewässerökologie der Donau oder der Erhalt der Produktionsmengen. (Melanie Raidl, Orsolya Fülöp, Robin Kohrs; Mitarbeit: Alicia Prager, 22.3.2024)