Das Ja der EU-Staaten zum Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina ist vernünftig. Denn es wäre ungerecht, zwar mit der Republik Moldau und der Ukraine zu verhandeln, aber nicht mit einem Staat, dem seit 2003 der Beitritt zur EU versprochen wurde. Wenn man geopolitisch argumentiert, dann müsste man aber auch dringend mit dem Kosovo die EU-Beitrittsverhandlungen beginnen. Die fünf Nichtanerkenner-Staaten in der EU sollten den Staat ohnedies sofort anerkennen, weil dieses Land, so wie Bosnien-Herzegowina, durch die Politik des Kreml und dessen Freunde auf dem Balkan in seiner Souveränität und Integrität bedroht wird.

EU-Flaggen in Bosnien feiern die Aufnahme von Verhandlungen. Sie werden lange dauern.
AP/Eldar Emric

Positiv an der Entscheidung ist, dass nun alle Gesetze in Bosnien-Herzegowina auf ihre Vereinbarkeit mit EU-Recht untersucht werden. Doch nun so zu tun, als hätte es dort große Fortschritte gegeben, führt in die Irre. Die gab es nämlich nicht. Die diesbezügliche Darstellung der EU-Kommission hat viel mehr damit zu tun, dass sie selbst einen Erfolg vorweisen will. Zuletzt hat man in Brüssel sogar zugelassen, dass der separatistische Kreml-Freund Milorad Dodik – Präsident der Republika Srpska – ein Gerichtsgesetz, das eigentlich eine Voraussetzung für den Beginn von Verhandlungen war, verhinderte. Dodik hat sich also wieder einmal mit seiner Boykott- und Vetopolitik durchgesetzt und wird jetzt dafür belohnt. Die EU hatte die Bedingungen schon vorher aufgeweicht. Eigentlich sollten 14 Prioritäten erfüllt werden – davon wurden allerdings nur zwei vollständig umgesetzt.

Wurschtigkeit in Sarajevo

Wenn wohlmeinende EU-Staaten Bosnien tatsächlich unterstützen wollen, sollten sie bei den Reformforderungen hart bleiben und nicht mit den Nationalisten paktieren. Sie müssten die Kreml-Freunde sanktionieren und verhindern, dass Ungarn und Kroatien, wie in den vergangenen Jahren, den Takt vorgeben. Beide Staaten verfolgen nämlich nur ihre eigenen Interessen und sind sicherlich keine Freunde Bosniens.

Außerdem sollte man darauf bestehen, dass die Justiz vom politischen Einfluss befreit wird, die bahnbrechenden Vorschläge des Bürgerrats zu einer Verfassungsreform aufnehmen und endlich die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die die Diskriminierung – etwa von Juden und Roma – beenden, umsetzen.

Wenn Brüssel mehr verlangt, würden vielleicht auch wieder mehr Bosnierinnen und Bosnier Vertrauen in die EU bekommen. Den meisten ist es zurzeit egal, ob EU-Verhandlungen beginnen können oder nicht, weil sie nicht glauben, dass die EU es ernst meint. Diese Einschätzung ist nicht nur verständlich, weil die Europäer im Krieg 1992 bis 1995 Bosnien-Herzegowina – das damals ein unabhängiger, international anerkannter Staat war – komplett im Stich ließen und sogar ein Waffenembargo verhängten. Sondern auch deshalb, weil man seit Jahren beobachten kann, dass es auch in den Nachbarstaaten, die mit der EU verhandeln, kaum Fortschritte gibt. So zu tun, als ob die Realität eine andere wäre, als sie ist, untergräbt nur die Glaubwürdigkeit der EU. Die Leute sind ja nicht dumm. (Adelheid Wölfl, 22.3.2024)