Israel muss sich bei den Vereinten Nationen schwerste Vorwürfe gefallen lassen. Die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, beschuldigt den Staat Israel "das Verbrechen des Völkermordes" zu verüben. Israel wies in einer ersten Stellungnahme die Ausführungen der Sonderberichterstatterin auf das Schärfste zurück.

Der Bericht von Francesca Albanese sorgt in Jerusalem für wütende Reaktionen.
REUTERS/Denis Balibouse

Die italienische Juristin präsentierte am Dienstag dem UN-Menschenrechtsrat in Genf einen Bericht, in dem sie Verstöße Israels gegen die UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes zu belegen versucht. Tatort sei der umkämpfte und abgeriegelte Gazastreifen mit mehr als zwei Millionen Palästinensern.

"Israels Handlungen werden von einer völkermörderischen Logik angetrieben, die integraler Bestandteil seines Siedlerkolonialprojekts in Palästina ist", schreibt die Sonderberichterstatterin und fordert einen Stopp der internationalen Waffenlieferungen nach Israel. Weiterhin müssten "Israel und jene Staaten", die sich an dem mutmaßlichen Völkermord mitschuldig gemacht hätten, zur Verantwortung gezogen werden. Die Palästinenser sollten Schadensersatz erhalten.

Empörte Reaktion

Zwar spricht die Sonderberichterstatterin nicht für die Vereinten Nationen, sie verfasste den Bericht als unabhängige Expertin im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates. Doch die Formulierungen, ihre Veröffentlichung als UN-Dokument und die angesetzte Debatte im Menschenrechtsrat dürften die diplomatische Isolation Israels verschärfen. Am Montag hatte der UN-Sicherheitsrat mit Billigung der USA erstmals einen Waffenstillstand im Krieg zwischen der Terrorgruppe Hamas und Israel verlangt.

Konkret heißt es in dem Albanese-Report, Israel verfolge die Absicht, "die Palästinenser als Gruppe physisch zu vernichten". Albanese listet Aussagen hochrangiger israelischer Militärs und Politiker wie Premierminister Benjamin Netanjahu auf, die diese Intention beweisen sollen. Ihre Absicht setzten die Israelis durch drei bestimmte Handlungen um, schreibt Albanese. Es geht um die "Tötung von Mitgliedern der Gruppe", die „Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden" und die "vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung" herbeizuführen. Albanese sieht damit das Verbrechen des Völkermordes als erwiesen an.

Israel reagierte empört auf den Albanese-Report. Der Bericht sei "eine obszöne Umkehrung der Realität, bei der eine sogenannte Expertin ungeheuerliche Anschuldigungen erheben kann, je extremer, desto besser", heißt es von der Ständigen Vertretung Israels bei den Vereinten Nationen. "Schon der Versuch, Israel des Völkermordes zu bezichtigen, ist eine unverschämte Verzerrung der Völkermordkonvention." Israel fühlt sich seit Jahrzehnten in den UN-Gremien zu Unrecht an den Pranger gestellt. Zumal die wiederkehrenden Verurteilungen durch den UN-Menschenrechtstrat nach Lesart der Regierung Netanjahu die Feindschaft zu Israel belegen. Unabhängig von dem Albanese-Report hat Südafrika den Internationalen Gerichtshof aufgefordert, Israels Vorgehen im Gazastreifen als "Völkermord" einzustufen. Das endgültige Urteil des obersten UN-Gerichts steht noch aus. (Jan Dirk Herbermann aus Genf, 26.3.2024)