Die alte Fabrikhalle in Sichtweite der Ottakringer Brauerei, in der Felix Gauer und sein Team ein Plätzchen für ihre Radwerkstatt gefunden haben, ist facettenreich. Wo generalüberholte Vintage-Radln und Montageböcke aufhören, fangen Kleiderstangen mit Mode zum Kilopreis an. Außerdem nebenan: eine Rahmenwerkstatt, Ateliers. In der "Schönen Pfuscherei" im ersten Stock stolpert man durch eine knarrende Metalltür, drinnen ist es frisch. Von der Decke baumeln Räder, die in den 80ern sicher auch schon lässig waren, heute als wahres Accessoire durchgehen. Die Feger heißen Puch, Peugeot oder Gitane. Als überzeugter Stadt- und Landradfahrer sowie leidenschaftlicher Schrauber kennt Gauer die Fragen, die bei der Wahl eines geeigneten Rads auftauchen, und er weiß auch, wie man möglichst gut auf Räder aufpasst.

Fahrrad Rad Puch Werkstatt
Faible für Vintage: Felix Gauer macht in seiner Werkstatt alte Drahtesel wieder straßentauglich.
Nina Schrott

STANDARD: Worauf muss ich bei der Suche nach einem Stadtrad als Erstes achten?

Gauer: Es klingt banal, aber das Wichtigste ist, dass das Rad der Straßenverkehrsordnung entspricht. Das dient der eigenen Sicherheit, und es gibt keine Probleme mit der Polizei.

STANDARD: Was schreibt diese vor?

Gauer: Man braucht Reflektoren auf den Rädern, an den Pedalen, vorn und hinten. Wenn es finster wird, sind Lichter an Vorder- und Rückseite Pflicht. Außerdem muss man sich bemerkbar machen können und braucht eine Klingel. Funktionierende Bremsen sind eh selbsterklärend, allerdings müssen die beiden Bremsen getrennt voneinander bedienbar sein. Zum Beispiel Vorder- und Hinterbremse, die mit linker und rechter Hand betätigt werden.

STANDARD: Bezüglich Licht – soll ich mir gescheite Lampen montieren, oder reichen günstige Clip-LEDs, wie es sie in Ramschläden gibt?

Gauer: Diese kleinen Lichter sind auf jeden Fall besser als gar keine. Allerdings wäre es für alle Verkehrsteilnehmenden von Vorteil, wenn man Radler und Radlerinnen gut sieht. Und man will ja auch selbst einen gut ausgeleuchteten Weg. Da muss man auch an seine eigene Sicherheit denken. Also: bessere Lichter mit mehr Strahlkraft.

STANDARD: In einer Stadt wie Wien gibt es viele Straßenbahnschienen. Würden Sie das beim Stadtradkauf bedenken?

Gauer: Wenn man neu im Stadtverkehr oder allgemein auf dem Rad nicht geübt ist, würde ich schon eher dickere Reifen empfehlen. Gerade wenn man hauptsächlich im Stadtgebiet fährt, wo es diese Sturzgefahr gibt. Wir merken schon, dass unsere Kundschaft oft nach breiteren Reifen fragt, weil ihnen die Schienen Sorgen machen. Es ist ja auch nicht ungefährlich, vor allem wenn's nass ist.

STANDARD: Als Vintage-Bike-Liebhaber sind Sie natürlich voreingenommen. Aber was spricht denn dafür, ein altes Rad einem neuen vorzuziehen? Vielleicht sogar einem E-Bike?

Gauer: Allgemein begeistert mich das Mechanische am Radfahren. Deshalb mag ich keine E-Bikes. An älteren Rädern kann man selbst besser herumschrauben und kleine Probleme ohne Hilfe lösen. Die Funktionsweise ist einfach zu sehen: Ziehe ich hier, bewegt sich dort was. Das taugt mir. Je mehr hinter Plastik verbaut ist, desto schwieriger wird es, selbst am Rad was zu richten. Dazu kommt, dass jedes Vintage-Bike seinen eigenen Charakter hat, was sie einfach verdammt cool macht.

STANDARD: Braucht ein Stadtrad eine Gangschaltung?

Gauer: Kommt auf die Stadt an. Hier in Wien möchte ich dem Gürtel entlang nicht auf meine Gangschaltung verzichten, zumindest drei wären also schon gut. In Klagenfurt, wo ich eigentlich herkomme, kommt man auch mit einem Gang durch.

STANDARD: Was sind die häufigsten Reparaturen, mit denen Leute zu Ihnen kommen?

Gauer: Am öftesten flicken wir Patschen. Häufig sind aber auch die Bremsen das Problem. Entweder sind die Bremsklötze verschlissen, oder der Weichmacher ist rausgegangen und sie funktionieren nicht mehr. Viele kommen auch wegen brüchiger Radmäntel.

STANDARD: Was würden Sie in ein Notfall-Reparaturset zum Mitnehmen packen?

Gauer: Ein Schlauchflickzeug, eine kleine Pumpe, die zum Ventil passt, und ein Multitool mit zumindest Schraubenzieher und Zange. Damit kann ich zwar nicht alles reparieren, komme aber hoffentlich zur nächsten Werkstatt.

STANDARD: Wie vermeide ich es, dass meine Felgen einen Achter bekommen?

Gauer: Der Endgegner sind Straßenbahnschienen in Verbindung mit ruckartigem Lenken. Sonst entsteht das oft, wenn man über hohe Randsteine hinunter- oder hinauffährt.

STANDARD: Im Winter strapaziert Streusalz die Räder. Kann ich etwas zum Schutz tun?

Gauer: Grundsätzlich sind Nässe und Salz das Schlimmste für ein Rad. Ich würde es deshalb auf keinen Fall den ganzen Winter draußen stehen lassen, da fängt alles an zu rosten. Wenn man die Möglichkeit hat, sollte das Rad an einem trockenen oder geschützten Ort stehen. Und im Frühjahr putzen.

STANDARD: Welche Art von Schloss sichert am besten?

Gauer: Diebstahl passiert heutzutage mit der Akkuflex, deshalb lässt sich jedes Schloss knacken. Ein gutes verzögert aber das Aufschneiden, und die Leute herum werden eher aufmerksam. Wirklich schlecht sind so dünne Kabelschlösser, die man sogar mit Zange oder Bolzenschneider gleich durchkriegt. Ich bevorzuge Falt- und Kettenschlösser. Als Richtwert würde ich sagen, ab 50 Euro aufwärts.

STANDARD: Apropos Geld, ab wie viel bekomme ich denn ein Stadtrad, das einfach seinen Zweck erfüllt?

Gauer: Wenn ich mich auf Gebrauchtplattformen umschaue, lässt sich für 200 bis 300 Euro sicher etwas Akzeptables finden. Man kann aber bestimmt auch ein Schnäppchen machen und weniger zahlen. Wenn man mehr Komfort oder ein Rad in besserem Zustand will, muss man mit mehr rechnen.

STANDARD: Was spricht für das Radfahren in der Stadt?

Gauer: Radfahren ist für mich einfach die schönste Art, von A nach B zu kommen. Man lernt eine Gegend ganz anders kennen – schneller als zu Fuß, aber langsamer und gelassener als mit dem Auto. Die Bewegung tut gut, und man kann dabei Stress abbauen. Wenn ich grantig aufs Fahrrad steige, bin ich noch selten grantig abgestiegen. (Nina Schrott, 2.4.2024)