Zwei Wecker stehen auf 2 bzw. 3 Uhr, dahinter hängt an einem Abreißkalender der Tag des 31. März.
Am frühen Sonntagmorgen werden die Uhren von zwei auf drei Uhr gestellt.
APA/HELMUT FOHRINGER

Die mühseligere der beiden jährlichen Zeitumstellungen findet diesmal zu Ostern statt: Am Sonntag, dem 31. März, fehlt in Europa ab zwei Uhr quasi eine Stunde, die Uhren springen auf drei Uhr – oder müssen händisch umgestellt werden. Damit verabschiedet sich die sogenannte Normalzeit oder Winterzeit wieder für ein halbes Jahr, die Sommerzeit bricht an. Das merken viele Menschen an einer um eine Stunde kürzeren Nacht.

Laut Daumenregel dauert es etwa einen Tag, bis sich der menschliche Körper mit einem einstündigen Jetlag arrangiert hat. In diesem Jahr, da die Zeitumstellung auf den Ostersonntag der Westkirchen und damit ein langes Wochenende fällt, könnte uns dieser Umstand also dabei helfen, mit der Umstellung zurechtzukommen. Zumindest bei all jenen, die erst ab Dienstag wieder früh aufstehen müssen.

Tierisch müde

Die Zeitumstellung betrifft nicht nur Menschen, sondern auch alle anderen, mit denen wir uns die Welt teilen. Konkret sind das etwa Haustiere, die oft an den Tagesablauf der Halterinnen und Halter gewöhnt sind. Bei gleicher Aufstehuhrzeit könnten sie am Sonntag aber eher überrascht sein, bereits Futter zu bekommen – im Gegensatz zum Umstieg auf die Winterzeit, wenn Katzen und Hunde noch früher als in aller Herrgottsfrühe Nahrung fordern. Eine Übergangsphase hilft sensibleren Menschen und Tieren.

Das kann auch für manche Nutztiere gelten, Kühe beispielsweise. Fachmeinungen gehen auseinander: Mitunter ist die Rede von Milchkühen, die tagelang weniger Milch geben und sich lautstark bemerkbar machen – als Reaktion auf die veränderten Melkzeiten. Andere können das Phänomen nicht bestätigen. Insbesondere durch automatische Melksysteme dürfte ein solcher Effekt zurückgehen und kann Kühen quasi bei der Zeitumstellung helfen. Bei Betrieben mit Melkrobotern entscheiden die Tiere, wann sie in den Melkstand gehen und sich melken lassen. Auch beim manuellen Melken ließe sich die Anpassung an die neue Uhrzeit durch eine Übergangsphase abfedern.

Bei Wildtieren ist der Einfluss zwar geringer, doch Rehe, Hirsche und andere Tiere in Schnellstraßennähe können ebenfalls von der Zeitumstellung betroffen sein. Wenn mehr Autos plötzlich früher als gewohnt fahren, kann das für mehr Wildunfälle sorgen. Das betrifft aber eher den Wandel zur Winterzeit im Herbst. Wie eine US-amerikanische Studie feststellte, könne man durch dauerhafte Sommerzeit Unfälle mit Hirschen verhindern.

Schlecht für die Gesundheit

Durch die Zeitumstellung sind im Frühjahr hingegen manche Fahrerinnen und Fahrer müder als sonst, unkonzentrierter und können daher eher Unfälle verursachen. Das gilt nicht nur für Wild, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmer, etwa unausgeschlafene Kinder auf dem Schulweg. Erwiesenermaßen kommt es in der Woche nach der Zeitumstellung im Frühjahr zu mehr tödlichen Verkehrsunfällen, der Wert stieg laut einer Studie um sechs Prozent. Dies ist ein Grund dafür, dass viele Chronobiologinnen gegen die Zeitumstellung argumentieren.

Gerade Kinder und Jugendliche, deren Gehirn im Schlaf vieles verarbeitet, sind oft schon durch schulbedingt sehr frühe Aufstehzeiten belastet. Müde Menschen, insbesondere Kinder, tun sich mit dem Regulieren ihrer Emotionen schwerer. Und wie eine Studie vor zwei Jahren zeigte, sind ausgeschlafene Menschen sogar hilfsbereiter. Während der Pubertät brauchen manche mehr Schlaf, gehen aber tendenziell – auch hormonbedingt – später ins Bett. Kommt dann noch die Zeitverschiebung dazu, ist das eine mühsame und mitunter gefährliche Mehrfachbelastung.

Gesundheitsfachleute warnen aber vor allem während der Zeitumstellung im Frühling vor negativen Folgen: Durch schlechteren Schlaf steige etwa das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte, das Immunsystem kann beeinträchtigt werden, und die Gefahr für Depressionen steige. Besonders belastet sind laut der Neurologin Beth Malow Männer, die Vollzeit arbeiten.

Unterschiede zwischen Sommer und Winter

Eingeführt wurde die Sommerzeit in Österreich-Ungarn sowie im Deutschen Reich 1916, im Ersten Weltkrieg, wobei sie später auch immer wieder abgeschafft wurde. Die Ölkrise in den 1970er-Jahren sorgte dafür, dass Energiesparen wichtiger wurde und die Sommerzeit besser zu den Sonnenstunden und entsprechenden Tagesaktivitäten passte. Wobei Fachleute heute eher davon ausgehen, dass der Effekt vernachlässigbar ist.

Würde auch im Sommer die Normalzeit Winterzeit gelten, würde die Sonne in Wien im Juni schon um vier Uhr aufgehen, wenn die meisten Menschen noch schlafen. Sonnenuntergang wäre dann um 20 Uhr. Wird eine Abschaffung der Zeitumstellung diskutiert, dann geht es meist um die Rückkehr zur Normalzeit. Aber wenn das ganze Jahr lang Sommerzeit wäre, ginge die Sonne in Wien im Dezember erst sehr spät auf.

Davor könnte man nur flüchten, indem man sich in derselben Zeitzone möglichst Richtung Westen bewegt. Das kann aber Nachteile haben: Einer weiteren US-amerikanischen Studie zufolge kommt es im Westen von Zeitzonen öfter zu tödlichen Verkehrsunfällen als im Osten.

Wissenschaft für Winterzeit

Wissenschafterinnen und Wissenschafter halten eine permanente Normalzeit für die bessere Lösung als dauerhafte Sommerzeit, die weniger gut zu den natürlichen Wachrhythmen passe. Fragt man die Bevölkerung, bevorzugt diese die Sommerzeit, vor allem wegen der vielen abendlichen Sonnenstunden im Sommer. Diese Präferenz ist aber davon beeinflusst, dass es im Sommer generell mehr Sonnenstunden gibt, wie Kritiker einwenden.

Der dauerhaften Sommerzeit kann der medizinische Psychologe Till Roenneberg von der Universität München wenig abgewinnen, er fürchtete in der "Welt" sogar: "Man erhöht die Wahrscheinlichkeit für Diabetes, Depressionen, Schlaf- und Lernprobleme – das heißt, wir Europäer werden dicker, dümmer und grantiger." Junge Menschen würden zu lange wach bleiben und im internationalen Vergleich akademisch abgehängt werden.

Das mag rabiat klingen, doch eine längerfristige russische Studie fand Hinweise darauf, dass eine permanente Sommerzeit im Winter, wenn die Sonne spät auf- und untergeht, für mehr Verstimmungen sorgt. Der "soziale Jetlag", also eine Asynchronität zur biologischen Uhr, führe dazu, dass Menschen sich am Wochenende schlapper fühlen und später aufstehen. Das kann wiederum den Tagesrhythmus durcheinanderbringen, wenn man unter der Woche wieder früher aufstehen muss. Der soziale Jetlag hängt mit einem ungesünderen Lebensstil zusammen: Betroffene rauchen, trinken und essen mehr und ungesünder. Die russische Forschungsgruppe hielt den Effekt aber für relativ gering.

Unklare Zukunft in der EU

Dass innerhalb der mitteleuropäischen Zeitzone die Unterschiede schon relativ groß sind, ist wohl auch einer der Gründe dafür, weshalb die Zeitumstellung noch nicht – wie eigentlich laut EU-Parlament beschlossen – abgeschafft wurde. Das hätte bereits 2021 geschehen sollen. Die EU-Kommission sagt: Die Länder sollen im EU-Rat entscheiden, was sie wollen. Die Mitgliedsstaaten fordern hingegen ein Gesamtkonzept, damit nicht eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungen entsteht.

Es wäre aber auch nicht einfach, Einigkeit zu erlangen, was durchgesetzt wird: Normalzeit, ewige Sommerzeit oder doch lieber weiter Uhren umstellen? Auch die Online-Abstimmung für oder gegen die Abschaffung der Zeitumstellung, die im Vorfeld durchgeführt wurde, war nicht gerade repräsentativ für die Länder. Etwa 65 Prozent der 4,6 Millionen Stimmen kamen aus Deutschland, auch die Bevölkerung Österreichs beteiligte sich relativ rege. Insgesamt gab aber nicht einmal ein Prozent der Bürgerinnen und Bürger der EU ihre Stimme ab.

Wie Menschen die Zeitumstellung und das Vorhandensein einer Sommerzeit persönlich wahrnehmen, ist freilich verschieden. Charmant lässt sich die Gleichgültigkeit hierüber so zusammenfassen:

Für Schulkinder und manch andere mag die "fehlende Stunde" im Alltag in diesem Jahr etwas leichter zu verdauen sein. Im Superwahljahr könnten dafür andere Faktoren für überdurchschnittliche Erschöpfung sorgen. (Julia Sica, 30.3.2024)