Falls es als beruhigende Botschaft der US-Regierung an Israel gemeint war, dann ist sie sehr zwiespältig ausgefallen: Der Resolutionstext enthalte keine Verurteilung der Hamas, wie es die USA verlangt hätten, sagte Linda Thomas-Greenfield am Montag im Sicherheitsrat, und auch anderen Punkten würden die USA nicht zustimmen. Deshalb, so die US-Missionschefin bei der Uno in New York, "waren wir unglücklicherweise nicht in der Lage, mit Ja zu stimmen. Aber, wie ich schon gesagt habe, wir unterstützen einige der kritischen Ziele in dieser nicht bindenden Resolution voll."

Allein mit der israelischen Fahne: Sicherheit ist nach dem 7. Oktober für viele Israelis das Wichtigste und kann nur durch Abschreckung erreicht werden.
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Warm-kalt, kalt-warm: Dass die Resolution 2728 nicht bindend sei, die die USA zu Wochenbeginn im Uno-Sicherheitsrat entgegen ihren Gewohnheiten nicht mit einem Veto verhinderten, lassen Völkerrechtler so nicht gelten. Es gibt nur keine Mittel, das, was sie fordert ("demands"), durchzusetzen: sowohl eine sofortige israelische Waffenruhe im Gazastreifen für den Rest des Ramadan als auch die Freilassung der israelischen Geiseln der Hamas. In dieser Reihenfolge, ohne dass Ersteres von Letzterem abhängig gemacht wurde. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu warf den USA nicht weniger vor, als Israel in der Uno fallengelassen zu haben.

Von "wachsender Isolation Israels" schrieben viele Medien in ihren darauffolgenden Berichten und Analysen: Denn alle anderen 14 Sicherheitsratsmitglieder stimmten dafür, auch Großbritannien, das sich zuvor bei Waffenstillstandresolutionen enthalten hatte – als einer von fünf europäischen Staaten (Frankreich, Schweiz, Malta, Slowenien). Da war das Cover des Economist – "Israel Alone" – schon erschienen: eine einsame Fahne mit dem Davidstern im Wüstensand, dahinter zu erahnen die Kulisse von Gaza. Ein paar Tage vorher kam der Essay von Bernard-Henri Lévy heraus: "Solitude d’Israël", Israels Einsamkeit.

Kein Kommentar zur neuen Gaza-Sicherheitsratsresolution geht davon aus, dass US-Präsident Joe Biden seiner diplomatischen Missfallensäußerung zur Kriegsführung Israels Taten, sprich Sanktionen, folgen lassen könnte. Mit keiner Äußerung stellte er je den Feldzug gegen die Hamas infrage, die am 7. Oktober Israel überfiel und 1200 Menschen massakrierte, folterte, vergewaltigte und verschleppte. Aber früh schon schlugen die USA Alarm, was Schutz und Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen betraf. Aus Alarm wurde offene Kritik.

Blitzableiter Netanjahu

Wie eine Erleichterung für die US-Regierung mutet es an, dass sie ihren Unmut kanalisieren kann, auf Benjamin Netanjahu, der schon Premier während vier US-Präsidenten war: Bill Clinton, Barack Obama, Donald Trump und jetzt Biden. Im März forderte gar Chuck Schumer, demokratischer Mehrheitsführer im Senat, dessen Loyalität zu Israel niemand infrage stellt, Netanjahus Rückzug.

Die Hoffnungen der rechten israelischen Regierung, dass Trump die Präsidentschaftswahlen im November wieder gewinnt, könnten sich erfüllen. Aber die Alarmglocken sollten schrillen angesichts dessen, was Trump in einem Interview mit Israel Hayom, im Besitz der republikanischen Großspenderfamilie Adelson, vor ein paar Tagen sagte: "Israel muss sehr aufpassen, denn ihr verliert eine Menge Unterstützung in der Welt."

Den "Abraham Accords" – Normalisierungsverträgen mit Israel, denen sich 2020 neben zwei Staaten am Golf auch zwei nordafrikanische anschlossen – stand Trump Pate. Mit dem Ende der Annäherung droht dem "Dealmaker" der Verlust seines wichtigsten außenpolitischen Erfolgs. Die Freundschaft mit den arabischen Autokraten am Golf hat auch handfeste geschäftliche Vorteile. Und Trump ist bekanntlich das Hemd immer näher als der Rock.

Benjamin Netanjahu mit US-Außenminister Antony Blinken bei einer ihrer sehr zahlreichen Begegnungen in jüngster Zeit.
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Aber der Populist hört natürlich auch die Vox populi: Eine neue Gallup-Umfrage in den USA ergibt, dass nur 36 Prozent der Befragten den Gazakrieg voll unterstützen. 55 Prozent – eine Mehrheit also – sind dagegen.

Nicht zu vergleichen damit, was in den arabischen Staaten los ist. Öffentliche Meinung ist auch in undemokratischen Systemen ein politischer Faktor. Einer neuen Generation von arabischen Machthabern ist mit dem Gazakrieg eine der wichtigsten Säulen ihrer Zukunftsvision zusammengebrochen: die Entwicklung der Region, als gäbe es den israelisch-palästinensischen Konflikt, der sie hundert Jahre lang geprägt hat, ganz einfach nicht mehr. Wirtschaftliche und sicherheitspolitische Kooperation mit Israel, dem erfolgreichsten Staat im Nahen Osten, war für diese Staaten eine wichtige strategische Entscheidung, die nun infrage gestellt ist.

Auch die EU fordert Waffenruhe

Viel Geld wurde in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Bahrain, aber auch in Saudi-Arabien – das im Herbst auf Annäherungskurs mit Israel war – investiert, um die Öffentlichkeit, die jahrzehntelang auf Israel-Feindlichkeit getrimmt wurde, umzudrehen. Das alles hat der tägliche Fluss der Bilder und Berichte über das Leid im Gazastreifen – und das nicht nur auf dem katarischen Sender Al-Jazeera – nun ad absurdum geführt.

Aber auch in Europa ändert sich das Bild: Netanjahu würde sagen, dass er das von der Europäischen Union gewohnt sei – aber darauf, dass einige EU-Staaten, darunter Österreich, ihm bedingungslos die Stange halten, konnte er bisher zählen, auch wenn es auch andere, viel kritischere EU-Regierungen gibt. Die EU-Staats- und -Regierungschefs haben nun jedoch bei ihrem jüngsten Gipfel ebenfalls erstmals gemeinsam "eine sofortige humanitäre Feuerpause, die zu einem dauerhaften Waffenstillstand führt", gefordert.

"Deshalb waren wir unglücklicherweise nicht in der Lage, mit Ja zu stimmen. Aber wir unterstützen einige der kritischen Ziele der Resolution voll." – US-Botschafterin Greenfield

Das klingt ähnlich wie die Uno-Sicherheitsratsresolution. Die Lage der israelischen Geiseln in den Händen der Verbrecherbande Hamas erhält jedoch in Brüssel immer noch einen breiteren Raum als in New York: Die EU ist ja auch nicht die Uno, in der die neuen Anwälte des Globalen Südens, Russland und China, als ständige Mitglieder im Sicherheitsrat sitzen. Auf dieser Klaviatur spielen die beiden alten neuen Imperialisten meisterhaft.

Die Äußerungen haben aber alle eines gemeinsam: das Entsetzen über die vielen Todesopfer und die Zustände im Gazastreifen. Israels "düstersten Kurs in seiner 75-jährigen Existenz" nennt der Economist in seiner "Israel Alone"-Coverstory die Entwicklung: Die Kritik wächst, und Israel gräbt sich immer mehr ein. Viele Israelis seien bereit, für ihre Sicherheit den Verlust von Sympathie und Ansehen weltweit in Kauf zu nehmen. Dazu gehöre die Überzeugung, dass dieser Krieg so geführt werden müsse, um die Abschreckung wiederherzustellen. Und dass es letztlich keine Alternative zur permanenten Besetzung der Palästinensergebiete – im Fall des Gazastreifens: zur Wiederbesetzung – gebe.

Ein Teufelskreis

Es ist ein Teufelskreis: Gerade die Besatzung dient auch im Globalen Norden unerwartet vielen Menschen als Argument für ihren erschreckenden Mangel an Empathie für die Opfer der Verbrechen vom 7. Oktober. Gleichzeitig sterben siebzig Kilometer von Tel Aviv entfernt Kinder an Auszehrung, und wenige Israelis kümmert es. In den Augen der jeweils anderen gibt es die Kollektivschuld.

Der israelisch-palästinensische Friedensprozess, an dessen Scheitern beide Seiten beteiligt waren, gilt beinahe schon als schrecklicher historischer Irrtum. Im Herbst 2023 war die Unterzeichnung des ersten Oslo-Abkommens dreißig Jahre her, das den Weg zu einer palästinensischen "Entität" ebnen sollte. In den Augen vieler Israelis markiert der 7. Oktober das endgültige Ende dieser Möglichkeit. Parallel dazu wird in der internationalen Politik so viel über die Zweistaatenlösung gesprochen wie seit Jahren nicht mehr.

Die israelische Rechte nützt die schreckliche Lage zur ideologischen Rückbesinnung auf eine Idee, die seit dem unilateralen Abzug Israels aus dem Gazastreifen 2005 vom Tisch schien: dessen Einverleibung, in welcher Form auch immer. Seit 2016 Archive geöffnet wurden, weiß man, dass auch David Ben-Gurion, damals zum zweiten Mal Israels Regierungschef, während des Suezkriegs 1956 an die Annexion des Sinai und des Gazastreifens dachte. Darauf macht Joseph Croitoru in seinem neuen Buch Die Hamas aufmerksam und verweist auf einen Haaretz-Artikel.

Israel war damals in den Gazastreifen vorgerückt, der vor 1956 und danach wieder bis 1967 unter ägyptischer Kontrolle stand. Auch nach der Eroberung 1967 blitzten die Gelüste auf das Territorium auf. Aber beide Male hätte Israel nicht die US-Unterstützung dafür gehabt, während der Suezkrise schon gar nicht.

Nur die Schlacht gewonnen

Den meisten Israelis liegen die ideologischen Begründungen für die rechte Großisrael-Politik zwar fern – aber nicht der Gedanke, dass dieser Gazakrieg, nach dem 7. Oktober, unter keinen Umständen so zu Ende gehen darf wie die Kriegsrunden seit 2009 vor ihm: Schlacht gewonnen, aber den Krieg nicht. Verteidigungsminister Yoav Gallant, der sich in Washington aufhielt, als der Sicherheitsrat die Uno-Resolution verabschiedete, formulierte die israelische Angst, die weit über die Hamas und die Palästinenser hinausgeht: Alles andere als ein klarer Sieg Israels im Gazastreifen könnte "uns näher an einen Krieg im Norden" bringen, sagte er.

Die Unterzeichnung der "Abraham Accords" 2020 (von rechts Trump, Netanjahu, Bahrains Außenminister Zayani) sollte ein Neuanfang für Nahost werden.
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Im konkreten Fall meint er die Lage an der israelisch-libanesischen Grenze, jenseits derer die Hisbollah ihre Raketenarsenale aufgebaut hat. Der Entwicklung der 1982 vom Iran gegründeten schiitischen Miliz wurde in Israel – wie jener der Hamas – relativ passiv zugeschaut: im Glauben, dass Israel in seiner militärischen Stärke abschreckend genug sei.

Das war die gleiche Überzeugung wie vor dem Jom-Kippur-Krieg 1973, als die Regierung von Golda Meir nicht glauben mochte, dass die arabischen Nachbarstaaten, die sich 1967 eine blutige Nase geholt – und große Territorien verloren – hatten, angreifen würden. Auch damals gab es konkrete Informationen über die Aggressionspläne; sie wurden, wie fünfzig Jahre später, ignoriert.

Als Schwäche ausgelegt

Von den Feinden Israels wurden spätere israelische Strategiewechsel, die sich aus politischen Dynamiken ergaben, als "Schwäche" ausgelegt. Als Israel nach langer Besatzung im Mai 2000 seine Truppen – überraschend chaotisch – aus dem Südlibanon abzog, inszenierte die Hisbollah groß ihren "Sieg". Das Gleiche geschah nach dem Abzug Israels aus dem Gazastreifen 2005. Die radikalen Kräfte unter den Palästinensern zogen den Schluss: Israel ist besiegbar. Nach Ende jeder Konfliktrunde im Gazastreifen wiederholte sich das Spiel: Die Hamas feierte. Die Position der israelischen Falken, dass das nicht mehr passieren darf, ist insofern verständlich.

Der Politikfehler, den Gaza-Abzug 2005 nicht mit Ramallah koordiniert zu haben, wird nicht thematisiert. Immerhin war Yassir Arafat, zum "Osama bin Laden Israels" hochstilisiert, zu diesem Zeitpunkt schon tot, sein Nachfolger Mahmud Abbas als Pragmatiker bekannt. Die Fatah, beinahe schon im Bürgerkriegszustand mit der Hamas, hätte gestärkt werden können. Aber der "Sieg" wurde der Hamas überlassen. Heute überwiegt der Glauben an die Aussichtslosigkeit der Geschichte. Und wenn man daran glaubt, ist sie es. (Gudrun Harrer, 30.3.2024)