Blick in den großen EU-Sitzungssaal. Blaue Tische und Stühle. Viele Menschen sitzen und haben weiße Blätter vor sich.
Nach Berichten über ein russisches Propagandanetzwerk fordern EU-Abgeordnete das EU-Parlament zu einer Untersuchung auf.
AFP/FREDERICK FLORIN

Brüssel – Nach den Enthüllungen über russische Propaganda und Einflussnahme, die insbesondere auf das EU-Parlament abzielt, haben mehrere Abgeordnete am Freitag eine interne Untersuchung verlangt. Es müsse eine "sofortige und transparente" Untersuchung in Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden geben, forderte die Vorsitzende der liberal-zentristischen Fraktion Renew Europe, die Französin Valérie Hayer, in einem Schreiben an Parlamentspräsidentin Roberta Metsola.

Zehn Wochen vor den Europawahlen müssten die Wähler wissen, ob Europaabgeordnete oder Kandidaten für das Europaparlament "mit Unterstützung Russlands" arbeiteten. Auch die deutsche Grünen-Abgeordnete Terry Reintke forderte eine schnelle Aufklärung. Politiker, die für die Verbreitung russischer Propaganda Geld erhalten hätten, müssten sowohl politisch als auch juristisch zur Verantwortung gezogen werden.

Eine Parlamentssprecherin sagte am Freitag, derzeit würden die Erkenntnisse der tschechischen Behörden insbesondere mit Blick auf die Internetseite "Voice of Europe" ausgewertet.

Auf Sanktionsliste gesetzt

Die tschechische Regierung hatte am Mittwoch über die Enttarnung eines von Moskau finanzierten Propagandanetzwerks informiert, das die in Prag ansässige Internetseite "Voice of Europe" nutzte, um in der EU Stimmung gegen die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland zu machen. Dabei soll nach Informationen der tschechischen Zeitung "Deník N" auch Geld an Politiker aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Polen, Ungarn und den Niederlanden geflossen sein.

Als Reaktion auf die Enthüllungen um "Voice of Europe" setzte Tschechien sowohl den mutmaßlichen Verantwortlichen der "Voice of Europe"-Plattform, den Kreml-nahen ukrainischen Oligarchen Viktor Mewedtschuk, als auch den Medienmacher Artem Martschewskyj auf seine Sanktionsliste. Martschewskyj soll für die Inhalte der Plattform verantwortlich gewesen sein und die Kontakte zu europäischen Politikern unterhalten haben.

AfD-Spitzenkandidat: "Selbstverständlich kein Geld bekommen"

Das Innenministerium in Berlin sprach von einer "illegitimen" Einflussnahme Russlands auf das Europäische Parlament. Dafür würden Politiker verschiedener europäischer Länder benutzt und "erhebliche Geldmittel" zur Verfügung gestellt. "Auch die Bundesrepublik Deutschland bleibt weiterhin ein wichtiges Ziel russischer Einflussbemühungen", erklärte eine Sprecherin des deutschen Innenministeriums. Die deutsche Regierung kündigte an, gemeinsam mit Polen und Frankreich ein Frühwarnsystem gegen Propaganda aus dem Ausland einrichten zu wollen.

Unter den Politikern, die sich möglicherweise für ihre Zusammenarbeit mit "Voice of Europe" bezahlen ließen, befinden sich nach Recherchen des Nachrichtenmagazins "Spiegel" auch zwei Europapolitiker der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD). Der AfD-Spitzenkandidat für die anstehende Europawahl, Maximilian Krah, ließ über einen Sprecher erklären, er sei zweimal auf der prorussischen Internetseite aufgetreten, habe dafür aber "selbstverständlich kein Geld bekommen".

Auch mit dem auf Listenplatz zwei stehenden AfD-Politiker Petr Bystron waren auf der Plattform "Voice of Europe" Interviews zu finden, in denen dieser laut "Spiegel" russlandfreundliche Darstellungen verbreitete. Den Vorwurf, dafür Geld angenommen zu haben, bezeichnete Bystron auf Anfrage des Magazins als "Verleumdung".

Faeser: "Wichtiger Schlag gegen den russischen Propaganda-Apparat"

Die "Putin-Freunde der AfD" ließen sich für die russische Propaganda einspannen, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) dem "Spiegel". Das Aufdecken der großangelegten Einflussoperation sei ein "wichtiger Schlag gegen den russischen Propaganda-Apparat", sagte Faeser weiter. "Wieder sehen wir das massive Ausmaß der Lügen und der Desinformation, mit dem Putins Regime das Vertrauen in unsere Demokratie erschüttern, Wut schüren und die öffentliche Meinung manipulieren will."

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, der russische Präsident Wladimir Putin teste seit Beginn der Invasion in der Ukraine im Februar 2022 immer wieder den Zusammenhalt der Europäer.

"Putin führt seinen Krieg nicht nur mit seinem Militär. Sondern auch mit Fake News, Manipulation und gezielter Einflussnahme – die jüngste Aufdeckung der tschechischen Regierung ist nur ein Beispiel dafür, wie Russland unsere Demokratien zersetzen will", sagte die Grünen-Politikerin der Funke-Mediengruppe.

Frühwarn- und Reaktionssystem geplant

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, die deutsche Regierung richte derzeit gemeinsam mit den Partnern aus Frankreich und Polen ein "Frühwarn- und Reaktionssystem im Hinblick auf Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland" ein.

Der Zusammenhalt Europas sei gerade in Zeiten, in denen ausländische Akteure versuchten, die Grundwerte der liberalen Demokratien Europas zu unterwandern, besonders wichtig. Die Außenministerien in Paris, Warschau und Berlin befänden sich im Hinblick auf ein solches Frühwarnsystem "in enger und intensiver Abstimmung", hieß es.

Auch Polen betroffen

Auch in Polen gab es Durchsuchungen in Zusammenhang mit der Enttarnung eines prorussischen Netzwerks. Wie der Inlandsgeheimdienst ABW am Donnerstag mitteilte, wurden bei der Aktion am Vortag in Warschau und der schlesischen Stadt Tychy 48.500 Euro und 36.000 Dollar (33.303 Euro) sichergestellt. Es gehe um Aktivitäten zur Organisation prorussischer Initiativen und Medienkampagnen in EU-Ländern. Zweck dieser Kampagne war es demnach, die außenpolitischen Ziele des Kreml umzusetzen. (APA, 29.3.2024)